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one hit wondering

One-Hit-Wondering mit Johann Pachelbel

Dieser Typ hat ein Lied für eine Hochzeit und ungefähr TAUSEND Beerdigungen geschrieben.

Jede Woche höre ich mir die gesamte Diskografie einer One-Hit-Wonder-Band an und lasse euch wissen, ob man sich auch die restlichen Songs anhören sollte. Diese Woche: Johann Pachelbel.

Wisst ihr, wo One-Hit-Wonder oft gespielt werden? Auf Hochzeiten. Und so wie ich das sehe, gibt es kein One-Hit-Wonder, das dort öfter gespielt wird als Johann Pachelbel. der Komponist des omnipräsenten Wegbegleiters „Kanon in D-Dur“.

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Okay, ich weiß, dass das kein typisches One-Hit-Wonder ist, und es passt nicht mal in die technische Definition, aber scheiß auf die Formalitäten und Definitionen. Wenn das hier mal kein Zeichen für ein One-Hit-Wonder ist, dann weiß ich auch nicht weiter:

Ich habe versucht, mir seine ANDEREN Lieder auf Spotify anzuhören, aber es war zu kompliziert.

Vielleicht habt ihr schon bemerkt, dass die meisten One-Hit-Wonder, über die ich in den letzten Wochen geschrieben habe, aus den 80er Jahren kamen. Bei meinem Kumpel Johann ist das nicht anders, außer—naja—der Kanon wurde in den 1680er Jahren geschrieben. Er ist seiner Zeit also voraus. Aber dennoch war dieser klassische Hit nicht immer so bekannt—er wurde erst im Jahr 1919 veröffentlicht und das Wiederaufleben seiner Bekanntheit hat erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angefangen, dank einer Aufnahme von Jean-François Paillard in den 1970er Jahren. Heute ist der Kanon auf Hochzeiten genauso beliebt wie Wagners „Hochzeitsmarsch“ und er hat sich als ein zeitloser Klassiker bewiesen. Aber wenn Pachelbel einer der größten deutschen Komponisten und Orgelspieler des Barocks ist, und zudem eine Reihe anderer brillianter klassischer Komponisten beeinflusst hat—zu erwähnen sei hier sein Schützling und Nachfolger J.S. Bach—warum kenne ich dann nichts anderes von ihm?

Es gab keine wirkliche Abfolge, an die man sich hier halten konnte. Schließich gibt es keine Diskografie, geschweige denn eindeutige Daten für seine Kompositionen. Außerdem merkte ich, dass es viel zu viele Lieder gibt, die meisten davon sind ziemlich lang, und einige existieren heute überhaupt nicht mehr. Also fing ich mit dem Band Pachelbel: Organ Works an, denn anscheinend spielte der Mann Orgel wie sonst niemand auf der Welt. Außerdem bestand dieses Werk aus einem guten Mix aus Fugen, Chören, Tokaten und anderen Genres, um eine ungefähre Vorstellung von seinem Werk als Ganzes zu bekommen. (Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was auch nur einer dieser Ausdrücke bedeutet, aber ich wollte trotzdem mit ein paar um mich werfen, damit ich intelligent klinge.)

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Ich will nicht Pachelbels Brillianz in Frage stellen—denn er ist ein echter Barock-Meister—aber seit ich mir diese Alben angehört habe, bin ich, glaube ich, offiziell depressiv. Es ist so, als hätte er die Musik für eine Hochzeit und TAUSEND Beerdigungen geschrieben. Aber ich meine das ernst, ich bin diese Woche richtig traurig und Pachelbels Hang im Moll Schlüssel herumzuklimpern, hat wirklich nicht geholfen.

Man muss allerdings auch sagen, dass auf einer Orgel alles viel depressiver klingt. Und trotzdem dachte ich mir „Oh Johann, warum denn so ernst?“ Dann habe ich irgendwo gelesen, dass seine Frau und sein Baby an der Pest starben—natürlich nicht an der Pest, aber trotzdem an einer tödlichen Plage—die seine Stadt im Jahr 1683 befiel. Es ist also kein Wunder, dass er traurig ist! Kurz nach dem Tod seiner Familie, schrieb Pachelbel eine Chor-Serie namens „Musicalische Sterbens-Gedancken“, die ironischerweise das fröhlichste seiner Werke war. Dennoch stellte sich heraus, dass seine Musik schon immer sehr traurig war, selbst vor der Tragödie. Denn er war bei der Kirche angestellt, um ernste lutheranische Hymnen und sonstwas zu schreiben, die mich vor allem dazu brachten, mir eine Krichenbank ausleihen zu wollen und darauf wochenlang zu weinen. Ich sage übrigens nicht, dass das etwas Schlechtes ist—einige der besten Songs der Welt sind traurige Songs.

Aber nein, ihr habt Recht: traurige Orgelmusik ist nicht wirklich mein Fall. Jedenfalls bis ich über die Kammermusik von Pachelbel gestolpert bin, der Stil zu dem auch „Kanon in D-Dur“ gehört. Dann änderte sich das. Als Teil seines Werks schrieb Pachelbel eine sechsteilige Folge namens „Musicalische Ergötzung" und wie der Name es schon behauptet, war das Anhören wahrhaftig eine musikalische Ergötzung. Oh und wie ich mich gefreut habe, eine Violine zu hören! Zu diesem Zeitpunkt war ich einfach nur begeistert, etwas anderes als eine Orgel spielen zu hören. Pachelbels Kammermusik ist eine wundervolle Demonstration seiner kompositionellen Arbeiten, und nicht zu vergessen, eine angenehme Abwechslung von der Beerdingungswoche. Leider haben die meisten seiner Kammerwerke nicht überlebt, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass diese auch wunderbar waren.

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Hinreißend, oder?

Im Endeffekt ist nichts mit der Genialität aus „Kanon in D-Dur“ vergleichbar, das im Original mit einem Gigue im gleichen Notenschlüssel gepaart war (und wieder habe ich keine Ahnung, was dieser musikalische Begriff bedeuten soll). Außer dass er eine beliebte Wahl ist, den (vermutlich) glücklichsten Tag seines Lebens zu untermalen, ist der Kanon mit so viel Melancholie gefärbt—und ich denke, diese feine Balance gehört zu den schönsten Dingen an diesem Werk. Mir kamen gerade wirklich die Tränen, als ich es anhörte, so als hätte ich es noch nicht eine Millionen Mal vorher gehört. (Ich weiß auch nicht woran das liegt, ich bin diese Woche einfach emotional.) Aber es ist ja auch so verdammt wunderschön. Schnief.

…Und dann habe ich das alles komplett ruiniert, indem ich mir dieses Album anhörte:

Nochmal ein Danke an Spotify.

Warum die Leute gute Dinge immer ruinieren müssen, indem sie sie nicht in Ruhe lassen können, verstehe ich nicht. Oh mein Gott. Ich höre mir gerade die „Goth Rock“-Version an—was zur Hölle? Hey, das Album heißt The Canon in D Experience; niemand hat gesagt, dass die Erfahrung gut sein wird. Aber im Ernst, was ist mit diesem Album los?

Wie du bereits weißt, hatte der Kanon einen bedeutenden Einfluss auf die Pop-Kultur (ähm, ich habe zum Beispiel gerade herausgefunden, dass Green Days „Basket Case“ die genau gleiche Klangfolge hat) und trotzdem gibt es sowohl gute als auch schreckliche, schrecklich schlechte Aufnahmen davon. Hier sind einige meiner Favoriten:

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„O Lord, Why Lord?“ von den Pop Tops—die erste Verarbeitung des Kanons in der Popmusik, 1968.

Die zweite Hälfte von Brian Enos Solo-Albums,

Discreet Music

(1975) besteht aus „Three Variations on the Canon in D Major by Johann Pachelbel“, die nach ein paar algorithmischen Neuordnungen nicht mehr wirklich wie das Original klingen.

Werner Herzog hat den Song für seinen Film

Jeder für sich und Gott gegen alle

1974 benutzt. Man kann ihn am Ende des Trailers hören.

„Ladies and Gentlemen, We Are Floating in Space“ von Spiritualized ist so ein schöner und trauriger Song, genau wie der Kanon. Und dennoch hat es mich

nur

fast zum Weinen gebracht, während das Original mich wie ein Schloßhund heulen ließ.

@kristenyoonsoo

Letzte Woche mit Haddaway