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Interviews

Olson schießt nicht zurück

Sollen die anderen Rapper doch auf ihn schießen, wie sie wollen, an Olson prallt das ab. Aber klar ist: Der Weg vom Rap- zum Popstar ist kein einfacher für ihn.

Foto: Universal

Wo steht Rap im Jahr 2014? Haben Marteria, Casper und Cro den Bruderschluss mit dem Mainstream schon so weit vorangetrieben, dass Pop-Rap ein sicheres Brett wird? Für diese Fragen dürfte Olsons Album Ballonherz in den nächsten Monaten ein guter Gradmesser sein. Denn Ballonherz ist ein gutes Pop-Album geworden. Eines, dass im ersten Moment nach Selbstbeweihräucherung für Jugendliche klingt, es aber bewusst nicht ist. „Sweet but Street“ so wurde Aaliyahs Sound genannt und Ballonherz ist die deutsche Adaption in männlich. Mit durchgängigen 808-Drums aber auch durchgängig melodiösem Rap.

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Natürlich ist der Spagat vom straighten Olson Rough zum Styler mit dem Ballonherz keiner, der in der Rapwelt so positiv aufgenommen wird. Doch es gebührt Olson Respekt, dass er den Schritt zum Popkünstler gewagt hat, ohne dass jemand im Mainstream auf ihn warten würde.

Noisey: Auf dem Song „Flugmodus“ sagst du „Werd' wohl ein Star, oder tu' mir was an“. Sind das die beiden Optionen?
Olson: (lacht) Das ist natürlich ironisch gemeint. In der Zeile davor beziehe ich mich auf mein Studium, dass ich nur noch eingeschrieben bin, um günstig U-Bahn zu fahren. Weil ich mein Studium verkackt habe, gibt es nur die Option, Star zu werden, sonst tue ich mir was an. Aber das ist natürlich ironisch gemeint. Es gibt schon noch andere Optionen.

Wie fühlt es sich für dich an, wenn du von allen Seiten gesagt bekommst, dass du das nächste große Ding bist, obwohl du noch kaum was veröffentlicht hast?
Das habe ich nur vereinzelt wahrgenommen. Ich habe auch nie Druck verspürt, anderen Leuten zu beweisen, dass ich das nächste große Ding bin. Ich würde eher Druck verspüren, dass ich nach diesem Album eine Platte nachlegen müsste, was die Erwartungen von den Reaktionen des ersten Albums erfüllt. Vorher habe ich gesagt, dass ich einfach drauf losmache, und wenn es würdig ist, verkauft zu werden, dann mache ich es dann. Es ist mir auch egal, ob ich irgendwelche etwaigen Hypes verpasse. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass ich einen großen Hype hatte, nur weil zwei Redakteure gesagt haben: Der könnte es schaffen. Trotzdem hatte ich nur 5.000 Facebook-Fans.

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War das für dich befremdlich oder hat dir das geschmeichelt?
Das hat mir schon geschmeichelt. Wenn ich so etwas gehört habe, war ich aber nur ängstlich, dass sich die Leute getäuscht haben. Ich hasse Vorschusslorbeeren, weil die Gefahr groß ist, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden.

Vor allem bei einem Debütalbum eines Rappers sind die Erwartungen ja immens hoch. Trotzdem hast du eine Popplatte gemacht. Wie ist es dazu gekommen?
Der Prozess hat sich richtig eingeschlichen. Das war überhaupt nicht meine anfängliche Absicht. Ich habe einen Song gemacht, bei dem ich die Parts straight gerappt und ein bisschen Melodie reingebracht habe. Dann habe ich gemerkt, dass mir das Spaß macht und habe es an immer mehr Stellen probiert. Irgendwann war die Strophe komplett melodiös. Irgendwann hatte ich fünf Songs, die nur melodiös gerappt waren und ich habe mir überlegt, ob ich die restliche Platte straight Rapsongs mache. Aber dann dachte ich mir: Nö, nur um irgendwelche Rapfans zu beschwichtigen, mache ich das nicht. Ich weiß, dass ich Pop im Rap nicht erfunden habe und dass ich mich an der Grenze bewege. Aber es ist alles von mir.

Das Drake-Problem.
Ja, den Vergleich höre ich häufiger. Natürlich mag ich Drake, aber er hat mich bei dem Album nicht beeinflusst. Meine Referenz ist Kid Ink. Aber wahrscheinlich ist der zu unbekannt. Ich meine aber die Platten von Marteria, Casper und Cro. Ohne die hätte man so ein Album wie meins gar nicht machen können. Die Leute wurden an Rapmusik im Popbereich herangeführt, deswegen habe ich es einfach durchgezogen. Mir war aber vollkommen bewusst, dass es mit der Entscheidung viel Gegenwind geben wird. Aber das ist ja auch besser, als wenn es den Leuten egal wäre.

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Wolltest du mit der Entscheidung, das Hochglanzvideo „James Dean“ in Amerika zu drehen, bewusst diese Leute provozieren?
(überlegt) Eigentlich nicht, weil das der rappigste Song auf der Platte ist. Anfangs wollte ich sogar mit „Mein kleines Hollywood“ als erstes rausgehen. Aber „James Dean“ war die bessere Brücke.

Du hast erzählt, dass du, als du vor zwei Jahren nach Berlin gezogen bist, erst mal viel in Clubs gefeiert hast. Dreht man sich in so einer Phase nicht zu sehr um sich selbst?
Voll. Es war weniger der Versuch, mich zu finden, als der Versuch, mich vor mir abzulenken. Ich erzähle immer, dass mir Interviews, die ich in der Zeit gegeben habe, furchtbar peinlich sind, weil ich mich ganz komisch verhalten habe. Das war sehr lehrreich für mich, weil ich eigentlich dachte, dass ich ein bodenständiger und selbstkritischer Typ bin.

Was glaubst du, warum du damals so warst?
Weil ich mich auf einmal unfassbar cool gefühlt habe und in meinem kleinen Dorf bei Düsseldorf nichts abging. Hier bin ich in einen Kreis von coolen Menschen geraten, die mich auch als coolen Menschen angesehen haben, weswegen ich mich auch so gefühlt habe. Das Lehrreiche, was ich mitgenommen habe, ist, dass ich jetzt eher tief stapele um zu vermeiden, dass ich mir Dinge rausnehme, die nicht meiner Person entsprechen.

Du hast dir drei Jahre Zeit gelassen mit einem Album. Ist die Gefahr nicht groß, dass die Arbeit umsonst war, wenn es doch nicht funktioniert sollte? Wäre nicht der sichere Weg gewesen, konstant Musik herauszubringen, auch wenn du manche Sachen später nicht hören möchtest?
Das habe ich mit der 40213-EP damals gemacht. Obwohl ich die Songs nicht albumwürdig fand, habe ich sie rausgebracht, weil ich sie nicht auf meiner Festplatte versauern lassen wollte. Das war der falsche Schritt, weil die EP mir nicht gut getan hat.

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Wieso nicht?
Weil ich mich darin sehr offensiv positioniert habe, wie ich mich zum Beispiel anziehe und so weiter. Weil das zeitgleich zu diesem Neue Reimgeneration-Ding rauskam, habe ich gelernt, dass ich der Öffentlichkeit nichts mehr zeige, bevor ich da nicht hinterstehen kann um mich darüber zu definieren. Wenn du mich jetzt nochmal fragst und mich in so eine Runde setzt, würde ich bestimmt paar Monate danach was rausbringen, weil ich heute einfach die Möglichkeit habe. Damals hatte ich weder Studio, noch Verlag oder Label hinter mir.

Was wünscht du dir, wie die Platte aufgenommen wird? Ein gewisses Risiko ist ja da, wenn man als Rapper eine Pop-Platte macht.
Das ist ein mega Risiko. Bei den ersten Sachen, die ich rausgehauen habe, gab es viel Gegenwind aber auch viel Zuspruch. Wenn es sich nur in dem Rapkreis bewegen wird, dann wird es so bleiben und ok laufen, aber auch viele Anfeindungen geben. In dem Moment, wo ich mich entschieden habe, eine solche Platte zu machen, war uns klar, dass wir den Mainstream angehen. Die Schwierigkeit ist es, den zu erreichen. Wenn wir das schaffen, dann rechne ich mir ganz gute Chancen aus. Ich weiß auch, dass die Platte nicht so poppig ist, dass die sofort sagen: Ja, geil!

Von wem kommen eigentlich noch die Anfeindungen außer von 38-jährigen Baggiehosen-Trägern. Haben die denn noch das Sagen?
Ich merke das schon. Es gibt auch von der Straßenfraktion Kommentare, was aber auch ok ist. Das ist halt Rap. Es gibt Leute, die da ein bisschen rauswachsen und sagen, dass ihnen die Musik wichtig ist. Andere bleiben drauf hängen, was nicht negativ gemeint ist. Aber die sehen das als Competion und schießen gegen jeden, der ein potenzieller Gegner ist. Sollen sie auch machen, aber ich schieße nicht zurück, weil ich da nicht mitspiele. Ich weiß, dass das Album nicht am ersten Tag explodieren wird, weil es nicht poppig genug ist um bei TV Total oder so stattzufinden. Deswegen braucht es Zeit. Aber ich weiß, dass es ankommen und genug Hörer finden kann.

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Wie weit kann denn Rap noch in den Mainstream gehen? Das würde dir ja von Vorteil sein.
Viele denken, dass die Rapper alle Richtung Pop gehen, aber ich glaube viel eher, dass die Popleute Richtung Rap gehen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass in den nächsten Jahren auf einmal jeder anfängt zu rappen, der vorher normale Musik gemacht hat, bis dann der Overkill einsetzt, so wie beim Dubstep-Hype. Ich fände es übergeil, wenn Rap in Deutschland den Stellenwert hätte wie in Amerika. Dass es einfach außer Frage steht, dass es im Radio gespielt wird oder in einem Format wie Saturday Night Life läuft.

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