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Ob du willst oder nicht: Nu Metal ist wieder da!

In zehn Jahren ist verdammt viel passiert. So viel, dass jede Menge Kids Nu Metal plötzlich wieder für cool halten. Und das (teilweise) sogar zu Recht.

Foto: Irwandy Mazwir | Flickr | CC BY 2.0

Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich mir mit meinem besten Freund immer wieder Limp Bizkit’s Chocolate Starfish and the Hot Dog Flavored Water angehört. Er hatte den rechten, ich den linken Kopfhörer-Knopf im Ohr, der Track „Hot Dog“ lief auf Repeat. Da saßen wir nun und versuchten allen Ernstes jedes „Fuck“ in diesem Song zu zählen. Zwei Fanboys, denen es mangels ausreichender Englischkenntnisse nicht auffiel, dass Fred Durst genau das ja im Text sagt: „That's forty six ‚Fucks’ in this fucked up rhyme.“ Du darfst von Zwölfjährigen ja auch nicht zu viel erwarten.

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Wenn du 2001 in diesem Alter warst, war Nu Metal für dich einfach der Shit. Linkin Parks Hybrid Theory, Korns Untouchables, P.O.D.s Satellite, Papa Roachs Infest und Slipknots Iowa wurden so oft in deinen Discman mit 80s Anti-Shock gelegt, bis du jeden Text in feinstem Bullshit-Englisch mitsingen konntest. Groovende, überdicke Riffs, Midtempo-Drums und pubertäre Texte über Selbstzweifel, Ausgrenzung und Selbsthass waren der Soundtrack deiner kindlichen Rebellion. Heute packt dich beim Hören dieser Platten jedes Mal eine zutiefst verwirrende Mischung aus Nostalgie und Scham. Du erinnerst dich an eine sorglose Zeit, in der du mit deinen Freunden alles ausprobiert hast, was du dich vorher nie getraut hättest. Gleichzeitig schüttelst du peinlich berührt den Kopf, angesichts stümperhaft kitschiger Zeilen wie: „I'm crying day and night now. What is wrong with me?“ (Papa Roach—„Broken Home“).

Nu Metal ist der peinliche Patch auf der Jeansweste eines jeden Metallers; vor Jahren in einer Phase der kopflosen Umorientierung aufgenäht und seitdem gekonnt ignoriert. Das verschmähte Phänomen des frühen Jahrtausends wird heute nur noch von Chart-DJ’s alternativer Clubs rausgekramt und mehr ironisch, als leidenschaftlich gefeiert. Aber wie alles, was mehr als zehn Jahre zurückliegt, wurde auch Nu Metal längst wieder von jungen Bands für sich entdeckt. Vielleicht ist das nur eine Randerscheinung, ein verzweifelter Versuch ein eilig bestattetes Genre auszugraben, es durch schwachsinnige Rituale wiederzubeleben und doch nur einen verrotteten Leichnam in den Armen zu halten. Doch was, wenn es funktioniert, wenn Nu Metal wieder relevant für die Musikwelt wird? Immerhin ist der Gedanke, sich Elementen verschiedener Genres zu bedienen, um daraus etwas Neues zu erschaffen sehr lobenswert. Wir stellen euch Bands vor, die Nu Metal neues Leben einhauchen können.

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Emmure

Natürlich beginnen wir die Liste mit Emmure. Nicht umsonst bezeichnet Sänger Frankie Palmeri Limp Bizkits Fred Durst und Korns Jonathan Davis als seine Vorbilder. Emmure haben sehr erfolgreich ihren stumpfen Metalcore so lange durch den Nu Metal-Bounce-Wolf gedreht, bis sogar Wes Borland unfreiwillig mit dem Kopf nicken müsste. Ihr neuestes Album Eternel Enemies stellt den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung dar. Stumpfe Breakdown-Orgien werden mit Dubstep-Samples und Scratches gemixt. Selbst die Ästhetik der Videos und der Kleidung der Neu-New Yorker weckt allerlei verwirrend vertraute Erinnerungen. Trotzdem wird es nicht reichen, nur monoton abgedämpfte Akkorde zu spielen und sich im engen Rahmen der musikalischen Möglichkeiten zu bewegen, um wirklich etwas Revolutionäres zu kreieren. Es gibt inzwischen einfach zu viele Bands wie Emmure.

Hacktivist

Hacktivist aus Großbritannien heben sich deutlich von der moshenden Masse ab. Offensichtlichster Grund: Sie schicken gleich zwei Rapper auf die Bühne, die abwechselnd sozialkritische Bars spitten. Unterlegt wird das Ganze mit sphärischen und dumpf walzenden Djent-Metal-Riffs. Eigentlich wollte Timfy James damals nur ausprobieren, wie J. Hurleys Raps auf die von ihm geschriebenen Riffs passen. Jetzt supporten Hacktivist Korn und Limp Bizkit. Zudem sind sie mit einer gewissen UK-Band namens Enter Shikari dick befreundet, die ihrerseits die Grenzen der Genres mit einer D’n’B-Abrissbirne gesprengt haben. Bleibt abzuwarten, wie groß der Stempel sein wird, den Hacktivist ihrerseits dem Metal aufdrücken.

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Sylar

Sylar stehen lyrisch in einer direkten Verbindung mit den alten Nu Metal-Helden. Die Eltern sind scheiße, keiner versteht sie, das Leben macht keinen Spaß, die Jugend ist eine Tortur. Wenn du dich davon nicht abschrecken lässt, bekommst du allerdings ein fies groovendes Metal-Scream-Rap-Gebräu mit mitreißenden Hooks, großen HipHop-Anleihen und sinnig eingesetzten Synthies geboten. Immer wieder gibt es Momente, in denen du denkst: „Kenn ich schon. Ist zehn Jahre alt“, und dann setzt ein zerberstender Breakdown ein, der dich unwiderruflich grinsen lässt. So etwas gab's damals eben leider noch nicht.

KING 810

In Flint, Michigan dürfen sich über 100.000 Einwohner damit rühmen, in der gefährlichsten Stadt der USA zu leben. Nachdem die Autofirma General Motors als größter Arbeitgeber der Region im Zuge der Finanzkrise Konkurs anmeldete, geriet die Stadt zusehends in die Abwärtsspirale der Gewalt. David Gunn, Sänger der umstrittenen Band KING 810 wurde 2012 auf offener Straße ausgeraubt und dabei von einer Shotgun durchsiebt. Für ihn Grund genug, mit KING 810 auf die Probleme von „Murder City“ aufmerksam zu machen. Die teils gesprochenen, teils geschrienen tief sozialkritischen Lyrics und die stumpf groovenden Slipknot-Riffs erfinden das Rad weder neu, noch sind sie besonders originell. Doch KING 810 verstehen es, durch durchinszenierte Liveshows, die öfters in pure Gewalt ausarten, einen gewissen Ruf aufzubauen, dem sich auch das legendäre Metal-Label Roadrunner Records nicht entziehen kann. Im Mai 2014 wurde die EP proems auf Roadrunner veröffentlicht, ein Album soll folgen. Bleibt abzuwarten, ob sich KING 810 mit ihrer Selbstjustiz-Außenseiter-Attitude auch im Metal-Mainstream beweisen können. Doch gerade diese glorifizierte Kompromisslosigkeit und die nachweisbare Authentizität werden nicht nur unzählige missverstandene Jugendliche, sondern auch die Gewalt-faszinierte Mittelschicht anziehen.

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Dangerkids

Während sich Linkin Park billig dem Mainstream Rock angebiedert haben und mittlerweile auch von deiner Mutter gehört werden, haben Dangerkids aus Ohio diesen dunklen Weg der Macht glücklicherweise noch nicht beschritten. Um den Sound der Band zu beschreiben, musst du eigentlich nur dem roten Faden folgen, den massenkompatibler Metalcore seit den frühen 00ern fleißig weitergeknüpft hat. Zur Abgrenzung zum chartrelevanten Nu Metal spielten viele Bands einen brutalstmöglichen Mix aus Death/Thrash Metal und stampfenden Breakdowns. Dann fingen immer mehr Bands damit an, androgynen Popgesang als musikalischen Konter und finanziellen Teenie-Magneten zu nutzen. Spätestens seit dem lächerlichen Erfolg von „We Butter the Bread with Butter" wurden auch verstärkt Elektro-Synthies benutzt. Dangerkids fügen dem Ganzen jetzt noch Mike Shinoda’sche Raps hinzu und schließen dadurch den Kreis. Diese Suppe, die an die Cocktails deiner Jugend erinnert, in die du einfach alles reingegossen hast, was noch im Schnapsschrank deiner Eltern zu finden war, funktioniert in diesem Falle erstaunlich gut, lässt aber noch genügend Raum für eigene Ideen auf dem nächsten Album. So klingt Nu Metal 2014.

Issues

Ich habe mich damals immer gefragt, warum so viele Metalfans Limp Bizkit scheiße fanden. War doch coole Musik! Jetzt bin ich es, der jedes Kind verachtend anguckt, dass Issues für die Offenbarung seines musikalischen Lebens betitelt. Glattproduzierte, generische Metalcore-Riffs und (zugegeben ziemlich mächtige) Screams treffen auf widerlich klebrige Pop-Hooks, Scratches und ätzende Elektro-Spielereien. Musik ohne Seele für seelenlose, pubertierende Ex-Bieberfans, die ihren Eltern beweisen wollen, dass sie auch böse können, während sich ihr Slayer-liebender Vater lachend in den Dachstuhl hängt. Ähnlich wie Dangerkids ist die Musik von Issues nur eine logische Weiterentwicklung, nur eben in eine extrem Radio-anbiedernde Richtung. Wenn Issues Nu Metal wiedererwecken, bin ich der Erste, der zu Heugabeln und Fackeln ruft, um das Monstrum wieder zu töten.

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