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Nu-Metal wird niemals sterben

Korn gibt es immer noch—du hast nur aufgehört, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.

Scheiß auf das Emo-Revival.

Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich feststellte, dass sich meine Klospülung exakt wie eine wässrige Version des Vocal-Intros von Disturbeds „Down with the Sickness“ anhört. Wir befinden uns mittendrin in einem aufkommendem Nu-Metal-Revival. Aber in einer Kultur, in der die Dinge schneller zusammenstürzen als das sie errichtet werden können, in der kultureller Kannibalismus so schnell voranschreitet, dass wir eigentlich eine Form von Ausrottung als Überlebensprinzip verstehen, ist es nicht fair davon auszugehen, dass Nu-Metal irgendwann überhaupt mal wirklich tot war.

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Als sich Korn dazu entschieden, Dubstep in 2011 noch einmal neu zu erfinden, verkündeten sie damit eigentlich, dass sie schon Dubstep gemacht haben, bevor es Dubstep überhaupt gab. Obwohl das eigentlich keinen Sinn ergibt, kannst du auch nicht sagen, dass sie damit völlig falsch lagen. Die Built-Ups und Breakdowns in den Songstrukturen von Skrillex und Konsorten finden ihre Ursprünge sowohl im Metalcore als auch im Nu-Metal, den Korn mit dem Stolz eines besoffenen Amerika-Flaggen schwenkenden Rednecks am Veterans Day vertraten. Es stimmt schon, dass Korns Dubstepalbum in Teilen von Skrillex produziert wurde und es stimmt auch, dass es erst im Dezember des Jahres nach Skrillex’ Debüt veröffentlicht wurde. Aber da war es, Path of Totality, Korns 2011er Dubstepzeitreise. Korns Frontmann Jonathan Davis ging dann sogar einen Schritt weiter und veröffentlichte später ein Elektro-Soloprojekt mit dem Namen Killbot, um ein für alle Male zu beweisen, dass er mehr als nur Korn kann.

Korn selber haben seit 2003 keinen Grammy mehr gewonnen, scheinen sich damit aber auch abgefunden zu haben. 2013 meldeten sie sich mit ihrem selbstbewusst betitelten Album Paradigm Shift zurück. Das Album beinhaltete wieder einige der härteren, angepissteren Passagen—ähnlich ihrem Frühwerk. Es scheint fast so, als ob der Band die mediale Ausgrenzung geholfen hat, wieder zu alter Form zurückzufinden. Warum sollten Korn auch nicht wenigstens angenervt sein? Sie mussten zusehen, wie ihr Erfolg mehr und mehr schwand, während ihre Kumpels wie Skrillex alles einheimsten. Wenn du das neue Korn Video vor ein par Wochen gesehen hast, weißt du, dass Jonathan Davis wieder auf seinem Medienverschwörungstrip ist.

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Falls du es verpasst haben solltest: es beinhaltet viele Clips von Miley Cyrus, Justin Bieber, Barack Obama und anderen Medienmagnaten und eine düstere Darstellung der Datenspeicherung durch die NSA. Das Ganze ist jetzt nicht besonders tiefgründig, aber man erkennt schnell, dass diese Dinge wohl schlecht sind. Das war es dann aber auch schon. Davis bezeichnete Obama 2011 als eine „Marionette der Illuminaten“. Korn waren, soweit ich das beurteilen kann, niemals eine politisch besonders wortgewandte Band. Als Resultat davon wurde die Musik ein Ort politische Leere, eine Totalverweigerung, ein schwarzes Loch für komplexere Gedanken. Wir haben schon gesehen wie sich so etwas in Proto-Liberalismus, die Occupy-Bewegung oder—noch treffender—die Tea Party-Bewegung verwandeln kann. Tatsächlich haben Korn über Jahre hinweg eine Tour mit dem Namen Family Values veranstaltet—zum letzten mal im Oktober 2013. Denk mal an The Gathering of The Juggalos. Ist das wirklich etwas anderes als eine Version des Burning Man für den mittleren Westen, eine Veranstaltung, die sich an die Menschen vom Rande der Gesellschaft wendet und diese mit etwas bemächtigt, das man gut und gerne als Ideologie bezeichnen kann? Das Juggalo-Treffen ist eine riesiges Verbrüderungstreffen und an sich eine hochpolitische Angelegenheit. Die Family Values-Tour präsentiert sich ihrerseits alleine durch ihren Namen als etwas gänzlich Moralisches. Gott schütze Korn.

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Lasst uns nun einen Blick auf die technische Seite werfen: Es gab eine Zeit, in der du keinen Rockradio-Sender anschalten konntest, ohne irgendwann diesen eigentümlichen Sound einer überproduzierten Bassdrum zu hören. Achte mal auf dieses tote ‚Flomp’ in Mudvaynes „Dig“ oder Korns „Got the Life“. Als ich das Album Follow the Leader, von dem der Song stammt, 1998 zum ersten Mal hörte, war ich gerade in der sechsten Klasse. Der Sound war so einprägsam, dass ich damals ein kleines Quadrat auf den Anschlagpunkt meiner Bassdrum klebte, um den Klang nachzuahmen. Im Endeffekt ist es aber für den gemeinen Garagenrocker unmöglich, das zu erreichen, und wenn du genau hinhörst, erkennst du in dem Sound nichts mehr von den eigentlichen Schlagzeugaufnahmen wieder. Es ist reine Studioproduktion. Zum Glück hatten System of a Down, die 2001 mit „Chop Suey“ auf den Plan traten, mit John Dolmayan einen Drummer, der nicht nur einen runderen Bassdrumsound benutzte, sondern auch sehr melodisch klingende Toms. Seine Rhythmen waren musikalisch und technisch anspruchsvoll genug, dass sie auch im Modern Drummer Magazin gut aufgehoben gewesen wären.

Note: The most intense crowd moment I witnessed at the final 285 shows was when the DJ played System of a Down's "Toxicity" #notjudging

— Brandon Stosuy (@brandonstosuy) January 24, 2014

Musikerzeitschriften, wie Modern Drummer, haben es schon immer bevorzugt, über Metal und andere technische Musik zu schreiben—aus dem einfachen Grund, weil es dort mehr zu berichten gibt: mehr Drums, mehr Noten, mehr Technik, mehr Zahlen, mehr Geld. Dolmayan stach aus der Masse aber besonders hervor, weil er auch ein Gehör für den Klang hatte—er ist einer der wenigen, die sich während dieser Hardrock-Postgrunge-Phase in den späten 90ern für einen natürlich klingenderen Drumsound entschieden hatte. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass System of a Down nie als richtige Nu-Metalband angesehen wurden. Ihnen haftete immer noch die Aura des Old-Metal an, nach dem sich viele weiterhin sehnten. Seine Beats bewegten sich jenseits dieses klaren Studiosounds, dieser Überbetonung des eigentlich Anschlages, der das Gefühl vermittelte, von einer Trommel getreten zu werden (anstatt die Trommel zu treten, wie es eigentlich gedacht ist). Es liegt wohl in der Beschäftigung mit Sound selber (und vielleicht ist das auch letztendlich der Sinn davon), dass man versucht, möglichst künstlich zu klingen. Für mich klingt das allerdings nur wie eine aufgezwungene, unnötige Mutation. Das ist vielleicht aber auch ein Problem von Metal und härterer Musik im Allgemeinen. (Hör dir lieber das neue Oozing Wound Album an!)

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Trotz Dolmayans musikalischer Bemühungen hatten sich die Klauen dieses klinischen Sounds so fest in der Szene verankert wie die Haken einer Suspension im Hinterzimmer eines Piercingstudios—das blieb auch so, als Nu-Metal langsam aus den Charts verdrängt wurde. Dieses kleine Detail sollte eins der Hauptunterscheidungsmerkmale für die unterschiedlichsten Metalsubgenres der kommenden Jahre werden. Du hörst es in den ersten Takten von A Life Once Losts erstem Album A Great Artist—der einzigen LP der Band auf Jacob Bannons Deathwish Label. Und sogar Bannons eigene Band, Converge, ging 1998 und 1999 eine Liaison mit den Nu-Metal Drumsounds ein. Du brauchst nur in When Forever Comes Crashing reinzuhören, dann weißt du, was ich meine. Oder halte einfach in der großartigen bandeigenen Doku, The Long Road Home, die Augen nach dem langhaarigen Drummer, John DiGorgio, auf, der kurze Zeit in der Band spielte.

Mosh-Metalbands, wie vor allem The Agony Scene, benutzten diesen Bassdrum Sound, um Druckwellen auf den Hörer zu schleudern. Bleeding Through und Remembering Never kann man auch dazu zählen. Every Time I Die brachten das Ganze dann auf das nächste Level, als sie einfach die Kick aus einem 808 Drumcomputer für den Breakdown in „Godspeed Us To Sea“ von dem 2003er Album Hot Damn! verwendeten. Dieser ganze Produktionskram ging so weit, dass Drummer anfingen, Trigger an ihren Bassdrums zu benutzen, um den Ton besser unter Kontrolle zu haben—sowohl Live als auch im Studio! Das war nicht etwa, weil sie nicht schnell genug mit ihren Doppelpedalen spielen konnten, sondern weil sie so schnell spielten, dass überhaupt kein distinktiver Klang mehr zu erkennen war. As I Lay Dying waren eine der Bands in diesem Post-Hardcore/Metalcore-Ding, die ohne Frage Trigger benutzte.

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Heutzutage hört man diesen Sound vor allem noch bei groovebetonten Metalbands, die auf eine gute Produktion Wert legen, wie Gojira oder Meshugga. Es geht natürlich auch noch synthetischer: Schau dir Bands an, die komplett mit Drumcomputer arbeiten, wie Genghis Tron oder Agoraphobic Nosebleed. Es lässt sich also festhalten, dass das Schlagzeug im Metal schneller geworden ist (mehr Anschläge in kurzer Abfolge) und der Sound offensichtlicher künstlich (genormtere Klangwellen), damit aus jedem Anschlag das Maximum herausgeholt werden kann. Dieses Phänomen betrifft Nu-Metal und sein weiteres Umfeld. Wenn du dir jetzt nämlich eine Slayer Bassdrum anschaust, ist diese zwar artikuliert, aber trotzdem meilenweit entfernt von dem überbetonten Anschlag einer Bassdrum von, sagen wir, Staind. Sogar Stadionrocker wie Pearl Jam sind in dieser Diskussion kaum relevant—du kannst fast eine Tonfolge zu den Drums in „Jeremy“ singen.

Und jetzt haben wir hier Sonny Moore, aka Skrillex, sieben Jahre nachdem er seine Post-Hardcore/Emo-Band From First to Last verlassen hat. Und was glaubt du wohl? Die Band hatte damals auch diesen flachen, trockenen und übertriebenen Bassdrumsound. Vor allem während seiner sechs Jahre in der Band, gab es reichlich Kickdrum-Breakdowns. Das soll die Band jetzt nicht schlecht machen. Sie waren damals eine nette Gruppe mit langen schwarzen Haaren und Skrillex ist ein netter Elektro-Act mit langen schwarzen Haaren. From First to Last hatten auch keine große Wahl. Als technisch versierte Band im übersättigten Epitaph Roster mussten sie das Spiel mitspielen und sie mussten helfen, die Warped Tour mit am Leben zu halten. Vielleicht sollte man es als eine Art Übergangsritus sehen. Stell dir nur mal vor, wie Sonny bei all den Konzerten in den riesigen Arenen schon fast die Soundwellen aus den meterhohen Subwoofern kommen sehen muss, die die ganzen „tätowierten, gepiercten und kaugummikauenden Freaks“ auf ihren Hosenboden haut. Ich vermute mal, dass Skrillex’ Expertise im Einsatz von minimalem Bass bei maximaler Wirkung zum Teil aus diesen Jahren stammt, in denen er immer wieder beobachten konnte, was passiert, wenn zu viel Energie in die falsche Richtung geleitet wird.

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Als Skrillex sich 2010 der Öffentlichkeit präsentierte, wobbleten seine Beats eher ausgenudelt vor sich hin, sein Bass aber war vollkommen auf Effektivität getrimmt. Inzwischen hat er damit sechs Grammys gewonnen, zwei davon 2013. Das hat wohl auch Korn dazu gebracht, mit dem Dubstep-Zeitmaschinending aufzuhören und stattdessen ihren eigenen Signature-Sound wieder neu zu erfinden.

Das Emo-Revival ist eine Lüge. Nu-Metal 4evar, y’all.

Dale Eisinger ist schon darauf vorbereitet, für seine Meinung Prügel zu beziehen. Ihr könnt ihm auf Twitter folgen: @daleweisinger

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