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Der Noisey Guide To Ferropolis

Ob du auf's splash oder Melt! fährst, hier ist ein Guide für deinen Festivalspaß in der Stadt aus Eisen.
Foto: imago | STAR-MEDIA

Rein statistisch gesehen sollte Sachsen-Anhalt das weltbedeutendste deutsche Bundesland sein, denn hier befinden sich mehr UNESCO Weltkulturerbestätten als in jedem anderen Bundesland. Jeder, der mal in Sachsen-Anhalt war, ob er nun dort geboren oder aus Versehen mal durchgefahren ist, würde dem wohl widersprechen – vor allem diejenigen, die dort geboren wurden. Doch seit sich in der Nähe von Gräfenhainichen das Ferropolis-Gelände (kein Weltkulturerbe—noch!) zu einer Festivalstätte etabliert hat, fahren nicht wenige jährlich in das weltbewegende Bundesland, um sich ein Wochenende lang die Birne wegzuschießen. Pardon, die Musik und die Menschen zu genießen. Eben die normalen Gründe, ein Musikfestival zu besuchen.

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Zum 21. Mal findet das Melt!-Festival dieses Jahr schon in Ferropolis statt, das splash!-Festival ist dieses Wochenende zum zehnten Mal in der Stadt aus Eisen zuhause. Beides sind für die meisten von euch wahrscheinlich eher Gründe, in das Land der Frühaufsteher zu fahren, um dann nicht früh aufzustehen, sondern sehr, sehr lange auf dem Sleepless-Floor oder Zeltplatz gegen die Gepflogenheiten des Landes zu rebellieren. Wer also bald, ständig oder zum ersten Mal nach Ferropolis fährt, sollte sich eher diesen Guide zu Herzen nehmen, als die unzähligen Landesschilder, die einem auf dem Weg zum Festival begegnen.


Noisey-Video: "I Saw The Light – Zu Besuch beim Christen-Woodstock"


Anfahrt

Auf dem Weg zu eurem Festivalglück passiert ihr nicht nur eine romantische Stelle kurz vor der Autobahn-Ausfahrt, die wohl das Nächste zum Geschlechtsakt ist, an das ihr dieses Wochenende kommen werdet, sondern auch eine kleine Tankstelle, an der ihr zuverlässig ein paar komplett Besoffene beim Pfeffi-Trinken beobachten könnt. Denkt euch ruhig nochmal: "So asozial werde ich niemals sein", um danach schon auf dem Zeltplatz alles soeben Vorgenomme über Bord zu werfen.

Lasst euch auf dem Weg bloß nicht von den amateurhaften Pappschildern irritieren, die die Richtung zu splash! oder Melt! vorgeben. Ihr müsst ihr euch keine Sorgen machen, dass euch hier jemand einen Streich spielt und die Schilder umgedreht oder selbst gebastelt hat. Das sind die wirklich offiziellen Schilder der Festivals.

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Fotos: Katrin Ingwersen

Zeltplatz

Ein weiterer Grund, nicht früh aufzustehen: Morgens gleicht der Zeltplatz eher einer Müllhalde, in die zwei bis vier Personen ein Zelt geworfen haben. Das wird aber natürlich immer sorgfältig aufgeräumt. Außerdem solltet ihr wissen, dass der Zeltplatz in etwa so weit weg vom Festivalgelände entfernt ist wie euer Zuhause. Das hat aber den Vorteil, dass ihr in aller Ruhe schlafen könnt – solange ihr keinen 187-Fan als Zeltplatznachbarn habt oder eure druffen Freunde euch ständig auf den Sleepless-Floor zerren wollen. Zudem konzentriert sich dann jeder auf dem Konzertgelände eher nur auf die Konzerte. Schnell mal zurück ins Zelt und bumsen/Drogen nehmen/Nachschub holen, ist nicht. Das Beste an der Entfernung ist aber: Beide Wege, hin und zurück, sind perfekt zum Vortrinken und Ausnüchtern geeignet. Dann machst der nächste Tag gleich mehr Spaß.

Shuttlebus

Da das Festivalgelände wie gesagt einen schweren Fußmarsch weit entfernt ist, den nicht jeder überlebt, der auf dem Zeltplatz schon seine Festivalpflicht geleistet hat, gibt es Shuttlebusse, die euch nachts, abends und manchmal auch zwischendurch sicher zum Geschehnis bringen. Allerdings nur, wenn ihr nicht an forgeschrittener Klaustrophobie leidet. Ihr seid nicht die einzigen, die sich die zwei Kilometer Fußweg sparen wollen. Bus fahren macht übrigens noch viel mehr Bock, wenn das Festival um vier Uhr nachts wegen starken Gewitters abgebrochen wird und sich alle verbliebenen Gäste – so etwa 15.000 – nass bis auf die Haut in die drei bereit stehenden Busse verteilen. Auch geil: Bus zum Springen und Busfahrer zum Ausrasten bringen. Fußballfans kennen das Spiel von der örtlichen Straßen- oder S-Bahn.

Fotos: Katrin Ingwersen

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Toiletten

Klos sind der beste und schlimmste Ort bei Festivals zugleich. Beste, weil man sich da erleichtern kann, was bei einem Festival, das drei Tage geht, eine ganz gute Idee ist. Auch gut, weil man da die Leute wieder trifft, die man verloren hat. Es gibt keinen besseren Treffpunkt, denn jeder eurer Freunde wird irgendwann hier auftauchen. Schlimmste, weil es nichts Ekligeres gibt als Festival-Toiletten.* Wenn Menschen drei Tage lang komische Sachen in sich reinstopfen (Festivalfraß, Selbstgekochtes, Unmengen an Alkohol und synthetische Drogen), dann kommen auch komische Sachen wieder raus. Wenn Menschen die Kontrolle über sich verlieren, landen diese Dinge leider nicht immer da, wo sie hin sollen. Am schlimmsten sind die Dixis neben dem Zeltplatz (und die komplette Gegend im Umkreis von 50 Metern. Am annehmlichsten sind die festen (!) Toiletten auf dem Festivalgelände. Falls ihr große Geschäfte vorhabt, geht da hin und zwar früh am Tag—je später der Abend desto schlimmer die Toilettengäste, aber wem sag ich das.

* Festivalduschen. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum Festivalduschen so widerlich sein müssen. Im Grunde müsste jeder verschmutzte Festivalbesucher sich nur kurz hier reinstellen, den Schweiß und Staub mit Wasser von sich waschen und die Kabine sauber wieder verlassen. Leider sind viele Menschen auf engem Raum automatisch widerliche Schweine. Daher sammeln sich in den Duschen in kürzester Zeit jede Menge Fäkalien und Köperflüssigkeiten, die da echt nichts verloren haben. Spätestens ab dem zweiten Tag machen euch die Duschen nicht mehr sauber, sondern noch schmutziger. Eure Entscheidung, ob ihr trotzdem duscht oder es für den Rest des Festivals sein lasst. Eklig ist beides.

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Wetter

Über dem Ferropolis-Gelände gibt es nur drei Arten von Witterung. Entweder regnet es drei Tage hintereinander aus Kübeln, so dass man sich wundert, warum der See um das Gelände herum noch nicht doppelt so groß geworden ist, oder aber es ist richtig, richtig heiß. So heiß, dass sich selbst jegliche Wolke verzogen hat, um irgendwo im Schatten zu chillen. Die dritte Wetterbedingung ist nicht etwa ein angenehm bewölkter Zustand in den 20ern, sondern eine Mischung aus den beiden ersten. Es ist heiß und regnet aus Kübeln. Ihr dürft euch selbst aussuchen, was nun die beste Option ist.

Baden gehen

Besonders bei widerstandsloser Hitze füllt sich der kleine See um das Ferropolis-Gelände mit einem Haufen Menschen, die alle für höchstens 30 Sekunden im Wasser bleiben, um dann gleich wieder aus der Suppe zu rennen. Es ist mehr ein ins Wasser dippen, als ein im Wasser baden. Diese 30 Sekunden sind jedoch jedem empfohlen, der seinen Rausch im 60 Grad heißem Zelt nicht ausschlafen konnte. Eine kluge Person sagte mir einmal, dass eine Unterwasserrolle jeden Kater verfliegen lässt. Es heißt also: dippen und rollen. Aber dann sind die anderen an der Reihe.

Falls ihr länger drin bleiben wollt, solltet ihr so weit wie möglich rausschwimmen. Die ersten 20 Meter See sind definitiv nicht gesundheitsfördernd, dahinter wird es besser. Noch besser wird's in fünf Metern Tiefe. Problem: Wenn ihr nicht über einen Helikopter verfügt, müsst ihr durch die ersten 20 Meter Menschensuppe wieder raus. Danach duschen wäre eine gute Idee, aber Obacht: Festivalduschen sind gefährlich (s.o.).

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Tetrapack

Wie bei jedem professionellen Festival darfst du natürlich keine Flaschen mit auf das Gelände nehmen. Deswegen ein Tetra Pak aufzuschneiden, Alkohol einzufüllen und daraus eine Handtasche zu basteln, ist allerdings auch unnötig. Um betrunken zu werden, gibt es schließlich den Zeltplatz und den langen Weg zum Festivalgelände. Danach könnt ihr wie auf jeder anständigen Party euer Geld in die Hand nehmen und für euer Glück an der Bar anstehen. Oder ihr besorgt euch ordentliche Drogen. Hauptsache ihr lasst eure Umhänge-Handtäschchen aus Tetra Pak zuhause. Wir sind hier schließlich nicht auf einer Tupperparty.

Fressbuden

Handbrot.

Foto: Johannes Brugger

Bagger

Das Markenzeichen von Ferropolis, die riesigen Bagger, spucken hin und wieder ziemlich coole Feuerschwalle aus, was im Übrigen wie eine Warnung funktioniert: oben wartet ein Drache auf dich, falls du jemals auf die blöde Idee kommst, hochzuklettern. Und er schubst dich sofort runter, ganz egal ob du auf LSD bist oder nicht. Also betrachte sie lieber von unten und geh einfach auf's Dixiklo, sobald du das Bedürfnis hast, etwas Aufregendes zu erleben.

VIP Area

Ihr wisst ja, in VIP Areas passiert immer Unglaubliches. Tabletts mit Koks werden rumgereicht, alles ist umsonst, Musiker stehen in der Ecke und bieten sich jedem an, der ein kleines Abenteuer möchte (außerdem riechen sie gut, sind kein bisschen müde und haben richtig viel Lust, zum hundertsten Mal den gleichen Smalltalk zu führen), und die Musik ist viel besser als außerhalb der VIP-Area.

Wenn du eins und eins zusammenzählst, weißt du natürlich, dass die Veranstalter nicht noch bessere Musik in einer geschlossenen Area anbieten können als auf der Hauptbühne. Und wenn du schon mal die VIP-Bändchen an den Armen der Festivalbesucher gezählt hast, dann weißt du auch, dass dort nicht alles umsonst ist. Stattdessen ist die VIP-Area ein Sammelort für Presse und Sponsoren, wo nicht annähernd so gute Musik läuft wie auf der normale Personen-Area. Alles andere eben Erwähnte passiert tatsächlich, aber nicht in der VIP-Area sondern im Backstage.

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Backstage

Liebe Besucher, hier kommt man nicht so einfach rein wie in den VIP-Bereich. Dafür könnt ihr, wenn ihr es denn mal reingeschafft habt, jeden Musiker, der an dem Tag auftritt, einmal nackt sehen, wenn ihr es denn geschickt anstellt. Dort stapeln sich nämlich käfig-artig die Gaderoben-Container übereinander, dessen Türen offensichtlich nur schwer zu schließen sind. Guter Schachzug.

Timetable

Zwischen den Bühnen hin und her zu hoppen will auf dem Ferropolis Gelände gelernt sein. Meist ist es kein Problem, die Sets zu teilen, wenn der Timetable-Fiesling die beiden Lieblingsacts mal wieder auf den gleichen Slot gelegt hat. Die einzig kritische Situation ist die, wenn du von der Seebühne in das Zelt hoppen möchtest. Dann solltest du dich auf eine kleinen Sprint einstellen.

Sex

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Foto: Aljoscha Redenius

Sorry, es gibt keinen Sex auf dem Ferropolis-Gelände – sowie auf jedem anderen Festival auch.

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