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Niemand interessiert sich für Dubais superreiche Rapper

Wir haben Leute getroffen, die sich an der verschrienen HipHop-Szene in den Vereinigten Arabischen Emiraten versuchen und dabei versagen.

Luxuskarren vor dem Nachtclub People by Crystal

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind kein Land, das du sofort mit HipHop verbindest. Vielmehr ist es ein Ort, der üblicherweise solchen Kultur-Boten beraubt wird. Rap wurde in einem dreckigen und dunklen Schauplatz geboren—wenn Illmatic davon gehandelt hätte, wie 40 Millionen Euro ZU VIEL für eine neue künstliche Inselgruppe ausgegeben werden, statt den Kampf gegen die Armut zu thematisieren, dann wäre Illmatic wahrscheinlich ein anderes Album geworden.

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Doch das ist der jungen emiratischen Elite, die ihr Geld in Studiozeit und Musikvideos investiert, um sich den Weg ins Rap-Game zu ermöglichen, egal. Warum sollte sie es auch kümmern? Genres müssen nicht bei ihrem Ursprung bleiben. Dubstep hat sich aus einem Viertel in Südlondon heraus verbreitet, das sonst für seine U-Bahn-Stationen und Messerstechereienn bekannt ist. Inzwischen ist es die heißgeliebte Partymusik von ehrgeizigen BWL-Studenten mit Gesichtspiercings geworden.

Trotzdem tragen ihre Geldbündel nicht dazu bei, dass diese Szene besonders ernst genommen wird. Nicht viele Rappers in VAE veröffentlichen tiefgehende Platten darüber, wie die Regierung ihre Kritiker unterdrückt. Die meisten bedienen sich zufrieden an der künstlerischen Entwicklung von FloRida und suchen angestrengt nach neuen Wörtern, die sich auf Club reimen.

Aber es gibt manche Emirat-Künstler, die ein wenig Prestige zurückhaben wollen—zum Beispiel Desert Heat, zwei Thawb-tragende Brüder aus Dubai, die du vielleicht noch aus dem 2008 UAE-Rap-Klassiker „Keep it Desert“ kennst. Einer der Brüder Illmiyah sagte einmal, wie es ihn schmerzt, dass Emirati „als privilegiert und reich geboren stereotypisiert werden.“ Er will dieses Vorurteil korrigieren. Um es zu beweisen, veröffentlichte er sogar ein Soloalbum, das Stereotyped hieß. Leider wurden Desert Heat nach ihrer ersten Platte in Saudi Arabien und Kuwait verboten, und auch in UAE hatten sie nicht viel Erfolg.

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US-HipHop ist beliebt in den Emiraten. Rick Ross hatte hier vor einem Monat seine erste große Show—aber die Radios spielen keine einheimischen MCs und niemand interessiert sich für die Existenz regionaler Künstler. Es ist wie mit UK-HipHop—nur noch unbeliebter.

DJ Bliss in seinem Studio

Ich wollte ein besseres Verständnis von den Menschen, die in dieser HipHop-Szene sind, bekommen, also reiste ich an, um mit ihnen zu sprechen. Der erste war DJ Bliss, ein Produzent, Radio- und Fernseh-Moderator, und das Gesicht von Beats by Dre in den Emiraten—und so ziemlich der einzige Emirati in der nationalen Musikindustrie, den irgendjemand kennen könnte. Bliss—sein echter Name ist Marwan Parham Al Awadhi—legte als Teenager auf Partys auf, beugte sich danach aber für kurze Zeit dem Druck der Familie und versuchte mit einer internationalen Tabakfirma Geld zu verdienen. Die Tabakfirma hielt nur ein Jahr. Bliss verließ seinen Bruder (der darauf eine erfolgreiche Shawarma-Kette gründete) und fand Arbeit beim größten Radiosender in Dubai. Obwohl er die gleichen Bequemlichkeiten wie andere Emirati-Kinder genossen hatte, erschien mir Bliss wie ein harterer Arbeiter. Er war niemand, der auf dem Geld seiner Eltern in die Musikindustrie geritten ist.

Bliss hat das Ego eines jeden jungen und erfolgreichen DJs, aber da Bliss einen Rapper managt, der seit zwei Jahren in der Warteschleife hängt, weil die „Zeit ist noch nicht reif“ ist, weiß er um die Probleme der arabischen HipHop-Szene—Niemand spielt die Musik, niemand promotet sie, also hört sie niemand. Er verleugnete auch nicht, dass die von Geldbaum abstammenden Emirat-Rapper nur Touristen in einer Kultur sind, die sie mit einer Grossbestellung von Yankee Caps ausgepackt haben.

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„Stimmt. Rap kommt aus dem Elend,“ sagte er mir. „Und bei den meisten Emirati gibt es keinen großen Kampf; selbst wenn du keinen Abschluss machst, kannst du einfach zur Armee und irre viel Geld verdienen.“

Um Mitternacht nahm mich der Fahrer von Bliss mit in einen schicken Club in Dubai namens People by Crystal. Ich wartete dort auf Bliss, der sich zuhause noch umziehen wollte. Die Kamera um meinem Hals zog Menschengruppen an, die dachten, ich wäre der offizielle Club-Fotograf. Sie stellten sich in schauerlichen Bling-Gangster-Posen vor mir auf. Also sie herausfanden, dass ich die Fotos am nächsten Morgen nicht per E-Mail an sie verschicken werde, wurden sie sauer. Ich erinnerte mich, warum ich keine schicken Clubs mochte: sie waren voll mit Leuten die schicke Clubs mögen. Nach der Hälfte von Bliss’ Set ging ich nach hause.

Bliss (rechts) als DJ im People by Crystal

Bliss' Mix ist wie zugeschnitten für Clubs voller Expats. Er produziert sein eigenes Zeug, was auf eine prellende Jay-Z Art ziemlich gut ist. Aber die Publikumsreaktion ist viel besser, wenn er Kanye und Mackelmore raushaut. Etwas einheimischer—obwohl dieser von den Zugezogenen geführt wird—ist FreekTV, ein YouTube Kanal, der sich über Abu Dhabi lustig macht, und örtliche HipHop-Talente promotet.

Ich traf Mustafa Ismail, ein Somalier, der FreekTV gegründet hat, und FreekTV-Star Muhammed Rachdi, ein Tunesier, der unter dem Namen Alonzo rappt. Sie haben kein Bock auf Abu Dhabi und Dubais Rich Kids. Sie reden von der Untergrundszene in den ärmeren (obwohl immer noch ziemlich wohlhabenden) Regionen des Landes—hauptsächlich in Schardscha. HipHop aus dieser Region ist anscheinend etwas düsterer in Bezug auf Beats und Lyrik, also eher Raekwon als R. Kelly.

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Aber die Musik ist schwer zu finden. Ein paar ärmliche YouTube-Videos sind alles, was man findet, weil diese Typen nicht wissen, wie sie ihre Platten bewerben sollen, und nicht so viel Geld für professionelle Musikvideos haben wie die Geld-Babys aus den reicheren Emiraten. Es gibt aber keine Shows für aufstrebende Rapper, also schicken diese Rapper ihre Songs meistens nur ihren Freunden.

Als wir über Schardscha sprachen, fragte ich Mustafah und Muhammed nach Dangour. Dangour ist ein Rapper aus der Gegend, der 2011 festgenommen und zu drei Monaten Haft verurteilt wurde, weil er „Verbrechen verherrlichte“. Seine Tat? Er hat ein Musikvideo hochgeladen, in dem er zu Folterbildern darüber rappt, wie er alle Leute fertig machen wird, wenn sie was gegen ihn sagen, wie er Haschisch raucht und weiße Leute hasst. Die Polizei bestätigte später, dass Material gefälscht war. Trotzdem urteile das Gericht, Dangour hätte das Video gemacht, um „Leuten Angst zu machen.“ Offensichtlich eine Handlung von einem Land, das mit seiner Kulturlandschaft noch etwas überfordert ist.

Dangour ist das einzige Bespiel von einem Emirat-Rapper, der versucht sich als Gangster darzustellen, auch wenn nur gekünstelt. Ein Polizeibeamter, der Dangour aus der Schule kennt, meinte, „Dangour war früher nicht hart. Er hat die ganze Zeit geheult.“ Ein anderer Rapper, Mohammed Al Amry, sagte zu der Emirat-Presse: „Er wollte, dass Leute über ihn reden, als wäre er ein Krimineller. Deshalb wollte er ins Gefängnis. Also beschwert euch nicht über seinen Rap. Es geht nicht um Rap, es geht um ihn.“

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Mustafa von Freek TV

Aber Muhammed teilt diese Meinung nicht: „Er hat was Besonderes“. Was da so besonders war, konnte ich nicht heraus finden. Jeder Versuch, Dangour zu kontaktieren, war wirkungslos. Nur eine verwirrte Mail erhielt ich von Dangours Mitarbeiter. Anscheinend war Dangour in Malaysia und versuchte „seine Rechte von außerhalb zu beanspruchen“.

Wie ihr euch vielleicht denken könnt, ist der Output der Emirat-Rappern, die nicht ins Gefängnis mussten, ist viel harmloser als Dangours Liebesbriefe an Auspeitschungen. Die Videos von MC Bunny J aus Dubai zum Beispiel. Hier wird niemand ins Gesicht getreten. Stattdessen tragen die Leute Sonnenbrillen bei Nacht und schmollen mitten in der Wüste. Mit diesen Videos im Kopf erwartete ich ein eingebildetes und verwöhntes Kind, als ich mich mit Bunny—tagsüber ein Polizist—und seinem Manager im Starbucks in der Dubai Mall verabredete. Stattdessen traf ich zwei recht schüchterne Männer mit einer echten Leidenschaft für das, was sie tun.

Bunny J wird nie etwas abliefern, das tiefgründig ist—DOOM und Immortal Technique müssen sich also nicht um Konkurrenz kümmern. Das ist für Bunny J aber auch nicht wichtig: „Ich rappe über das Leben, Partys, was ich sehe. Ich mache das zum Spaß.“ Ich frage wie dieser Chicks, Autos und Champagner-Lebensstil sich mit seiner Religion versteht. Hat er Ärger mit konservativen Familienmitgliedern? Bunny sagt, der Islam sei ihm wichtig. Mehr hat er dazu nicht zu sagen.

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Bunny J

Bunny war ganz aufgeregt, mir das Video für seine neue Single „Fly Away“ zu zeigen. Auch wenn es mich nicht sehr berührte, würde es durchaus gut auf die meisten Playlists voller Autotune-Refrains und Texten, die davon handeln „den Himmel anzufassen“ passen,. Traurigerweise für Bunny werden seine Lieder bisher nicht in Dubais schicken Clubs gespielt. Er erzählte mir, dass das Radio Leute wie ihn ignoriert. Auch sonst gibt es keine richtige Plattform, auf der seine Musik existieren kann.

Ich probierte irgendetwas zu suchen, dass einer Art Amateur HipHop-Battle-Nacht glich. Ich wollte sehen, ob es jemand im Land gab, der diese Underground HipHop-Szene pflegte, aber ich traf nur auf einen örtlichen Poetry Slam, bekannt als Rooftop Rhythms. Die Veranstaltung bestand leider nur aus einem Mann, der von seinem Handy aus einen Text las, der davon handelte, wie „sick“ seine Reime waren. Vielleicht war es auch nur ein schlechter Abend. Aber er weckte nicht viel Hoffnung für Bunny und seine Freunde in mir.

Die Szene ist am Verfaulen. Die Künstler sind leidenschaftlich mit dabei, aber niemand sonst zeigt Interesse. Es mag sein, dass dieser Rich Kids-Lebensstil im Widerspruch mit anderen HipHop-Bewegungen in der Welt steht. Es mag sein, dass die Musik ziemlich scheiße ist. Aber das bedeutet nicht, dass die Szene unbedingt ignoriert werden muss—viele Leute mögen Musik, die ziemlich scheiße ist.

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Bevor ich das People by Crystal verließ, betonte Bliss, dass „die VAE noch sehr jung sind“. Und er hat Recht. Das Land selber ist nur 42 Jahre alt, dass gleiche Durchschnittsalter wie der Wu-Tang Clan. Und Emirat-HipHop ist noch jünger. Das ist leicht zu vergessen, wenn man all das Geld sieht, das eine Szene in kurzer Zeit auf die gleiche Ebene bringen kann, wie eine Szene, die sich seit Jahrzehnten entwickelt. Unterstützung vom Radio und Managern fehlt. Aber es gibt immer noch das Internet. Vielleicht braucht die HipHop-Szene bloß jemanden, der gut genug ist, um die Leute zum Zuhören zu bringen.

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