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"Irgendwas mit Eis"—Nichts ist so altbacken wie die Jugendradios der ARD

„Von Sachsen bis zum Saarland, von Hamburg bis nach Bayern, von N-JOY über YouFM bis Radio FRITZ, überall wird der gleiche ideenlose Rotz gesendet.“ Ein Kommentar.

Wir alle kennen das. Ein Moderator mit grauen Schläfen, der auf 34 Jahre runtergeschminkt wurde und ein irre buntes Hemd trägt, steht vor einer Gruppe Hacky-Sack-Spieler und erzählt euch was von den Jugendtrends des kommenden Jahres. Zapp. In der McDonalds-Werbung wird dir erklärt: "Gönnung muss sein". Zapp. Eine aufklärerische Sendung in einem der dritten Programme beschäftigt sich mit Graffiti, eingeladen ist ein legaler Sprüher aus Pforzheim. Zapp forever. Auch immer gern gesehen: Redewendungen, die direkt aus der Hölle des "Jugendwort des Jahres"-Katalogs stammen. Smombie. Swaggetarier. Augentinnitus. Dazu werden absurde Handbewegungen angedeutet. Alles in allem fühlst du dich in diesen Momenten exakt wie damals, als deine Mutter dich auf Facebook geaddet hat. Schmutzig und alt. Fernsehen halt.

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Leider kann auch das Radio nicht anders, als sich laufend als altbackenes Medium zu präsentieren. Besonders deutlich wird das bei den öffentlich-rechtlichen Jugendprogrammen. Man kann—auch ohne "Lügenpresse"-Gebrüll und oftmals sonderbar anmutender GIS-Kritik—mit Fug und Recht behaupten, dass die Sendeanstalten auf einem unverschämt großen Haufen Kohle sitzen. Leider wissen sie nicht viel damit anzufangen. Während die ganze Medienwelt nach Amerika schielt, wo scheinbar im Minutentakt bahnbrechende Formate, Serien und Sendungen—oftmals verbunden mit hohem privaten und finanziellen Risiko—aus dem Boden schießen, wirken die staatlich abgesicherten Programme, bei den Nachbarn in Deutschland, wie das Kaninchen vor der Schlange: Starr vor Angst. Man könnte ja irgendetwas anders machen als es die letzten 50 Jahre lief.

Besonders während der Sommerzeit ist das immer wieder auf absurde Art und Weise zu beobachten. Von Sachsen bis zum Saarland, von Hamburg bis nach Bayern, von N-JOY über YouFM bis Radio FRITZ, überall wird der gleiche ideenlose Rotz gesendet. Ganz so als müsse man den alten Herren in der Chefetage beweisen, dass jetzt gerade Sommerloch ist. Schaut mal, es gibt wirklich überhaupt keine Themen im Moment. Irgendwas mit Eis ist die erste Voraussetzung für einen gesendeten Beitrag. Radio FRITZ etwa kauft ein Eis und trägt es dann eine gefühlte Ewigkeit durch die Hitze in die Redaktion. Jetzt das Unglaubliche: Das Eis schmilzt auf dem Weg. Bei DAS DING klärt man bahnbrechende Fragen wie "Hilft Eis essen wirklich bei Halsschmerzen? Gibt es Hirnfrost wirklich? Und wer hat Eis überhaupt erfunden?". Cool. Das sind Themen, die die fetzigen Kids von heute bewegen.

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Wenn Eis diese Woche schon 27 Mal vorkam, nimmt man sich das warme Wetter vor. "Die besten Ausreden für einen frühen Feierabend" warten mit Krachern wie "Chef, ich geh heut früher, dafür komme ich morgen später" auf. Es herrscht eine Ideenlosigkeit wie in einem Veronica Ferres-Film. Verständliche Gründe dafür gibt es wenig, schließlich sollte man doch annehmen, dass gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen genug Geld und Sicherheit da ist, um auch mal einen Flop verkraften zu können. Aber auch einen Flop muss man sich verdienen. Soweit kommt es ja nicht mal, denn dafür müsste man sich mal irgendetwas trauen, was nicht mit Hitze, Hitzefrei, Sommerhits, Sonnenstich oder kühlen Getränken zu tun hat.

Wenn Redakteure so richtig verzweifelt sind, Eis und Wetter schon von vorne bis hinten durchgenudelt wurden und man immer noch nicht genug Hörer in der relevanten Zielgruppe hat, dann holt man sich den Untergang des modernen Abendlandes ins Studio: YouTuber. Bei 103.7 UnserDing etwa, sitzen Die Lochis neben einer grundlos kreischenden Moderatorin und sollen von ihren wahnsinnigsten Sommerferien-Storys erzählen. Laut Moderatorin starten die drei jetzt eine "fette Party", die Lochis müssen allerdings kleinlaut zugeben, dass sie gar keine Antwort parat haben, Sommerferien fielen in letzter Zeit leider flach. Zuviel zu tun. Mit dem Album. Mit der Tour. Mit den Videos. Mit dem Merchandise. Mit dem…Mist, eingeschlafen.

Der Auftrag eine Jugendprogramms ist es im Endeffekt, sich abzusetzen. Neue Wege zu gehen. Andere Ideen zu haben. Content zu liefern, der Jugendliche wirklich interessiert. Künstler zu fördern, die nicht bereits 2 Millionen Abonnenten auf YouTube haben. Stattdessen wird dem Niveau der Privatsender hinterhergehechelt, als ob es irgendetwas erstrebenswertes in diesen mit Werbejingles verseuchten Stationen geben würde, in denen Songs prinzipiell nur als Lückenfüller zwischen dem Geldverdienen herhalten dürfen. Kreativität oder gar Wagemut? Komplett Fehlanzeige. Man beschränkt sich auf billigste Comedy, den üblichen Mainstream und sechs Jahre alte Ideen aus Übersee.

Dabei war das auch mal anders. Nach der Wende gab es mit DT64 etwa einen durchaus relevanten und interessanten Jugendsender. Nach 3 Jahren wurde dieser jedoch trotz massiver Hörerproteste abgewickelt und stillgelegt. Es gab Gründe dafür dass ausgerechnet die Junge Union damals vehement für eine Schliessung von DT64 eintrat. Ein Sender der wirklich Jugendthemen anspricht, müsste nämlich ein unbequemer Sender sein. Davon sind wir inzwischen weit entfernt. Letzter Stand: Bei DAS DING verkündete mansoeben die "18 lustigsten PokéStops". Ganz vorne mit dabei: "Goldmöpse".