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Reviews

Musikreviews mit Ikonika, Icky Blossoms und mehr

Gutgelaunte Platten in einer beschissenen Welt, vertonte Einöde und Pinguine in der Sahara. Unsere Reviews.
7

ICKY BLOSSOMS
S/T
Saddle Creek/Cargo Records

7

Vorurteile über die Einöde des Mittleren Westens der USA haben wir uns wohl alle schon gebildet, und Icky Blossoms servieren uns hier die vertonte Bestätigung sämtlicher Stereotypen: Apathischer bis überdrehter, immer ein bisschen siffiger Elektropop, der nach notorischer Langeweile, zu vielen Maisfeldern und therapeutischem Drogenkonsum riecht. Etwas Vergleichbares gab es auf Saddle Creek bisher höchstens von The Faint, an deren Erhabenheit Icky Blossoms mit ihrem Debüt aber bei weitem nicht kratzen können, und so verschwindet es bei aller versuchter Catchiness doch ziemlich schnell wieder im Sumpf des Egalseins. Was das Trio, vorausgesetzt, sie ziehen ihre adoleszente Lethargie konsequent durch, wohl kaum jucken wird.

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CORN OR OBERST

8

DRUMCELL
Sleep Complex
CLR

7

Als ich vor sehr langer Zeit anfing für VICE zu schreiben, machte mein damaliger Boss die Ansage, dass ich grundsätzlich alle Narrenfreiheit hätte, solange ich einen obersten Grundsatz befolgen würde: Musik aus Los Angeles sei grundsätzlich scheiße und verdiene nur Verachtung. Mit dieser Maxime bin ich eigentlich immer gut gefahren und tatsächlich war ich jedes Mal, wenn ich die Stadt der Engel besuchen durfte, geradezu erschüttert über die absolute Geschmacklosigkeit der einheimischen Bevölkerung (die All-Time-Top3 eines durchschnittlichen L.A.-Einwohners sieht ungefähr so aus: 1. Aerosmith, 2. Bon Jovi, 3. Aerosmith). Dafür also, dass Drumcell als Techno-Produzent dort wie ein Pinguin in der Sahara lebt, ist sein Debüt gar nicht so schlecht geworden. Es klingt eben nur etwas deprimiert, ungefähr so wie Vitalics Poney-EP auf MDMA-Entzug. Immerhin erscheint Sleep Complex bei CLR in Berlin, wo die Menschen eine gesunde Dosis Depression noch zu würdigen wissen. Der nächste Winter kommt bestimmt. Außer natürlich in Los Angeles.

BLAME JAKE

ROB MOIR
Places to Die
Make My Day/Alive

7

Fall Du damals meinem Rat gefolgt bist und deinen Eltern eine Billy Bragg-Platte geschenkt hast, dann dürstet es sie inzwischen wahrscheinlich schon nach einer neuen Ladung Sozialdemokraten-Rock. Denn auch wenn Eltern bekanntlich in der Lage sind, einzelne Alben über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren täglich zu hören ohne sich zu langweilen, so werden sie sich doch über deine kompetente Unterstützung freuen und sich später gegebenenfalls mit einer Erbschaft, einem Auto oder Ähnlichem bedanken. Ein gutes Geschäft. Rob Moir lässt es etwas ruhiger angehen, verfügt aber trotzdem über diese proletarische Hemdsärmeligkeit, die deinen Vater schon an Bruce Springsteen fasziniert hat. Wenn Papa also demnächst auf der Heimfahrt von der Ortsbeiratssitzung Songzeilen wie „I don’t want to die in a hospital“ mitträllern kann, wird sein Leben plötzlich wieder einen Sinn ergeben und er wird Dir auf ewig dankbar sein. Glaub mir einfach.

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RICK RUBIKON

IKONIKA
Aerotropolis
Hyperdub

7

In einer Welt, die jeden Tag ein bisschen beschissener zu werden scheint und in der man sich eigentlich auf nichts mehr verlassen kann, ist es schon fast ein Wagnis, eine derartig gutgelaunte Platte zu machen, wie sie Ikonika uns hier vor den Latz knallt. Denn obwohl man ihr die noble Absicht unterstellen könnte, dass sie mit ihrem lupenrein eingängigen Elektrobasspop die Welt für wenigstens fünfzig Minuten einen besseren Ort zu machen, kann man ihr natürlich auch mit einer Baggerladung Zynismus begegnen und ihr „Lass mich in Ruhe mit deinem Glück!“ entgegenschnauzen. Wovon bei allem Existentialismus allerdings abzuraten ist, denn sich die Freude von Aerotropolis zu verweigern wäre ziemlich dumm. Und das will ja keiner sein.

GERDA GÄNSEBLÜMCHEN

**

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