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Reviews

Musikreviews der Woche mit Turbostaat, David August und Sex Jams

Unbeheizte Kellerlöcher in Wien, erfundene Bandhistorie und kokette Verachtung. Unsere Reviews.

SEX JAMS
Siluh/Cargo
Siluh/Cargo

Sex Jams klingen ein bisschen so, wie Pavement heute klingen würden, wenn Stephen Malkmus irgendwann nach Wien gezogen wäre, statt einfach zu kapitulieren und ein Idiot zu werden. Ich mag Wien, es ist ja im Grunde die einzige Stadt in Österreich, in der man sich nicht nach fünf Minuten umbringen will. Die Menschen dort sind hübsch, klug und sprechen mit einem sehr lustigen Akzent, der irgendwie sexy ist. Wenn ich es mir recht überlege, hätte Malkmus es in Wien, wo Bands wie Sex Jams in unbeheizten Kellerlöchern auftreten, wohl nie zu einem Frauenschwarm geschafft. Er wäre einfach niemandem aufgefallen und todunglücklich zugrunde gegangen.

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EDDY BARNETTI

THE GROWLERS
Hung At Heart
Fat Cat Records

Was viele nicht wissen: die Eltern von The Black Keys und The Walkmen hatten in den 60ern so ein Surf/Psych/Folk-Ding namens The Growlers, produziert von (einem zugegebenermaßen sehr jungen) Vincent Gallo. The Growlers wiederum waren Vorbild für Marvin Berry and The Starlighters, die Band aus Back To The Future, innerhalb der Marty McFly bei „Earth Angel“ seine Bluesrock-Gitarrenkünste demonstriert. All das wissen viele nicht, weil es gerade von mir erfunden wurde. Aber es KÖNNTE sein!

CURTIS WILLIAMS

DAVID AUGUST
Times
DIYnamic

Der junge Herr August hat keine Lust mehr darauf, den Feiermob mit Peaktime-Ramsch auszustatten. Kann man ihm kaum verübeln. Außerdem kokettiert er ganz gern mal mit der Verachtung, die er heutzutage für seine ersten Releases übrig hat. Ein sich stetig wandelnder, hart sich selbst richtender Geist also. Im Prinzip könnte man das hier als den letzten Dreck verreißen und davon ausgehen, dass der Künstler in ein paar Monaten unser weitsichtiges Urteil unterschreibt. Ist aber gar nicht nötig, mit Times ist ihm ein zwar manchmal etwas gestelzt auf die eigenen Skills verweisendes, aber doch unterhaltsam weit denkendes Produceralbum im eigentlichen Sinn gelungen.

MIRINDA JULI

TURBOSTAAT
Stadt der Angst
Clouds Hill/Rough Trade

An der Straßenecke unter meinem Schlafzimmerfenster befindet sich ein sogenannter Spätkauf, der aber schon zu früher Stunde ein mir wohl bekanntes Alkoholiker-Stammklientel anzieht. Seit Jahren werde ich jeden morgen von aggressivem und unverständlichem Gekrächze geweckt, was immerhin den Vorteil hat, dass ich im Normalfall einigermaßen pünktlich zur Arbeit komme. Pennerstreitigkeiten sind ja quasi der Hahnenschrei der Großstadt. Na, auf jeden Fall hat habe ich in den letzten Tagen ein paar Mal die neue Turbostaat bei offenem Fenster abgespielt, und seitdem hat sich die Anzahl besoffener Krawallbrüder da unten mindestens verdreifacht. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich von den desillusionierten Texten angesprochen fühlen, oder ob Jan Windmeiers angekratzte Stimme nicht einfach wie ein erotisierender Sirenengesang auf diese armen Seelen wirkt. In jedem Fall scheint die neue Turbostaat mal wieder sehr präzise ein bestimmtes Lebensgefühl auf den Punkt zu bringen, wenngleich ich ganz froh bin, nicht genau zu wissen, worum es sich dabei handelt.

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ROCCO BANANI

**

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