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Reviews

Musikreviews der Woche mit Motorpsycho, Distel und Cayucas

Kurzzeitinnenminister, New Yorker Kunststudentenzirkus und eine Dreiviertelstunde feinstes Gitarrengewichse. Unsere Reviews.

DISTEL
puur
Enfant Terrible

Wie leicht kommt man doch vom hundertsten ins Tausendste. Angeregt vom Bandnamen begann ich mich dafür zu interessieren, wie es Peter Michael Diestel, dem Anwalt mit MfS-Abo und ehemaligen Kurzzeitinnenminister im Nachwendechaos der Volkskammer so geht. Ich klicke mich auf seine Seite, auf der er vorurteilsfreie und diskrete Dienstleistungen offeriert. Wohlgemerkt handelt es sich um die Seite seiner Kanzlei, nicht um ein S/M-Studio. Er posiert dabei vor einem Fachwerkhaus, das mich irgendwie an die Sternstunde erzgebirgischen SciFi-Horrors, die Kinderserie „Spuk von Draußen“ erinnert. Womit wir nun sogar die Kurve zum Ausgangpunkt dieser Rezension schlagen können, denn dieser niederländische Schauerscore hätte dort glatt als Hintergrundmusik eingesetzt werden können.

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THOMAS NATSCHINSKI

CAYUCAS
Bigfoot
Secretly Canadian/Cargo

Stell dir vor, Vampire Weekend würden endlich mal damit aufhören, sich krampfhaft Gedanken darüber zu machen, wie ihre Songs möglichst unverkrampft klingen könnten. Stattdessen würden sie vom hektischen New Yorker Kunststudentenzirkus einfach auf einen kalifornischen Bauernhof ziehen, im Schatten eines Mammutbaumes eine Hängematte aufspannen und ein paar Jahre lang abwechselnd den Zitronen und den eigenen Barthaaren beim Wachsen zusehen. Eines Tages, nachdem sie lange vergessen haben, warum sie hergekommen sind, würden sie unter falschem Namen ein paar Songs aufnehmen. Wenn sie dann einen richtig guten Tag erwischen, gäbe es eine klitzekleine Chance, dass das Ergebnis ungefähr so klingen könnte, wie Cayucas.

RAYN AND

ASG
Blood Drive
Relapse

Das neue Album der Band aus North Carolina wäre uns in seiner Kiesel rockenden Beliebigkeit ebenso glatt am Arsch vorgegangen wie die vier zuvor, hätte ihre neue Plattenfirma nicht (noch) eine Promo-Abteilung. Die kitzelt den Dienstleister in uns heraus, der hiermit artig auf den speziellen Südstaaten-Boogie von Black Oak Arkansas hinweist - aber eigentlich auch nur, um noch ein letztes mal ein paar hübsche Bilder von Rednecks mit gepflegten Langhaarfrisuren und weißen Lederhosen herauf zu beschwören. Wie erinnerten uns einst Bibel und Neil Young unisono: „Southern change gonna come at last.”

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CORTEZ THE FILLER

MOTORPSYCHO
Still Life With Eggplant
Stickman/Soulfood

Nach ihrer ausufernden LSD-Rock-Oper The Deat Defying Unicorn besinnen sich Motorpsycho auf ihre Wurzeln, werfen alles orchestrale Gedöns über Bord und liefern uns mal wieder eine Dreiviertelstunde feinstes Gitarrengewichse. Da diesmal auch noch der potente Gastschrammler Reiner Fiske (Dungen, The Amazing) seinen Saft dazu geben darf, gerät Still Life With Eggplant zu einer einzigen psychedelischen Bukkake-Party, auf der sich ein Höhepunkt an den nächsten reiht. Das klingt vielleicht wie eine Überdosis schlüpfriger Metaphorik, aber ich weiß, es gibt sie noch da draußen, die schwer bekifften, langhaarigen Riff-Porno-Fans, die jetzt gerade mit einem debilen Grinsen nach einer Packung Taschentücher suchen.

DOKTOR SOMMER

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