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Interviews

Modern Life is War haben keinen Bock auf beschissenes Essen und anstrengenden Tour-Alltag

... Deswegen werdet ihr leider auch Schwierigkeiten haben, sie live zu sehen. Aber zumindest könnt ihr jetzt ihr Renunion-Album hören und das ist allein ein Grund zum Feiern.

Ich weiß schon, du und deine Band, ihr wolltet unbedingt so klingen wie sie. Ich weiß auch, dass du dir ihre ersten Platten völlig überteuert bei eBay nachgekauft hast, weil es die einzig erdenkliche Möglichkeit für dich war, die Kohle deinen Daddys gewinnbringend anzulegen. Spätestens als du dir „My Love, My Way“ auf die Stirn tätowiert lassen hast, war auch deiner Mutter klar, dass Modern Life is War dir jetzt endgültig wichtiger waren als deine Zukunft. Sie waren aber auch genial. Bis sie sich 2008 auflösten. Und jetzt sind sie endlich zurück und die Leute feiern ihr neues Album Fever Hunting—das erste seit Midnight in America von 2007—zu Recht ab. Denn es geht genau dort weiter, wo das letzte aufgehört hatte.

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Modern Life is War wollten keine billige Reunion, um noch mal so richtig Kohle zu verdienen. Ein paar Shows spielen, alte Platten neu rausbringen und kräftig Merch herstellen. Stattdessen haben sie ein wütend-melancholisches Album hingelegt, das dich vom ersten Ton an wegbläst.

Wir haben Sänger Jeff Eaton angerufen und uns mit ihm über das Ende der Band, die erste gemeinsame Show nach fünf Jahren und über Medienschlampen unterhalten. Jeff Eaton: Hey, ich komme gerade erst heim. Ich bin noch total müde von gestern und fahre gerade erst in meine Einfahrt.

Noisey: Habt ihr gestern eine Show gespielt?
Nein, am Freitag schon. Wir waren beim This is Hardcore Festival in Philadelphia und wir sind noch das restliche Wochenende geblieben, um uns die ganzen anderen neuen Bands anzuhören.

War das also eure erste Show?
Ja. Und es lief richtig gut. Es war schon ein bisschen nervenaufreibend vor so vielen Leuten zu spielen. Ich glaube, mehr als 3000 Leute waren da. Das war eine total surreale Erfahrung auf der Bühne vor so vielen Menschen zu stehen, nach so langer Zeit.

Wie ist das denn nach so vielen Jahren wieder gemeinsam als Band auf der Bühne zu stehen?
Wir haben ja schon länger wieder zusammen gespielt. Irgendwann Anfang 2012 haben wir, glaube ich, damit begonnen, das neue Album Fever Hunting zu schreiben. Während der Zeit haben wir natürlich auch viel gemeinsam geprobt und gejamt, um live wieder tight zu sein. Es war also nicht so, dass wir erst kurz vor der Show wieder gemeinsam gespielt hätten. Dennoch waren wir alle viel nervöser als früher, auf die Bühne zu gehen. Das wird dann mit der Zeit schon wieder weniger werden.

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Wie waren denn generell die Reaktionen auf die Reunion? Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, dachte ich mir, dass es genau da weitergeht wo Midnight in America aufgehört hatte.
Die Reaktionen sind fast durchweg positiv. Was uns sehr freut. Und auch das, was du sagst, haben wir schon öfter gehört. Das ist natürlich großartig, wenn da kein Bruch bemerkt werden kann.

Cool. Habt ihr während es die Band nicht gab, unabhängig voneinander Musik gemacht?
Ja, unser Gitarrist Matt spielt bei Only Crime. Da ist zum Beispiel auch Ross von Good Riddance dabei. Matt ist da jetzt volles Mitglied. Ich bin seit dem Ende der Band als DJ unterwegs. Ich bin ein großer Fan von 60s Rhythm & Blues, Soul und Funk und habe eine Menge Schallplatten aus der Zeit. Ich war immer ein begeisterter Musiksammler und liebe verschiedene Musikrichtungen. Ich wollte schon länger wieder mehr in dieser Richtung machen und nach dem Ende der Band war das dann möglich.

Wo bist du denn als DJ unterwegs gewesen?
Hauptsächlich in Iowa, wo ich auch lebe und her bin. Während der letzten drei Jahre habe ich in Des Moines gelebt, der Hauptstadt von Iowa. Dort habe ich eine regelmäßige Party gestartet, namens Pressure Drop, die seit 3 Jahren läuft. Dort lege ich auf. Aber auch an vielen anderen Orten im gesamten Mittleren Westen der USA. Wenn wir wieder Shows spielen als Band, möchte ich auf den After Partys auflegen.

Jetzt mal eine Frage, die einfach kommen muss: Wie hat sich eigentlich ergeben, dass ihr wieder zusammen als Band spielt?
Wir sind während der Zeit, in der wir keine Band waren, immer gute Freunde geblieben. Wir waren ja auch schon Freunde, bevor es die Band gab. Die Band war nur an einem Punkt so anstrengend, dass das unsere Freundschaft belastet hat. In den letzten Jahren haben wir trotzdem alle regelmäßig telefoniert und uns auch manchmal getroffen. Unser Bassist Chris hat dann irgendwann verkündet, dass es ihm sehr fehlt, mit uns allen zusammen abzuhängen und gemeinsam Songs zu schreiben. Für Chris, der verheiratet ist und einen ziemlich ernsthaften Job hat, war es einfach, dass er seit dem Ende der Band keine Musik gemacht hatte. Ich fand seinen Vorschlag toll, wollte aber sichergehen, dass wir kein Standard-Reunion-Ding abziehen. Sondern neue Songs schreiben, die uns allen taugen. Deshalb schlug ich vor, dass wir uns treffen sollten, um zu versuchen ein Album zu machen. Wenn das klappen würde, dann könnten wir darüber nachdenken, aufzunehmen und Shows zu spielen. So hat das alles wieder angefangen. Wie entstanden dann die neuen Songs?
Es war einfach. Matt, zum Beispiel, spielt jeden Tag Gitarre. In der Zeit, in der es Modern Life is War nicht gab, hat er trotzdem immer wieder Parts geschrieben, die einfach nach uns klingen. Er hatte also schon wirklich viel, das er benutzen konnte. Ich habe auch nie aufgehört, Lyrics zu schreiben und hatte viele Ideen für Songs für uns. Insgesamt aber war es entscheidend, als wir realisierten, dass wir immer noch relevante, bewegende Musik gemeinsam schreiben können. Mein Wunsch war es während all der Jahre, genau das wieder zu tun.

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Da du gerade angesprochen hast, dass Chris einen ernsthaften Job hat. Was macht ihr beruflich außerhalb der Band?
Chris ist Informatiker. Das hat er mal studiert. Er ist verheiratet und lebt in Phoenix. Ich selbst lebe seit einem Jahr hauptsächlich von meinem DJ-Dasein. John ist LKW-Fahrer. Dafür hat er sich nach der Band entschieden. Und zwar die richtig langen Touren. Das hat er aber für die Band jetzt wieder aufgehört. Jetzt fährt er eher regionale Routen. Matt ist nicht nur Gitarrist für Onyl Crime, sondern arbeitet auch für King’s Road. Die machen den Merch für Epitaph, aber auch für Künstler von ANTI. Tyler ist der Einzige, der gerade nur Musik macht.

Wie ist denn die Band damals eigentlich gestorben? Was war der letzte Auslöser?
Damals hat sich das definitiv wie das Ende angefühlt, als es passiert ist. Chris hatte 2005 die Band verlassen, um nach Phoenix zu ziehen und mit seiner Freundin zusammenzuleben. Matt verließ uns auch kurz nach Witness. Wir machten mit ihrem Ersatz weiter und tourten immer mehr. Vor allem nachdem Midnight in America draußen war. Wir tourten ungefähr acht Monate am Stück. Und dann passierte das ziemlich abrupt. Mich erreichte ein Anruf von Zuhause und ich erfuhr, dass meine Großmutter im Sterben lag. Sie sagten mir, dass sie nur noch ein paar Tage leben würde. Wir waren da gerade in Atlanta. Also bin ich zu den anderen gegangen und habe ihnen erzählt, dass ich nach Hause muss. Daraufhin haben wir die restliche Tour gecancelt. Ich flog heim und verabschiedete mich von meiner Großmutter. Daraufhin war ich emotional ziemlich am Ende und brauchte unbedingt Zeit für mich.

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Dazu die beiden Mitgliederwechsel, das wurde einfach zu viel. So hörte es auf. Es war alles irgendwie verrückt, zu viel auf Tour. Deshalb war es besser, dass wir alle einfach erst mal unser eigenes Leben leben.

Ihr seid ohne Zweifel eine der einflussreichsten Hardcore-Bands des letztes Jahrzehnts. Überall rennen die Leute mit Tattoos rum, die Zitaten aus euren Songs sind. Etwa „My Love, My Way“. Wie ist das für euch?
Haha, ja wir sehen definitiv viele interessante Tattoos. Für mich ist das Ganze irgendwie unglaublich, um ehrlich zu sein. Als Band hatten wir wirklich sehr bescheidene Anfänge. Wir begannen geographisch isoliert, es gab kaum Kontakt zu anderen Bands und Musikern. Wir mussten alles wirklich selbst machen. Wir waren so DIY wie es nur geht. Nicht weil wir dachten, dass das cool ist, sondern weil es einfach nicht anders ging. Es ist wundervoll, dass wir so einen großen Einfluss hatten und uns die Leute immer noch hören und sich für unsere Musik und Lyrics interessieren. Das ist sehr schmeichelhaft. Mich macht das sehr glücklich.

Wo bewegt sich euer neues Album denn von den Lyrics her?
Weißt du, die Band war für mich immer wie ein Ventil. Dort kann ich einfach sehr ehrlich sagen, wie ich mich fühle. Wie ich meine Welt und meine Freunde wahrnehme. Ich bin jetzt 32. Zur Zeit unserer Gründung war ich Anfang 20. Die Lyrics sind jetzt eher ausgewogen. Ich bin glücklicher als früher. Ich bin zwar natürlich immer noch wütend und frustriert wegen mancher Dinge. Noch fühle ich mich zwar nicht so, als hätte ich mich irgendwo wirklich eingenistet. Aber ich kann mit meiner Wut heute viel besser umgehen. Und davon handeln die Lyrics heute. Der zweite Song auf Fever Hunting „Health, Wealth, and Peace“ bringt das zur Sprache. Dass ich mich selbst akzeptiert habe und mit mir leben kann.

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Einer der Songs heißt Media Cunt. Wovon handelt der?
Darin geht es nicht um eine bestimmte Person. Sondern darum, wie es ist, mit Freunden aufzuwachsen, die rebellisch sind und mit denen du Ideale gemeinsam hast, die dann aber diesen Kampf komplett aufgeben. Für manche ist es heute nicht mehr wichtig, über sich selbst nachzudenken. Auf einmal ist es dann wichtiger, zur Prime-Time zu glotzen. Die haben komplett vergessen, wie es war, als sie jünger waren. Und ich frage mich dann einfach „Hey, was läuft falsch?! Hatten wir jemals was gemeinsam?“ Klar ist das schon oft in Hardcore-Songs behandelt worden. Aber jetzt habe ich es selbst erlebt und ich dachte, es wäre gut, aggressiv und auf meine Weise darüber zu schreiben.

Wie würdest du dann vor diesem Hintergrund die Hardcore-Szene beurteilen?
Ich war natürlich lange vor Modern Life is War dabei. Und auch als es uns nicht gab. In den letzten Jahren habe ich die Entscheidung getroffen, einfach die Bands und die Elemente aus der Szene zu feiern, die mir taugen und nicht immer über das Negative herzuziehen. Natürlich gibt es beschissene Trends und seltsame Bands. Aber es gibt auch wirklich großartige Bands, die die Sache am Leben halten und nach vorne bringen. Jetzt erst am Wochenende beim This is Hardcore Festival habe ich so genossen H2O live zu sehen und all meine alten Erinnerungen kamen wieder hoch.

Welche neueren Bands siehst du als besonders gut an?
Ceremony und Code Orange Kid sind super. Vor allem auch live. Sehr individuell und machen einfach ihr eigenes Ding. Night Birds sind auch eine wirklich gute junge Band. Mit denen werden wir an der Ostküste Shows zusammen spielen. Terrible Feeling aus Schweden sind auch genial. Die habe ich gerade erst entdeckt. Es gibt so viele Bands, mit denen ich gerne live spielen würde.

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Kitzelt es dich also doch wieder auf Tour zu gehen?
Nein, das wird eher nicht passieren. In den Staaten werden wir Shows am Wochenende spielen und wenn wir nach Europa kommen, sind wir maximal eine Woche unterwegs. Wir wollen alle auf keinen Fall finanziell von Modern Life is War abhängig sein. Ich nehme das als mein kreatives Ventil. Den Tour-Lifestyle brauche ich auch nicht mehr. Beschissenes Essen und oft sehr anstrengend.

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