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Interviews

Moderat schicken beim nächsten Albumleak die Russen vorbei

Die Elektro-Schöngeister aus Berlin geben sich immer betont Schwiegersohn-tauglich, dabei ist mit ihnen nicht zu Spaßen. Wir trafen sie zum Interview.

Foto von Christoph Voy

Am vergangenen Freitag erschien das neue Moderat-Album II. Wenn sich ein Joint Venture aus Modeselektor und Apparat den ungefähr naheliegendsten Bandnamen der Welt aussucht, dann erwarten wir natürlich auch beim Titel des zweiten Albums kein Feuerwerk der Originalität. Das erwarten wir lediglich, sobald die Platte zu laufen beginnt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der zweite große Moderat-Wurf ist in diesem Zusammenhang als riesiges, langsam vor sich hin detonierendes Pulverfass zu betrachten. Das Moderat-Prinzip wird hier erstmals wirklich schlüssig auf Albumlänge ausformuliert und es wird über eine knappe Stunde ununterbrochen die Frage aufgeworfen, wie die drei Typen es in den wenigen Leerstellen ihrer hyperaktiven Karrieren schaffen konnten, diesen Ideen-sprudelnden Soundkosmos aus den Sequenzern zu schütteln. Wir haben diese Frage (und noch ein paar andere) direkt an Szary (Modeselektor), Sascha (Apparat) und Gernot (Modeselektor) weiter gegeben, als sie in genau dieser Reihenfolge hochentspannt aus ihren Urlauben zurückkamen.

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Noisey: Hallo Szary, wie geht’s?
Szary: Könnte nicht besser gehen, ich komme gerade aus dem Urlaub zurück.

Wo warst du?
Ich war in Brandenburg. 150 km von Berlin entfernt. In einer menschleeren Ecke namens Prignitz. Wir haben da so ne Scheune, ein Feriendomizil. Da kann man entspannen. Da gibt’s nichts. Niiichts.

Als Modeselektor knallt ihr auf der Bühne gerne mal mit Champagnerkorken. Was wäre eigentlich das ideale Getränk für eine Publikumdusche während einer Moderat-Show?
Bei mir kommt da gar nicht die Idee auf, eine Dusche zu veranstalten. Aber wenn es darum geht, welches Getränk zu Moderat passt … ich fänd’s auch mal gut, mit Kaffee zu spritzen. Oder nein, Milch. Milch isset!

Das neue Album wirkt in sich homogener als das erste. Wie sah der Workflow aus? Gab es Unterschiede zur ersten Albumproduktion?
Im Prinzip war es so wie beim ersten Album. Wir trennen uns erstmal, wir sind nicht mehr Modeselektor und Apparat, sondern einfach wir drei Typen, losgelöst von ihren Projekten. Jeder macht ja für sich Skizzen. Und diese Skizzen werden alle in einen Topf geworfen. So war es beim ersten Album und so haben wir beim zweiten auch angefangen. Songleichen, 16-Bar-Loops, kleine Arrangements in einem Ordner gesammelt, aus dem sich dann jeder bedienen konnte. Das hat aber diesmal nicht so gut funktioniert, deswegen begannen wir irgendwann from scratch zusammen Songs zu schreiben. Wir haben auch immer wieder Equipment verstöpselt und dann so lange probiert, bis man den magic loop findet.

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Das wurde dann zu so einem Gruppending, verstärkt Zweiergruppen. Wir hatten dieses Mal auch nur ein halbes Jahr, beim letzten Album war es ein ganzes. Dazwischen auch mal ein Monat Urlaub, denn man musste auch mal raus aus diesem Winter, aus dieser Finsternis. In der zweiten Hälfte haben wir dann permanent zu dritt gearbeitet. Wir haben zwei Räume, einen großen Studioraum und einen kleinen, da drin ist Sascha dann verschwunden und hat sofort Gesangsideen umgesetzt. Dann kam er wieder raus mit jeder Menge Gesangsspuren und da wir noch frische Ohren hatten, konnten wir schnell die besten Teile rausfiltern.

In den letzten Wochen wurde es dann ernst, da mussten Änderungen von mehr als 1,5 bpm schriftlich beantragt werden, haha.

Der Sound von Moderat ist insgesamt näher an Apparat als an Modeselektor…
Na das kann man sehen wie man will. Es gibt Elemente auf dem Album, da würdest du sagen, das ist ne klare Modeselektor-Angelegenheit, dabei kam dann Sascha damit um die Ecke.

Ok, aber stellen wir uns Moderat mal als Beziehung vor, dann würde es bedeuten, dass der eine Partner sich mehr auf den anderen einstellen muss als umgekehrt. Ist das zutreffend? Ist euer Porzellan noch ganz?
Na wir sind schon so drei Ziegenböcke. Da findet ein gewisser Kampf statt – und das ist auch gut so. Aber es gibt auch immer eine Ebene, auf der wir uns schnell treffen können. Und wir wissen auch, dass Entscheidungen nicht zu lange brauchen dürfen. Wenn so was drei Tage vor sich hin larviert, dann wird das nichts, Einigungen müssen am besten innerhalb von Minuten stattfinden.

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Und ihr bleibt dabei immer sachlich?
Meistens schon. Wir haben da eine Couch im Studio, auf der Sascha gerne liegt und da kam es auch schon mal vor, dass da jemand drauf gesprungen ist. Es gab vielleicht auch mal Schläge auf den Oberarm. Das war aber noch am Anfang der Produktionsphase, das wurde dann friedlicher.

Ach was, dann könnte man sagen, das Album war so eine Art Gruppentherapie?
Absolut richtig, dem stimme ich zu.

Ihr habt auf beiden Seiten gut laufende Karrieren mit regelmäßigem Output, seid ständig unterwegs. Wie schwierig war es, sich am Anfang wieder auf Moderat einzuschwingen?
Wir konnten uns zum Glück ziemlich lange drauf vorbereiten. Wir haben mit dieser Vorbereitung schon ein Jahr vorher begonnen. Das musste im Vorfeld alles sauber geplant werden, Sascha hatte noch diese „Krieg und Frieden“-Sache, wir dann noch mit Monkeytown/50 Weapons, das ist ja auch kein Hobby. Wir haben auch noch diese Doku rausgebracht. Und die Modeselektor-Spielzeit lief ja auch die ganze Zeit durch. Diese Vorbereitungszeit hat sich quasi überlappt und irgendwann haben wir uns dann für einen Startpunkt entschieden. Dann gab es Gespräche, es wurde abgestimmt, was sich jeder vom neuen Album verspricht und ein paar Sachen sind dann auch Realität geworden. Zum Beispiel, dass die Sache einen erkennbaren Bandcharakter bekommen sollte. Auf dem ersten Album waren ja noch einige Featuregäste, diesmal sollte es nur um uns Drei gehen.

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Angeblich hattet ihr einen Ordner, in dem jeder ablegen konnte, was er als nützlich für den Bandsound empfand.
Ja ja, der Inspirationsordner.

Was war da so drin?
Ganz viel unterschiedliches Zeug. Ich bin großer Liars-Fan, deren letztes Album war drin. Dann war viel Material drin, von dem dann vielleicht nur kleine Fragmente interessant sind. Viel Klassik. British Murder Boys waren drin.

Sascha kommt herein, setzt sich dazu. Szary und Sascha vergleichen die Bräunungsstufe ihrer Teints.

Warst du auch im Urlaub?
Sascha: Ja, in Italien, Stromboli, so eine Vulkaninsel, das war ganz geil.
Szary: Wir sprachen gerade über unseren Inspirationsordner. Ich bekomme gar nicht mehr zusammen, was da alles so drin war. Wir haben uns schon ständig inspirieren lassen. Wir mussten dann auch teilweise das Netz ausmachen, weil es einen dann zu sehr abgelenkt hat.

Den Eindruck macht das Album ja nicht unbedingt. Es wirkt insgesamt schon wie das Resultat einer Abschottung.
Sascha: Wir sind da auch alle etwas unterschiedlich. Ich höre mir kaum Musik an, wenn ich Musik mache. Es ist auch so, ich habe jetzt nach dem Album zwei, drei Monate lang überhaupt keine Lust, Musik zu machen. Da fahre ich lieber wie jetzt ein paar Wochen in den Urlaub und hab die ganze Zeit nur Stille. Das triggert bei mir viel mehr Ideen als das Hören von anderer Musik. Musik höre ich einfach so. Das brauche ich, so wie Wasser zum Trinken. Das was mich dann aber auf meine Musik bringt, ist in den seltensten Fällen andere Musik.

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Moderat funktioniert nach demokratischen Prinzipien. Das setzt voraus, dass man auch mal eine Mehrheit gegen sich hat. Ich wüsste gern von jedem von euch eine Sache, die man aus eurer Sicht auf dem Album hätte besser machen können, bei der ihr dann aber überstimmt wurdet.
Sascha: Ich kann einen generellen Clash skizzieren, den es öfter mal gab. In diesem Beispiel sind wahrscheinlich auch Szary und ich näher beieinander als Szary und Gernot. Der guckt nämlich bei allen möglichen Dingen darauf, wie man es live umsetzen könnte. Ich sag dann, lass uns hier noch einen Break machen, dann sagt Gernot: Nein, das muss durchrollen, keine Variation. Ich bin da etwas verspielter, Szary gewissermaßen auch und Gernot will es dann durchziehen.

Die Tür öffnet sich. Auftritt Gernot.

Sascha: Generell ist es so, man sammelt Spuren und die anderen schmeißen deine Sachen dann ohne Vorwarnung raus. Nehmen deine Clap weg, dann ist die Bassline weg, die Tonhöhe ist anders oder das Tempo.

Bei Tempo hört bei euch der Spaß auf, oder?
Sascha: Das liegt vor allem Gernot am Herzen, mir ist das eigentlich scheißegal, ob ein Track 3 bpm schneller oder langsamer ist, aber für Gernot verändern sich da Welten.
Gernot: 3 bpm sind ein Universum.
Sascha: Gernot beobachtet die Dinge immer noch aus einem Club- und DJ-Blickwinkel.
Gernot: Ich hatte bei der Produktion der Platte immer im Hinterkopf: ‚Kacke, wie wollen wir das live spielen..?’ Bei Modeselektor ist unser Set in bpm-Sektionen unterteilt, wir haben einen 100er Block, 115, dann gibt’s den 130er, das geht hoch bis 156.

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Aber ist das Album jetzt live tauglich?
Gernot: Ja, sehr sogar. Wir haben mit Modeselektor den Fehler gemacht, bei der Monkeytown-Platte zu sagen, wir spielen nur noch das neue Zeug, weil wir das alte nicht mehr hören können. Damit haben wir ein Konzert geschafft. Am nächsten Tag wurde das Konzept direkt verworfen. Bei Moderat wird das nicht passieren. Wir sind jetzt bei 50:50, was die Materialaufteilung zwischen beiden Alben angeht.
Sascha: Wir hatten vor der Pause angefangen, das Zeug live umzusetzen und das ging überraschend gut. Die neuen und die alten Songs passen auch echt gut zusammen, das denkt man gar nicht, wenn man die Platten einzeln hört.

Das Album ist anderthalb Monate vor Release geleakt…
Szary: Echt? Gar nicht mitgekriegt.

Wie sah eure Reaktion aus?
Sascha: Mittlerweile ist es Normalität.
Gernot: Ein Monat ist schon ganz schön heftig. Wir hatten es mit Monkeytown geschafft, bis zum Release nicht die Originalplatte im Netz zu haben, wir hatten so eine Asi-Variante als Promo rausgegeben. Da haben sich dann aber alle Journalisten drüber aufgeregt, wir haben da sogar handgeschriebene Beschwerdebriefe bekommen.
Sascha: Es ist eine schwierige Situation. Was machst du? Wenn du ein vollständiges Album raus gibst und aufpasst wie die Sau, das haben wir dieses Mal gemacht, dann landet das Ding im Netz. Wenn du eine Promo-Version rausgibst, die sich vom Original unterscheidet, dann kriegst du Ärger mit den Journalisten.
Gernot: Ein bisschen ist es auch unsere Schuld, wir haben dreißig Promo-CDs rausgegeben und eine davon gelangte in nicht unbedingt vertrauensvolle Hände. Wir hätten die einfach nur watermarken müssen. Aber das ist ja auch so eine Sache, dann kriegst du vielleicht mit, wer sie geleakt hat, aber bewirken kann man damit ja auch nichts. Ich würde ja dann da direkt Russen hinschicken.

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Das klingt so als hättet ihr einen klaren Verdacht, wer das Leak verursacht hat?
Sascha: Selbst wenn du es genau weißt, ich wusste es bei meinem Album ganz genau, ich wusste einen Namen, was machste denn dann? Nichts machste.
Gernot: Wer war es, sag’s!
Sascha: Naja, am Ende läuft es darauf hinaus: Man ist nicht dem Downloader böse, denn der ist einfach nur interessiert. Man ist dem Uploader böse, dessen Beweggründe erschließen sich mir nicht. Warum macht man das?
Szary: Witzig ist ja auch, dass dann Wochen vor Release die Leute auf deine Facebook-Wall schreiben, dass sie gerade dein Album gehört haben und wie toll sie es finden. Die meinen das als Kompliment, aber sind sich noch nicht mal darüber im Klaren, dass sie dir eigentlich gerade einen Arschtritt geben.
Gernot: Es geht auch nicht nur um das Downloaden, das machen die Leute ja sowieso. Es geht ja auch um den Überraschungseffekt. Das ärgert mich am meisten. Wir sind halt nicht Radiohead, die von einem Tag auf den anderen sagen können: Hier, die neue Platte. Könnt ihr auf unserer Seite kaufen, zahlt was ihr wollt. Wir haben diesen Status nicht, und bei uns hängt da auch wirtschaftlich noch mehr dran. Dennoch ist Wettern das Falscheste, was man machen kann, wenn man dieses Leak entdeckt. Dadurch werden dann nur noch mehr Leute darauf aufmerksam.

Moderats II ist auf Monkeytown erschienen. Man kann es hier legal kaufen.

Noisey präsentiert Moderat on Tour:
10.08.2013 / DE / Saalburg / SonneMondSterne
11.08.2013 / DE / Hamburg / Kampnagel
19.09.2013 / DE / Erfurt / Stadtgarten
20.09.2013 / DE / Wiesbaden / Schlachthof
21.09.2013 / DE / Köln / E-Werk
22.09.2013 / DE / Stuttgart / LKA
29.09.2013 / DE / Berlin / Columbiahalle

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Wir verlosen außerdem 2x2 Tickets pro Stadt (außer SonneMondSterne/Saalburg). Wer an der Verlosung teilnehmen will, schreibt eine Mail mit dem Betreff "Moderat" und der Stadt der Wahl an .

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