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Metalheads sind die größten Popfans

Kein Mensch hockt stundenlang vorm Rechner, um den Text von „Wrecking Ball“ auswendig zu lernen. Keiner, außer Metaler.

Foto: Flickr | Robert Bejil | CC BY 2.0

Metal existiert in seinen unüberschaubar vielen Subgenres schon seit Jahrzehnten als Gegenentwurf und Alternative zum popsüchtigen Massengeschmack. Ein musikalischer Plan B, der von vielen dankbar angenommen wird. Das Wacken Open Air ist nicht ohne Grund das größte Festival Deutschlands. Spätestens seit es Metalbands wie Metallica mit ihrem Gitarrenanfänger-Lehrstück „Nothing Else Matters“ geschafft haben, als Untermalung für Szenen in Mitten im Leben missbraucht zu werden, funktioniert Metal natürlich auch als Teil des Mainstream. Trotzdem ist das Genre im Vergleich zu HipHop, Pop oder House nicht viel mehr als eine Killerniete auf der Plateau-Stiefellette der Chartmusik. Ein Metalhead in einer Disko fühlt sich ungefähr so wohl wie ein Neurotiker inmitten eines Bukkake-Kreises.

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Daher könntest du eigentlich erwarten, dass sich ein Slayer-Fan angewidert schüttelt, wenn er Miley Cyrus beim Rumschnulzen über ihren verflossenen Ex zuhören muss (und er nicht das Video dabei schauen darf). Absurderweise klicken sich aber ausgerechnet Metalheads dem Vernehmen nach wie die größten Groupies durchs Internet, lernen die Lyrics auswendig, suchen nach den zugehörigen Noten und hören den Song immer und immer wieder, um auch die letzten Arrangements herauszufiltern. Dann setzen sie sich mit der Gitarre bewaffnet an den PC und suchen tagelang nach Möglichkeiten, die vorhandenen Akkorde und Harmonien in Deathmetal-, Djent- oder Metalcore-Riffs zu transponieren, Drumlines zu programmieren und schlussendlich den Song einzusingen. Der durchschnittliche Radiohörer darf sich schon stolz auf die eigene Schulter klopfen, wenn er überhaupt den Titel des Songs kennt.

Mittlerweile kannst du fast jeden Song ins Youtube-Fenster tippen und eine Metal-Cover finden. Es gibt sogar einen YouTube-Kanal, der sich ausschließlich mit dem Covern von Charthits widmet und dafür mit 60.000 Abonnenten belohnt wird. Diese alternativen Versionen finden also ein großes Publikum. Als Jarett Norton und Danny Dodge den unglaublich bescheuerten Hit „Friday“ von dieser Rebecca Black coverten, hätten sie wohl niemals damit gerechnet, dass ihre Version über neun Millionen Mal angesehen werden würde. Dabei ist der Song relativ billig produziert und nicht besonders originell. Die Band Helia gingen die Transformation wesentlich professioneller an. Für das Covern des Hits „Alejandro“ von Lady Gaga verbrachten Helia nicht nur unzählige Stunden im Studio, sondern leisteten sich auch ein dazugehöriges HD-Musikvideo. Der Aufwand macht eines deutlich: Sie spielen den Song nicht, um ihn irgendwie zu verarschen. Nein, sie scheinen ihn aufrichtig zu mögen. Das Umpolen auf ihren Musikstil ist so gesehen eine Ehrung der Arbeit Lady Gagas. Währenddessen lässt Dio seine Pommesgabel in feinster Kill Bill-Manier immer wieder gegen den Sargdeckel krachen.

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Warum sind Metalfans so geil auf Coverversionen von Popsongs? Finden sie die Lieder eigentlich ganz okay, können zu ihnen aber erst headbangen, nachdem sie diese in ein Metalgewand geschlungen haben? Sind Pop-Hits die guilty pleasure der Metalgemeinde? Oder ist das Grundgerüst eines guten Popsongs so gut, dass er sowieso in jedem Genre beliebig variiert funktioniert? Immerhin werden solche Songs von professionellen Textern und Komponisten geschrieben, die genau wissen, auf welche Reize dein Ohr positiv reagiert. Auch wenn du dir selbst nicht erklären kannst, welche positiven Assoziationen dein Ohr und Hirn mit „Happy“ verbinden sollten und warum verdammt nochmal es bei so erschreckend vielen deiner Mitmenschen funktioniert.

So seltsam die verleugnete, obzessive Liebe zur Popmusik auch scheinen mag, funktioniert Metal, der auf den glattpolierten Schienen des Pop fährt, doch erstaunlich gut. Wenn du jedes Mal das Gefühl hast, dir verpasst gerade jemand einen feuchten Futzie, sobald Rihanna anfängt zu singen, liefern dir Any Given Day einen Song, der dich mit viel Gebrüll, schweren Gitarren und vor allem der, dem Original entliehenen und deshalb ausgezeichneten, Songstruktur gegen die Wand drückt. Radiomusik hat bei Musikliebhabern nicht den besten Stand, daher sind diese Cover vielleicht sogar die einzige Möglichkeit, dass viele Menschen Pop endlich ertragen und vielleicht sogar anerkennen können. Vielleicht ist Popmusik schlussendlich ja doch der gemeinsame Nenner aller Geschmäcker.

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