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Meet and Greets sind scheiße—für alle Beteiligten

Mit Geld kaufen sich Fans Zugang zu ihren Lieblingskünstlern, nur dass dieser Zugang den den Künstlern immer weniger in den Kram passt.

Während die menschliche Rasse immer mehr die Toleranz füreinander verliert, ist Isolation zu einem angesagten Trend geworden. Egal, ob verheerende politische Großereignisse wie der Brexit oder verhätnsmäßig Banales wie geschasste Belieber, wir alle versuchen einfach nur so viel Abstand wie möglich zueinander zu gewinnen. Promis—Trendsetter und Taste Maker, die sie nun mal sind—sind natürlich ganz vorne mit dabei und haben immer weniger Kontakt mit nun, allem und jedem. Drake war jetzt der neuste Neuzugang in einer ganzen Reihe von Performern (zu der auch Künstler wie Bieber und selbst Yoncé zählen), der alle VIP Meet and Greets für seine kommenden Tour abgesagt hat. Fans, die sich vierstellige Geldbeträge aus den Rippen geschnitten hatten, um den leibhaftigen 6 God zu treffen, zeigten sich maßlos enttäuscht und wieder einmal stand die Frage im Raum, ob solche Künstler solche Fans wie uns überhaupt verdient haben. Viele, die im Leben nicht darauf kommen würden, selbst mal so ein exklusives Paket in Anspruch zu nehmen, reihten sich auf der Seite der Empörten ein. Aber Mitleid ist hier fehl am Platz. Meet and Greets erscheinen vielleicht auf den ersten Blick wie eine schöne Utopie, in der Fans die Gelegenheit bekommen, ihr Idol zu umarmen und persönlich ihre ewige Liebe zu gestehen, in Wahrheit sind Meet and Greets allerdings Fanverarsche. Glaub mir. Ich muss es wissen. Mein Job ist es immerhin, solche Treffen zu koordinieren.

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Und so läuft ein Meet and Greet normalerweise ab: Der Preis für das Durchschnittspaket eines bekannteren Künstler beginnt so bei 300 oder 400 US-Dollar—auch wenn man für The Boy locker einen Tausender auf den Tisch legen musste. (Kleinere Künstler verlangen viel weniger, aber bieten genau so tolle Geschenke an, darunter meistens auch ihre eigenen Alben.) Das Paket ist ein Ticket-Upgrade, das einem die besten Plätze im Laden sichert (meistens ganz vorne), einen Goodie-Bag voll mit exklusivem Merch, das nicht an "normale" Fans verkauft wird, extra frühem Einlass und weitere kleine Besonderheiten, die arrangiert werden können—eine Soundcheck-Party mit Catering zum Beispiel. Pro Abend kommen durchschnittlich um die 100 Menschen aufwärts zum Meet and Greet—bei Künstlern wie Bey, Rih und Biebs können es auch schon mal ein paar Hundert sein, die für einen Händedruck und ein Foto anstehen.

Dementsprechend sind Meet and Greets selten wirklich kurze Angelegenheiten, im besten Fall dauern sie ein paar Stunden. Es gibt Menschen vor Ort (Securitys, Koordinatoren, etc.), um die Interaktion auf ein Minimum zu beschränken: Aus Effizienzgründen ist es den Fans in der Regel untersagt, die Bilder selbst zu schießen oder nach Autogrammen zu fragen, zumal sie Letztere (aus Effizienzgründen) bereits in ihrem Goodie-Bag erhalten haben. Sobald der Fan sich allerdings in der Gegenwart des Künstlers befindet, ist alles, was ihn noch davon abhält, nach mehr und mehr zu fragen, ob der Künstler "ein Arschloch" ist und ablehnt.

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Die Fans werden also unglaublich erfinderisch. Fragen nach einem Extrabild. Schmuggeln einen Edding mit rein und überrumpeln den Künstler mit einer Anfrage, wenn die Security gerade nicht hinschaut. Sie beginnen damit, sich mit dem Künstler zu unterhalten oder ihm einen zehnminütigen Freestyle vorzurappen weil: Wen interessiert um 00:30 Uhr schon die Schlange mit 175 Leuten hinter einem? Erinnerst du dich noch an Tennessee damals, 1983? Weiße Jugendliche aus den Vorstädten bitten Rapper gerne mal um eine Gefängnispose oder irgendein Gangzeichen, damit das Foto im Netz auch schön #authentic aussieht. Und wenn du minderjährig bist, dann lügst du einfach alle an, damit du auf dem Foto dein Arschtattoo zeigen kannst. Das wird jetzt niemandem das Leben ruinieren oder so! Die Anfragen sind endlos. Der Fan kauft sich mit Geld Zugang, aber die Grenzen dieses Zugangs orientieren sich selten an der Komfortzone des Künstlers.

Aber wundert es wirklich, dass sich Fans zu alldem berechtig fühlen? Die haben doch ordentlich Schotter dafür auf den Tisch gelegt. Aber auch nur die Fans wissen eigentlich, was sie sich daraus erhoffen. Vielleicht wollen sie sich zu ihren Stan Smiths beglückwünschen lassen (sag es noch mal direkt in Snapchat!) oder im schlimmsten Fall sich einfach irgendwas unterscheiben lassen, was am nächsten Tag bei eBay landet. Sie wollen, dass Drake ihnen Komplimente für ihre Freundin macht. Sie wollen ein Foto mit Bieber, auf dem sie ihn küssen, als wäre er eine Puppe bei Madame Tussaud’s. Jede Anfrage, die ihnen in den Kopf kommt, ist total akzeptabel. Weil, sie haben schließlich Geld dafür gezahlt! (Ich habe mal erlebt, wie ein älterer Fan bei so einer Veranstaltung eine Riesenszene gemacht hat, weil er schwor, man hätte ihnen kostenlose Appetizer versprochen!) Das Geld ist für diese Fans eine Investition in eine Gelegenheit. Du hast für ein Livepublikum gezahlt und die Hoffnung, dass der Promi deine Träume—was sie auch sein mögen—wahrwerden lässt Und niemand wird sie davor abhalten, schon gar nicht der Künstler selbst.

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Aber bleiben wir fair. Wie bei allem anderen gibt es auch hier eine Hierarchie der Dinge. Aufstrebende Künstler können sehr von einem Meet and Greet mit Fans profitieren. Es ist der Augenblick, in dem du die ganzen Menschen kennenlernst, die dir tausende SoundCloud-Plays verschafft haben und nun Geld auf den Tisch legen, um dich ganz nach oben zu bringen. Diese Fans sind diejenigen, die andere davon überzeugen, dass es sich definitiv lohnt, dich in der großen Arena spielen zu sehen. Solche Meet and Greets können freundschaftlich sein, manchmal sogar was Gemeinschaftliches haben. Der Künstler lernt dabei so viel über seine Fans wie die Fans über den Künstler. Wenn deine Karriere aber weiter nach oben geht, triffst du irgendwann so viele Menschen an einem Abend wie ein Bartender bei seiner Arbeit. Das Meet and Greet wird eine von vielen Faninteraktionen in deinem enggestrickten Terminkalender. Und je berühmter du wirst, desto mehr wollen die Fans von dir. Du hast jetzt dein eigenes Label? Sie werden dir was vorrappen, damit du sie unter Vertrag nimmst. Du hast die Social-Media-Präsenz einer Kardashian? Bitte tagge sie doch … für ihre Bilder, Outfits, Arschbacken … ganz egal. Sie sind nicht hier, um deine Starpower zu verstärken, sie wollen vielmehr davon etwas abhaben. Sie glauben nämlich ernsthaft, dass du das alles hier nur ihnen zu verdanken hast.

Ein von Justin Bieber (@justinbieber) gepostetes Foto am 10. Mai 2016 um 15:15 Uhr

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Allein aus logistischer Perspektive ist es unglaublich kompliziert, diesen Erwartungen zu entsprechen. Es kann ein Irrglaube sein, dass man Fans, nur weil man sie Backstage gelassen hat, auch schnell wieder rausbekommt. (Sobald man den süßen, kleinen Welpen einmal auf dem Bett schlafen gelassen hat, war’s das!) Andersherum kann es geradezu verheerend sein, Künstler der Öffentlichkeit auszusetzen. Abgesehen von den STUNDEN, die es braucht, bis Hunderte Menschen ihre Fotos gemacht haben, für die man ja auch noch einen geeigneten Platz braucht, muss man der gleichen Fanschaar an Ort und Stelle auch noch einen intimen Moment mit ihrem Lieblingskünstler ermöglichen. Jeder Fan hat für seinen eigenen Moment gezahlt, NICHT FÜR EINEN GEMEINSAMEN. Und auf Tour haben Künstler auch nur zwei Optionen: vor dem Auftritt oder nach dem Auftritt. Also entweder versucht man gerade geistig in Stimmung zu kommen ODER hat sich Momente zuvor total verausgabt. Jetzt stell dir mal vor, du gehst von einer Autogrammstunde, zu einem Konzert, zu einem Meet and Greet und dann noch zu einem Clubauftritt—auch bekannt als die Vier Kreise der Blitzlichthölle. Ein Künstler, der gut auf sich aufpasst, bekommt solche Tage locker hin, aber ihre Tageslaune zählt dabei nicht viel. Fans ist es egal, ob sie da irgendwie reinpassen. Sie haben für die ungeteilte Aufmerksamkeit des Künstlers viel Geld bezahlt.

Und nein, du brauchst kein Mitleid mit einem Haufen Millionäre zu haben, aber bedenke dabei vielleicht, dass kein anderer Millionär dir für 1.000 US-Dollar fünf Minuten seiner Zeit gibt—nein, "verpflichtet" ist dazu auch niemand. Und die anderen Millionäre geben dir definitiv auch keinen Goodie-Bag mit Kram, der sonst nirgendwo verkauft wird. Was ich damit eigentlich sagen will: Für jeden wunderschönen, herzerwärmenden Moment zwischenmenschlicher Verbundenheit gibt es ein Dutzend frustrierende und kräftezehrende Interaktionen. Selbst die tollsten Begegnungen schlauchen ganz schön, wenn du 65 davon in zwei Stunden hast. Nein, man sollte nicht vorschnell über Menschen urteilen, die Geld dafür bezahlen, um andere Menschen zu treffen, zwei Möglichkeiten sollten dabei jedoch in Erwägung gezogen werden: Diejenigen, die für solche Sachen Geld ausgeben, haben entweder zu viel Kohle oder opfern das Geld, um ihr Leben umzukehren—wie auch immer sie sich das genau vorgestellt haben. Auch wenn sie unsere Fantasien beflügeln sollen, tun Künstler in der Realität daran gut, keine falschen Hoffnungen zu machen.

Mit Judnick Maynard gibt’s kein Meet or Greet, dafür kannst du ihr bei Twitter folgen—@Judnikki

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