FYI.

This story is over 5 years old.

Interviews

Mauli hat eine respektvolle Art, respektlos zu sein

Im Sommer, back in the days, haben wir uns mit Mauli, Marvin Game und Morten getroffen, um ein Eis zu essen und über Trap, die alte Schule und Money Boy zu quatschen.

Back in the days, 1993: Damals, als HipHop noch eine Untergrundbewegung war, Rapper wie MC René ans Mic steppten und die Realness mit Löffeln gefressen wurde, hat ein Rapper namens Mauli das Licht der Welt erblickt. Nicht nur for real, sondern auch in seiner musikalischen Laufbahn. Schließlich gibt es heutzutage das Internet und du kannst dich egal wann, mit welcher Ära und welcher Kultur auch immer sozialisieren und die Weisheiten von damals in dich reinschaufeln, ohne überhaupt da gewesen zu sein. Ein bisschen Know-How schadet nie. Aber denkt nicht, dass Mauli auf dem Oldschool-Film hängen geblieben ist, er und seine Crew sind ihrer Zeit längst voraus.

Anzeige

Back in the days, Sommer 2015: Damals, als die Sonne noch schien, gemütlich am Spree-Ufer ein Florida Eis geschleckt werden konnte und die Realness mit Löffeln gefressen wurde, haben wir uns mit Mauli und seiner Gang, Marvin Game und Morten, in Moabit zum Interview getroffen. Damals sind wir alle noch davon ausgegangen, dass Maulis neues Album Spielverderber in Kürze erscheinen wird. Dem war dann aber nicht so und das Album wurde für kurze Zeit sogar auf den 31. Dezember 2016 geschoben—weil Deutschrap noch nicht bereit war. Jetzt, zwei Monate später, ist es endlich soweit, Spielverderber ist gestern in Maulis Eigenregie erschienen. Ein perfekter Zeitpunkt auch für uns, in den Erinnerungen vergangener Tage zu schwelgen und unser Zusammentreffen mit Mauli zu veröffentlichen, bei dem wir über die alte Schule, die Definition von Trap und Money Boy diskutiert haben.

Noisey: Hi, ihr seht schlecht gelaunt aus. Habt ihr keine Lust?
Mauli: Sieht man uns die schlechte Laune etwa an? Unser Studio ist kaputt gegangen. Vielleicht wurde der Stromkreis überspannt. Keine Ahnung, auf jeden Fall ist alles kaputt.

Das tut mir leid. Sollen wir zur Aufmunterung ein Eis essen gehen?
Mauli: Hier um die Ecke gibt es Florida Eis.

Kommt ihr alle aus Moabit?
Mauli: Ich nicht, aber die Jungs wohnen da. Ich bin in Friedrichshain aufgewachsen und dann in den Nord-Berliner Untergrund gezogen, weil wir dort ein Grundstück haben. Nach Nord-Nord, wo die Killer hängen.

Anzeige

Welche Killer denn noch?
Mauli: Ähm, Vork und Darn zum Beispiel.

Ich als Nicht-Berlinerin habe Moabit das erste mal bei Megaloh und Sprachtot vernommen und ich dachte immer, es wäre ein erfundener Ort, wegen dem „Beat“ darin.
Marvin: Ja, Mann. „Alles negertiv“. Das haben wir auch mies gefeiert und gepumpt. Wir sind kleine Moabiter gewesen und Megah hatte schon Tapes draussen. Das war schon krass.

Mauli, deine Affinität zu der deutschen Rap-Historie lässt vermuten, dass du damals wirklich gerne dabei gewesen wärst. Die Klasse von 93 und so. Du erwähnst MC Rene, ein Track heisst „93 till infinity“ etc. Kannst du dich mit dem, was damals war, mehr identifizieren, als mit dem, was heute ist?
Mauli: Naja, sich auszukennen, kann ja nicht schaden und mit MC Rene verstehe ich mich auch privat gut. Wir sind auf einer Wellenlänge. „93 till infinity“ habe ich nur so genannt, weil ich den Oldschool-Song cool finde.
Marvin: Prozentual gibt es heute einfach mehr gute und mehr schlechte Rapper. Wenn damals 5 von 100 gut waren, dann sind es heute 50 von 1000.

Ich hätte jetzt gedacht, dass man als Berliner mit 93iger Jahrgang musikalisch eher Berlin-fixiert aufwächst und sich nicht damit beschäftigt, was in Restdeutschland so abgeht. Hat dich dieser Aggro- Hype „erzogen“ und gelehrt, dass Berlin das Maß aller Dinge ist?
Marvin: Naja, also Inzest ist auf jeden Fall nichts Gutes. (Gelächter)
Mauli: Solche Leute sind einfach hängengeblieben. OK, Berliner Rap war auf jeden Fall schon immer bewusst, dass er cooler ist als alle anderen, und ich mag auch diese Attitude. Aggro fand ich auch krass, weniger die Musik, aber wie groß es geworden ist. Ich habe mich auch erst später mit der Vergangenheit beschäftigt, weil es ja dann auch schon Internet und so gab.
Marvin: Die Berliner haben schon alles gefickt und gute Ansagen gemacht, aber musikalisch war es eben doch nicht immer das Geilste. Aber die Aggro-Ära war natürlich prägend. Die ganze Art und Weise, wie sie sich nach außen hin verkauft haben und wie sie plötzlich auf alle Eindruck gemacht haben.

Anzeige

So ein bisschen, gestern habt ihr noch die Fler Tags an der Wand gesehen und plötzlich…
Mauli: …sieht man ihm beim Comet. (lachen) Ja, genau so.
Marvin: Ich habe mich neulich mal gefragt, ob wir vielleicht alle auch einfach nur das Gefühl hatten, dass die das ganze Land übernehmen, weil sie ständig darüber gerappt haben.
Mauli: Sie haben das einfach so oft gesagt, dass es irgendwann alle geglaubt haben. Und dann wird es wirklich so.

Der klassische Wendler-Effekt. Der ist damals auch immer mit einem Filmteam überall aufgetaucht, damit die Leute denken, er sei wichtig.
Marvin: Der hat also Leute bezahlt, damit die ihn medial begleiten?
Mauli: Geil. Das ist wirklich ein krasser Move. Das hätten wir auf der NWA-Premiere auch machen sollen, dann hätten alle gedacht, wir wären enorm wichtig und cool mit Ice Cube.

Dein Album hast du auf unbestimmte Zeit verschoben. Vielleicht auch weil eRRdeka sonst am gleichen Tag releast hätte?
Mauli: Ja, ich habe total Angst vor Verkaufszahlen, weil die enorm wichtig sind, genauso wie die Charts. Und wenn eRRdeka jetzt besser verkauft, dann ist er auch besser als ich. Nee, natürlich nicht. Das Problem ist, dass die Sachen, die wir machen eher so 2018 sind. Es ist echt schwer dem aktuellen Zeitgeist gerecht zu werden, weil der auch einfach so peinlich ist.

Money Boy sagt von sich selbst auch, dass er seiner Zeit voraus ist.
Marvin: Money Boy sagt von sich selbst, dass er seiner Zeit voraus ist? Das ist eine bodenlose Frechheit. Das ist jemand, der keine Qualitätskontrolle bei seiner Musik hat. Die Musik ist nicht der Zeit voraus, sondern es ist eins zu eins das, was gerade in Amerika stattfindet. Der Mixtape-Drive, den die Jungs haben, ist zwar irgendwo cool und dafür kann man schon Respekt geben, aber es wäre doch schön, wenn die Musik auch tatsächlich gut wäre.
Mauli: Die Zeit ist ja dieselbe und er macht definitiv nichts Neues. Er ist den Amis vielleicht einen Schritt voraus, weil er schneller die Videos zu ihren Songs dreht. Money Boy hustlet schon, aber auf unterstem Niveau. Ab und zu hat er einen Lucky Punch, aber seiner Zeit voraus sein, ist was anderes.
Morten: Aber Money Boy wird doch sehr gefeiert.
Mauli: Schon, der hat ja auch viele Fans. OK, wenn man so will, ist er der Zeitgeist, zumindest für eine gewissen Generation.
Marvin: Im Internet bestimmt und in gewissen Dörfern, aber das ist ja nichts, was in der Großstadt stattfindet. Das finden dann vielleicht die zugezogenen Journalisten lustig und die reden dann im Office den ganzen Tag über das neue Money-Boy-Video, aber keiner meiner Homies findet das wirklich amüsant.

Anzeige

Seid ihr Ami-Rap-Fans und verfolgt den Soulja Boy- und Gucci Mane-Film?
Mauli: Ja, bis zu einem gewissen Level. Ich feiere Musik, wenn sie gut ist. Gucci war mir irgendwie immer zu bescheuert, aber er hat schon geile Songs.
Marvin: Natürlich kriegt man das mit. Guccis Image ist cool, auch seine Person, aber ich kann musikalisch nicht so viel damit anfangen, weil er eben jeden Tag ein neues Mixtape rausbringt, ohne Qualitätskontrolle, aber klar, der hat schon Hits.

Warum wehrt ihr euch so gegen den Begriff Trap?
Marvin: Ich sag ja nur, dass ich kein Trap mache. Wir wollen eben nicht in diese Schublade gesteckt werden, auch nicht in Interviews, in denen wir nicht über Money Boy reden wollen. Ich mache zumindest kein Trap!

Was macht du dann?
Marvin: Musik. Oder du kannst es eben auch Dirty-South/Down-South nennen, so wie man es eben vor 20 Jahren genannt hat. Früher hat man das noch HipHop genannt, als die in Memphis damit angefangen haben. Rapmusik. Die Leute brauchen immer Schubladen, da bin ich kein Fan von. Wir sind schon die ganze Zeit auf diesem Half-Time/808Drums/Down-South-Film.

Davon abgesehen finde ich aber, dass der Begriff „Trap“ eine passende Metapher ist, die den Sound gut visualisiert. Habt ihr unsere Doku Noisey Atlanta gesehen? Da wird das auch thematisiert.
Mauli: Ja, Atlanta habe ich teilweise gesehen. Die Erklärung macht ja auch Sinn, aber das Wort wird eben hart missbraucht. Also, wenn du fragst, ob wir das eher mögen oder nicht, dann mögen wir das eher nicht, aber es ist mir auch egal. Ich wüsste jetzt auch keine bessere Schublade.
Marvin: Mauli hat seine EP damals ja auch schon Trap braucht kein Abitur genannt, weil er thematisch genau da rein reißen wollte. (Gelächter)

Anzeige

Und davor gab es schon das Swag-Reim-Massaka, mit ähnlicher Tendenz. Das war ja eher eine Parodie und du hast dich in verschiedenen Styles geübt. Horrorcore, Pornorap oder der „Quadro-Time-Rap“ à la Kollegah. Wann wurde aus Rap-aus-Spaß Rap-als-Beruf?
Morten: (lacht) Was? Quadro-Time? Das kenn ich alles gar nicht. Muss ich mir mal anhören.
Mauli: Wenn du so viele Titel von meinem neuen Album kennst, küss ich deine Augen. Swag-Reim-Massaka habe ich seit Jahren nicht gehört. Damals war ich noch in der Schule und habe erst zwei Wochen gerappt. Mir hat es einfach Spaß gemacht, Lines zu finden. Vorher habe ich nur Beats gemacht. Rapper waren irgendwie uncool und peinlich, aber irgendwann habe ich dann gedacht „Na gut, einer muss es ja machen“. Und als ich dann Marvin bei Rap am Mittwoch kennengelernt habe, hat der mich mit ins Studio genommen.
Marvin: Geändert hat sich das, als Cash reinkam. Davor war doch eigentlich alles nur Quatschegal ob bei VBT oder auf EPs.

Dein neues Album heisst Spielverderber. Spielverderber sind doch eigentlich immer sehr unbeliebt. Willst du der Störenfried der Szene sein?
Marvin: Ein Spielverderber ist eben cooler als die Spieler. Und er ist auch nicht mit denen. Das ist Mauli. Er geht nicht viel auf Partys und hat auch sonst keinen Bock auf viele Leute. Aber er hat trotzdem viel zu sagen und verdirbt den anderen somit das Spiel.

Wenn hier der „Circle of Trust“ ist, stehst du also abseits davon. Randgruppenstyle.
Mauli: Ja, Mann. Der Circle of Trash und ich im Abseits. Sehr gut.

Anzeige

Soundtechnisch entfernt sich Spielverderber so ein bisschen von Inhalt und Technik und es geht eher darum, einen Vibe zu vermitteln. Du entschuldigst dich zum Beispiel bei Motrip, dass sich die Zeile gerade nicht gereimt hat. Ist das vielleicht auch dieser neue Zeitgeist, dass man mit alten Werten bricht und so eine augenzwinkernde Respektlosigkeit an den Tag legt?
Marvin: Das ist aber kein Diss. Die Zeile zeigt nur, dass Mauli sich mit Motrip auseinandersetzt und weiß, dass er viel Wert auf Reime legt. Ich würde sagen, wir haben eine sehr respektvolle Art und Weise, respektlos zu sein. (Gelächter)
Mauli: Wenn man anfängt zu rappen, ist man vielleicht noch mehr auf Reime konzentriert, um zu gucken, was da so geht. Aber ich finde es extrem langweilig, nur auf Reime zu achten. Ich mag auch Reime, aber teilweise sind die Leute einfach hängengeblieben. Meinst du, die würden aufhören zu rappen, wenn die im Text nur noch zwei Reime benutzen dürften?
Marvin: Reime sind vielen schon heilig. Die schreiben ja ihren Text schon um die Reime herum. Die suchen sich erst die Reime und dann überlegen die, was kann ich mit dem Reim überhaupt erzählen.

Morten: Wir haben ein neues Format. Das wir dir gefallen. Es geht um „Falsche Behauptungen“, denn Fragen sind out. Du konfrontierst einen mit einer falschen Behauptung. Zum Beispiel: „Mauli, du hast letzte Woche von Bogy auf die Fresse bekommen. Was war da los?“

Anzeige

Ein gutes Format. „Mauli, richtig asozial, dass du Mortens Freundin gefickt hast. So wie ich dich bisher als Künstler wahrgenommen habe, hätte ich das von dir wirklich nicht gedacht?“
Mauli: Hä? Was? Von welchem Künstler hättest du das denn erwartet?
Morten: Sehr gut, du hast es sofort verstanden.

Noch mal. „Ich hab dich letzte Woche im Technoclub gesehen. Du warst aber auch ganz schön drauf.“
Mauli: Die Wahrscheinlichkeit mich in einem Club anzutreffen, wenn ich dort keinen Auftritt habe, liegt generell bei Null. Und auch so gehe ich nur in Clubs, wenn da unsere Musik läuft.
Marvin: Wir sind auf jeden Fall alle Anti-Chemie. Wir chillen lieber im Studio und rauchen fette Joints. Wir sind da aber auch Berlin-verwöhnt. Du kannst hier jeden Tag feiern. Mauli ist aber noch mal krasser, weil er auch keinen Alkohol trinkt.
Mauli: Betrunkene Leute sind einfach so krass nervig. Die merken das ja selbst nicht und wenn es dann so eine ganze Ansammlung von betrunkenen Leuten gibt, die einen halben Hype haben oder auf irgendwas nicht klar kommen. Das ist lächerlich. Ich geh nicht nur auf eine Party, weil Freitag ist.

Tanzt ihr zu eurer Musik?
Mauli: Klar, wir sind miese Tänzer. Also, die Schultern müssen auf jeden Fall runter zum Boden und man muss immer irgendwo hin schießen. Bam, Bam.
Marvin: Schießen ist ganz wichtig. Du kannst aber auch mit dem Messer schießen. Das ist egal.

Holt euch Spielverderber im Babbashop, bei iTunes, Amazon oder hört es auf Spotify.