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Matmos finden Singen widerlich

Und sie glauben nicht an Wahrsagerei. Dafür an Telepathie.

Foto: James Thomas March

Du denkst bestimmt, dass Interviews mit Journalisten eine lästige Pflichtaufgabe für experimentelle Musiker sind, die lieber mit Rattenkäfigen, medizinischen Instrumenten und analogen Synthies rumspielen als mit richtigen Instrumenten. Aber es scheint so, dass bei Matmos ausgerechnet Presseinterviews für Inspiration bei ihrem neuesten Album A Marriage of True Minds - Live Psychic Demonstration gesorgt haben.

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Die aus Baltimore stammenden Matmos sind M.C. (Martin) Schmidt und Drew Daniel, eine perfekte Symbiose aus Quatschen und Machen. Sie sind wohl am ehesten bekannt für ihre Kollaboration mit Björk auf Vespertine und dafür, Grenzen zwischen experimentellen Sound und Elektro niederzureißen. Sie sind keine Minimalisten (hört euch Supreme Balloon an). Und wenn man bedenkt, dass die beiden sich aus Gogotanz-Tagen in San Francisco kennen, dann merkt man, wie weit sie gekommen sind.

Daniel ist Assistenzprofessor am English Department der John Hopkins University—kein Wunder, dass der Titel ihres Albums ein Ausdruck von Shakespeare ist. Haben sie es also mit Wahrsagerei? Nicht wirklich, aber ihr Album handelt von Telepathie. Für Daniel ist das eine „potenzielle Metapher dafür, wie es ist, in einer Band zu sein.“

Es ist fünf Jahre her, seit Matmos, das Duo (und das Paar), ein Album rausgebracht haben. Sie sind jetzt auf Tour in Europa, den USA und Kanada. Matmos haben sich für uns etwas Zeit in ihrem Zimmer in Kreuzberg genommen.

Noisey: Seid ihr eigentlich immer noch Akademiker, die an Hochschulen unterrichten?
Schmidt: Nein, ich nicht. Ich habe an der Baltimore Art School unterrichtet. Ich glaube, dass ich denen zu seltsam war.
Daniel: Ich bin Akademiker und ein Shakespeare-Professor.

Dann macht es wohl Sinn, dass der Albumtitel von Shakespeare stammt.
Ich konnte diesem Vers nicht widerstehen. Es ist wie dieses Felix Gonzalez-Torres-Stück, The Two Lovers. Ich denke, die Idee vom Zusammensein und verbunden sein, ohne je wirklich verbunden zu sein, fühlt sich wie ein intuitiv offensichtliches Ding an.

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Wer hat bei diesem Album den Ton angegeben? Ich weiß, ihr wechselt euch immer ab.
Schmidt: Die Alben mit den Titeln, die 40 Wörter lang sind, sind von ihm.
Daniel: Ich habe die überheblichsten Albumtitel, so wie Shakespeare. Martin hat klare Titel wie „The Civil War“. Ich bewundere ihn dafür, dass er viel direkter als ich ist. Das habe ich bis jetzt nicht geschafft.

Ich finde, dass Telepathie zwischen Musikern offensichtlich ist, aber Telepathie zwischen einer Gemeinschaft ist interessant, besonders bei einer musikalischen Gemeinschaft.
Daniel: Eine Gemeinschaft definiert sich nicht nur dadurch, wer drin ist, sondern auch wer draußen ist. Wenn diese verrückte Person in der U-Bahn anfängt rumzuspinnen, dann fangen alle anderen an sich gegenseitig anzuschauen und sich zu fragen, was das soll. Wenn du versuchst, sehr privat zu sein, bist du sehr öffentlich.

Habt ihr vorher schon mal ein Theremin benutzt? Das ist das experimentellste Instrument, dass ich kenne.
Schmidt: Wir haben ein Licht-sensitives Theremin benutzt, wo das Interface sehr unterschiedlich ist—du berührst einfach gar nichts.

Wie oft kauft ihr euch neues Spielzeug?
Daniel: Ziemlich regelmäßig.
Schmidt: Das ist das Großartige bei uns—wir können machen, was wir wollen und Beherrschung ist kein Teil davon!
Daniel: Wir haben keine Genre-Verpflichtung. Ist das ein Disco-Song oder sind das harter Noise? Wir können machen, was wir wollen.

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Wie geht es euch damit, in der experimentellen Kategorie verwurzelt zu sein? Glaubt ihr, es ist einschränkend?
Schmidt: Nein, es ist ziemlich zutreffend.
Daniel: Ich glaube, dass Leute, die auf Noise stehen, denken, wir wären scheiße, weil viele Songs poppig rüberkommen mit Beats und Basslines, deswegen denken sie, wir seien nicht wirklich experimentell.
Schmidt: Gilt es immer nur als experimentell, wenn der Sound nach SSSHHHHKKKKKK klingt!? Bei so vielen Konzerten, auf denen ich war, habe ich das gehört. Niemand macht etwas Experimentelles, es ist alles ausgetretener Boden, auch wenn es ungepitchte Geräusch-Musik ist.
Daniel: Wir sind nicht in erster Linie experimentell, sondern eher unzuverlässig. Die meisten in der Musikwelt müssen, um erfolgreich zu sein, sich selbst als klare Marke definieren und ein Lieferservice für bestimmte Gefühle darstellen. Ich liefere Melancholie, Freude, oder Stärke, oder fragile Sounds über Beziehungen. Die Menschen weichen nicht ab, weil sie in die Stimmung kommen nur bestimmte Dinge hören zu wollen.
Schmidt: Wenn ich etwas produziere, denke ich immer an diese Aussage: Der „Das kriegt sie aus der Badewanne“-Song. Niemand will ein Album anmachen, in die Badewanne gehen und sagen „FUCK! Da komme ich gerade nicht drauf klar."
Daniel: Wir machen 45 Minuten lang nervige Sachen. Wir liefern nicht, was der Konsument X oder der Konsument Y will, wir sind resistent und nervig.

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Was ist neu auf eurem aktuellen bald erscheinenden Album?
Neu sind die Stimmen. Die waren in unserer eigenen Musik immer so etwas wie ein No-Go. Zum Teil, weil Stimmen die Mid-Range in Beschlag nehmen und dort sollen die interessantesten Frequenzen stattfinden.
Schmidt: Das menschliche Ohr ist einfach darauf trainiert, Stimmen zu hören. Alles andere gerät dabei in den Hintergrund.
Daniel: Testpersonen sagen immer, dass sie den Gesang hören und wir mussten uns damit auseinandersetzen. Bei dieser Platte mussten wir damit umgehen. Wir mussten unsere eigene Angst überwinden und die Leute ab und zu singen lassen. Martin und ich singen.
Schmidt: Was auch immer, Big Deal.
Daniel: Na ja, wir finden es widerlich.
Schmidt: Sieben Sekunden Gesang? Sobald die Leute es gemerkt haben, ist es auch schon wieder vorbei.
Daniel: Das stimmt, wir singen nicht zehn Minuten am Stück.

Seht ihr den Gesang als Risiko an?
Wir haben diese umgedrehte Verpflichtung—ich bin nicht verpflichtet, normale Popmusik zu machen. Ich will das nicht machen, davon gibt es schon genug. Ich sehe es nicht als sinnvolle Beschäftigung für mich selbst. Manche Menschen sind richtig gut darin und ich habe nichts dagegen, aber es macht keinen Sinn, ein überfülltes Feld zu betreten. Ich bemitleide jeden, der es tut. Aber offensichtlich, haben manche Erfolg damit.

Ihr habt einen Track mit Dan Deacon gemacht.
Daniel: Er kann aus der Kehle singen. Wir haben mit ihm an einem Song gearbeitet, der darin endete, dass Freunde Höhlengesang für uns machten.
Schmidt: Es ist eine Verschmelzung von psychedelischen Sessions verschiedener Leute.
Daniel: Ich habe sie in ein Gedicht geschnitten, das wie eine Serie funktioniert, aber gleichzeitig verbindet es viele Versammlungen zu einer. Manche Teile sind psychische Transkripte, die in einen Song umgewandelt wurden.

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Als ihr Soundtracks von Pornos gemacht habt, wurde euch empfohlen, „es nicht so interessant zu machen“. Ist es das Gegenteil von einer Albumproduktion?
Schmidt: Ich hoffe! Ich bin hinter „interessant“ her. Nein, ich will ein langweiliges Album …
Daniel: Es gibt viele gute Sachen im Minimalismus, aber das sind wir nicht. Wir sind grotesk und beschäftigt. Wirrwarr fühlt sich wie Realismus für mich an. Aber es könnte uns schaden, die Leute wollen immer mehr repetitive Musikformen, wie ein …
Schmidt: … Arzneimittel, dass sie zu etwas werden lässt, was sie nicht sind. Brummen, Mann. Will ich das Brummen eines aufgebockten 21-Jährigen hören? In was begibst du dich da hinein? In das Gegenteil von dem, was du wirklich bist.
Daniel: Es ist eine Auto-immune Reaktion auf eine Welt, die zu beschäftigt ist. Meiner Meinung nach fühlt sich das eskapistisch an. Es gibt Raum für so etwas, aber ich mag Musik, die mich zu dieser Welt zurückbringt, nicht in eine alternative Welt. Ich mache nicht dieses transzendente Zeug. Das ist nicht mein Ziel.

Glaubt ihr wirklich an übernatürliche Phänomene?
Das möchte ich nicht sagen.
Schmidt: Er will mir nicht sagen, was er an mich gesendet hat. Ich weiß es auch nicht.

Matmos A Marriage of True Minds - Live Psychic Demonstration erscheint am 22. Februar. Ihr könnt es hier vorbestellen.

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