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Air Max Day 2015

Mailand: Casual Clubbings Heimat

Schluss mit dem Gepose.

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Der durchschnittliche Mailänder Clubgänger wacht nach einer langen Nacht vielleicht noch immer in zu engen Slippern aus Krokodilleder und einer gefütterten Jacke auf. Der Fotograf, Veranstalter und Party-Allrounder Piotr Niepsuj könnte jedoch nicht weiter entfernt vom typischen Klischee eines Italieners sein. Das ist nicht das Mailand, von dem du dachtest, dass du es kennst. Die Zeiten von flammenden Tabletts voller überteuertem Wodka sind vorbei, stattdessen gibt es sanften R’n’B und die ganze Nacht Partys in Taucher-Clubs, die sich eher wie der Keller deiner Eltern anfühlen. Piotr und seine Freunde hören alles von Mario über Bobby Valentino bis zu Future Brown, tanzen die ganze Nacht in Sportkleidung und schlafen den ganzen Tag (wahrscheinlich in der gleichen Sportkleidung). Außerdem meiden sie soziale Medien—die einem das Gefühl verleihen, etwas zu vermeiden—wie die Pest. Der aalglatte Look ist ziemlich out und ein Paar ausgetretene Air Max und ein zerrissenes T-Shirt sind die neue Uniform. Zur Feier des Nike Air Max Day haben wir beim polnischstämmigen Piotr angeklopft, um mehr darüber zu erfahren, wie er die neue lockere Szene anführt, die aus den dunkelsten Ecken der Stadt entstanden ist.

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„Am Valentinstag haben ich und mein Mitbewohner Lorenzo angefangen, diese R’n’B-Party namens Girls Love Beyonce zu veranstalten“, erklärt Piotr. „Sie findet in einer heruntergekommenen Bar statt, es ist klein, verschwitzt und es sind so viele Leute dort, dass du nichts machen kannst, außer zu tanzen und auf die Sofas zu klettern. Es ist viel zu dunkel, um Fotos zu machen, der Alkohol ist billig und die Leute rauchen drinnen. Das ist im Prinzip mein Rezept für eine gute Nacht.“ Das Mailänder Nachtleben hatte in den letzten Jahren dank einer Kombination aus überspielten, zu viel gebuchten DJs und neuen Regeln bezüglich Lautstärke und Sicherheit zu kämpfen. „Diese Sachen töten die Party“, sagt Piotr achselzuckend. Aber abseits von Bürokratie und Verwaltung gibt es einige Leute, die entschlossen sind, sich Orte zu erkämpfen, in denen sie die ganze Nacht tanzen und auf dem Boden einschlafen können, ohne dass sie sich Sorgen um überteuerte Drinks und eine Türpolitik von gestern machen müssen. Es fühlt sich weniger nach dem Hochglanz des Londoner West End an und mehr nach Elephant, Castle oder, ich wage es kaum zu sagen, New York, als es wirklich Spaß gemacht hat. „Du siehst mich zu jeder Gelegenheit in einem Cap, mit Kamera, einem schlichten T-Shirt, Levi’s 501 und Sneakern“, sagt Piotr und fügt hinzu: „Ich besitze keine Schuhe außer Sneakern. Ich hatte ein Paar A.P.C x Air Max 1, das ich ein Jahr lang jeden Tag getragen habe—zur Arbeit, im Club, überall und sie sind nie dreckig geworden. Ich weiß nicht, wie das funktioniert hat, aber sie waren ein Traum.“

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Für den König der neuen italienischen Lässigkeit ist es offensichtlich wichtig, die sich entfaltende Szene auf angemessene Weise festzuhalten: „Alle Fotos, die ich gemacht habe, sind nicht gestellt, es ist eine Dokumentation oder Reportage. Clubs sind ein großer Teil meines Lebens, also habe ich tonnenweise Schnappschüsse von Leuten, die Spaß haben, obwohl die meisten davon vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben—du weißt schon, was in Vegas passiert, landet nicht auf Facebook.“ Was den Inhalt der Bilder angeht, so ist Piotr wesentlich mehr vom geheimen Nachtleben Mailands beeinflusst, als von dem, was er so in einem Studio arrangieren könnte: „Ich habe aufgehört, Modestrecken zu fotografieren, weil es mit zu viel Stress verbunden war—Stylisten, Make-Up Artists, Models, Fotos retuschieren, die ganze Politik. Ich will einfach Fotos machen und es spannend halten—ich will, dass es weniger poliert ist, rauer und echter. Ich mache kein Scouting, ich gehe einfach raus und treffe Leute und fotografiere meine Freunde. Ich würde nichts ohne ihre Zustimmung online stellen, im Gegenzug posieren sie oder versuchen auf gewisse Weise auszusehen, wenn ich ein Foto mache. Das ist eine Art mündliche Vereinbarung.“

Zurückhaltende Mode spielt eine wichtige Rolle für Mailands neue Welle lockerer R’n’B-Clubber, aber es ist die Musik, die zählt, sobald du dich auf den Dancefloor zwängst. Für Piotr gibt es nichts besseres als Lorenzo Senni und sein Label Presto?! Records. Auch Simone Trabuchi und Simone Bertuzzi werden für ihr Projekt Invernomuto und Bertuzzis Partys in Turin (Bunker Sonidero ist ihr Name, falls du einen Besuch planst) lobend erwähnt. Es lohnt sich auch, Turbojazz und CT-HI Records anzutesten, die „gefühlvolle, warm klingende Songs“ veröffentlichen, sowie Pigro On Sofa, den Piotr als „heiß“ bezeichnet. Durch diese wachsende Szene von unabhängigen, progressiven italienischen Künstlern werden Mailands Clubs „vielfältiger und lebhafter“ als jemals zuvor.

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Was ich aus dem Gespräch mit Piotr mitnehme, ist, dass Piotr und seine Freunde im Grunde Clubbing-Puristen sind. „Ich will keine Leuten sehen, die mitten auf dem Dancefloor Selfies machen und danach ununterbrochen die Likes checken und mir ihr iPhone ins Gesicht halten. Ich will mich nicht bewegen müssen, weil alle fünf Minuten Leute zum Rauchen rausgehen und ich will definitiv nicht am nächsten Tag mein verschwitztes Gesicht in einem sozialen Netzwerk sehen.“ Milans neue lockere Bewegung meidet Überheblichkeit beim Clubbing und schüttet lieber Drinks auf den Boden und vergisst bis zum nächsten Morgen alles. „Wenn ich in den Club gehe, dann will ich an nichts anderes denken“, fügt Piotr hinzu. Klingt ziemlich perfekt.

Mehr in dieser Serie:

Amsterdam: Die Heimat von Gabber
London: Die Heimat des Shuffle
Berlin: Die Heimat des echten Drum'n'Bass
Paris: Heimat von Clubbing in den Banlieues

Fotografin: Alex De Mora
Creative Director: Kylie Griffiths
Assistenten: Ellie, Sian und Thomas
Produktionsassistentin: Tabitha Martin
Haare: Johnnie/Morocaan Oil
Make-up: Lucy/Mac Cosmetics
Make-up-Assistenten: Lydia Harding und Celia Evans
Models: Perri, Rhimes und Anne-Marie