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Lyric-Videos sind für Vollidioten

Wenn eine Band ein Lyric Video online stellt, dann gibt sie damit im Grunde zu, Musik für twitter-besessene Tweens mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs zu machen.

Versteh mich nicht falsch, es ist phantastisch, auf diesen riesigen, nie endenden virtuellen Supermarkt zugreifen zu können, wo du jederzeit kostenlose Musik bekommen und dir Videos von Menschen anschauen kannst, die auf die abgefahrenste Art Sex haben. Aber gleichzeitig bringt die schiere Masse der verfügbaren Inhalte Bands dazu, sich irgendwelche Gimmicks aus den Rippen zu schneiden, damit ihre Musik überhaupt wahrgenommen wird.

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In diesen bitte-bitte-klick-auf-meinen-Link-Zeiten der digitalen Musik machen Bands einige bescheuerte Sachen, um online verbreitet zu werden, mit ihrer Internet-Fanbase connected zu bleiben, über den Tellerrand zu schauen und einen Haufen anderer bedeutungsloser Phrasen, die absolut nichts mit Musikmachen zu tun haben. Wäre das Internet ein realer Ort, wäre es wie zur Rush Hour auf dem Times Square und Bands wären wie der von Kopf bis Fuß neonfarben angemalteTyp, der so lange Leuten Dinge über seinen Magic Wand zubrüllt, bis sie ihm endlich zuhören.

Aber die mit Abstand beschissenste Vermarktungstaktik, die Bands versuchen, damit ihr Kram wahrgenommen wird, ist die Verschwendung von YouTube-Speicherplatz: Lyric Videos. Ich meine damit nicht Lyric Videos, die 13-jährige Fans aus Spaß zusammenbasteln. Ich meine Lyric Videos, die Bands oder Labels selbst veröffentlichen.

Das größte Problem mit Lyric Videos ist, dass sie grundlos Gehirnzellen abtöten. Wenn du glaubst, dein Song verdient es, dass sich Menschen noch ausführlicher damit beschäftigen, dann mach eben ein richtiges Video. Millionen Kids haben Kurt Cobain dabei zugesehen, wie er zu „Smells Like Teen Spirit“ seine Gitarre in einer nebligen Turnhalle voller Anarcho-Cheerleader zertrümmert und daraufhin eine eigene Band gegründet. Ich bin mir ziemlich sicher, niemand hat je einen Haufen dreidimensionaler Worte auf sich zufliegen sehen und war davon ausreichend inspiriert, um eine Band auf die Beine zu stellen.

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Wenn eine Band ein Lyric Video online stellt, dann gibt sie damit im Grunde zu, Musik für twitter-besessene Tweens mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs zu machen. Ein Song ist eine Kunstform, dafür gedacht, immer und immer wieder analysiert und auseinandergenommen zu werden. Wenn du hingegen Leuten mit einem Lyric Video vor den Kopf stößt, als wären sie total dämlich, reduzierst du im Prinzip deine „Kunst“ auf ein vierminütigens Soundbite. Genauso gut könntest du ein gif aus deinem Song machen (was Bands bereits getan haben…).

Die andere widerwärtige Eigenschaft von Lyric Videos ist, dass sie für die talentlosesten, ungebildetsten Bands mit einer vagen Ahnung von der englischen Sprache und einem Grundwissen über iMovie reserviert zu sein scheinen.

Hier sind zum Beispiel ein paar goldene Worte aus einem Lyric Video von Soulfly:

„Everywhere is bloodshed. Wasteland, Bloodshed, Wasteland, Bloodshed, Wasteland, Bloodshed…“

Wow, Soulfly, herzlichen Glückwunsch, eure dichterischen Fähigkeiten sind schon auf dem Niveau eines (irgendwie blutrünstigen) Anfängerkurses für kreatives Schreiben und ihr schafft es tatsächlich, uns die ohnehin wenigen Schlagworte des Refrains nochmal optisch um die Ohren zu hauen.

Hier ein weiteres Schmankerl von Hawthorne Heights, die die Worte „As the white flag begins to fly…“ mit einer weißen Flagge hinterlegt haben. VERSTEHSTE?

Und noch eins von Killswitch Engage, die es tatsächlich schaffen, die Zeile „I am with you always“ ungefähr 9000 Mal zu wiederholen, während wir uns fühlen, als wären wir in einem DOOM-Level gefangen:

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Lyric Videos anzuschauen ist wie an der Uni das Arschloch zu beobachten, das bei einem Referat jedes seiner Worte mit einer eigenen Powerpoint-Folie zu unterstreichen versucht. Ja, wir können dich hören, und lesen können wir auch. Entweder lass den Powerpoint-Scheiß oder halt die Schnauze und lass uns lesen.

Noch schlimmer als die Bands sind aber die, die solche Videos erst möglich machen—die semi-relevanten Musik-Blogs und Webseiten, die Lyric Videos posten, als wären es wichtige News.

Stellt euch vor: Lyric Videos sind keine News. Die Enthüllung von Album-Tracklisten oder die Nachricht, dass Bands an neuem Material arbeiten hingegen schon, denn das tun Bands nun mal, verdammt. Bitte lernt zu unterscheiden in „News“ und „riesengroßer Promotion-Circle-Jerk“.

Also, Bands, entweder oder. Wenn ihr wollt, dass eure Kunst respektiert wird, macht entweder ein richtiges Video oder—VERRÜCKTE IDEE—macht überhaupt kein Video. Egal wie ihr euch entscheidet, hört verdammt nochmal auf mit dieser grauenhaften Marotte.

Aber hey, glückwunsch zu all euren Tumblr-Likes!

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