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Little Dragon wollen sich ständig verwandeln

Kein glossy-klebriger Plastikpop, kein Kalkül, eher Unbedarftheit und Slow Jams—Little Dragon sind erfrischend anders.

Foto: © Jan Welchering / VICE

Wenn in Sachen Popmusik nichts mehr geht, geht immer noch Little Dragon. Das schwedische Quartett um Sängerin Yukimi Nagano rückte 2007 mit seinem selbstbetitelten Debütalbum ins Rampenlicht—aber nicht, weil es sich dabei um glossy-klebrigen Plastikpop handelte, sondern weil ihr mit Soulgesang verwobener Synthesizer-Pop schon damals so scheinbar schwerelos zwischen Mainstream und spitzester Nische schwebte, dabei nicht nur Auskennermagazine und Künstlerprominenz mitnahm, sondern auch—und das ist keineswegs despektierlich gemeint—dem unbedarften Musikhörer einen leichten Einstieg in elektronische Musik gab.

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Dabei sind Little Dragon eigentlich gar nicht unmittelbar erfolgsbemüht oder karrieresüchtig. Die in Göteborg lebende Clique, bestehend aus Erik Bodin, Fredrik Källgren Wallin, Håkan Wirenstrand und Yukimi hadern eher mit sich und ihrer Musik. Sie lieben das Spiel mit ihren Songs, die ständige Verwandlung und Ausarbeitung—eigentlich schon eine recht nerdige Herangehensweise. „Wir sind jetzt schon so lange als Band zusammen, da wollen wir einfach immer wieder neue Sachen ausprobieren“, sagte Yukimi beim Interviewtermin in Berlin.

Little Dragon, „Klapp Klapp“

Einige Wochen zuvor waren sie schon einmal da, spielten eine lange im Voraus ausverkaufte Show im Heimathafen Neukölln. Es war eine Art Generalprobe ihres neuen Albums Nabuma Rubberband, dessen Veröffentlichung zu dem Zeitpunkt aber noch in weiterer Ferne lag. Rückbetrachtet war es nicht einmal eine Probe—ihre Show war eine große, seitens Band und Publikum euphorisch gefeierte Party, auf der scheinbar zufällig ein paar neue Stücke gespielt wurden. Am ungewöhnlichsten war dabei die Performance einer Tänzerin inmitten der auf der Bühne aufgestellten Lichtsäulen. „Sie ist eine Freundin aus Göteborg, wir wollten das auf der Bühne testen“, erklärt Yukimi die eher ungewöhnliche, Zeitlupenperformance, die wie eine kurze Version von The Knifes jüngster Tourchoreo wirkte. „Bei den nächsten Shows wird sie wohl nicht mehr dabei sein“, ergänzt Drummer Bodin. „Es ist immer cool, Freunde dabei zu haben. Aber wir fanden's auch einfach so gut, das ausprobiert zu haben.“

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Diese Experimentierfreude zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Diskografie: Auf mittlerweile vier Alben und ungleich mehr Singles und EPs haben Little Dragon sich in den letzten Jahren eine unmittelbar wiedererkennbare Soundsignatur erarbeitet, was aber nur am Rande an den zarten Vocals ihrer Sängerin mit den japanischen Wurzeln liegt. Vor allem ist es die kindliche Freude am sich ausprobieren: mit neuen Melodien und Rhythmen, aber auch an neuer Musikhardware. „Die Arbeit am neuen Album hat eine ganze Weile gedauert“, sagt Bodin. „Wir mussten das Studio dafür erst bauen. Wir haben über die Jahre so viel Gerümpel an Instrumenten angesammelt, da brauchten wir einfach mehr Platz. Wir hatten natürlich hohe Erwartungen an das Studio, auch wenn die nicht zwingend völlig erfüllt wurden. Aber da wir uns darum ja selbst kümmerten—wen hätten wir feuern sollen, wenn es nicht ganz nach Plan verlief? Ich meine aber, dass das Album widerspiegelt, dass wir uns Zeit gelassen haben.

Wirenstrand: Der Unterschied bei diesem Album war, dass wir gemeinsam viel fokussierter an den einzelnen Stücken arbeiteten. Anfangs waren das alles ziemlich grobe Skizzen, die wir immer weiter ausgearbeitet haben. Das neue Studio hat auch einen ganz anderen Vibe, es fühlt sich viel mehr wie ein zweites Zuhause an. Wir haben da sogar ein paar Betten.
Bodin: Im alten Studio stand schon eine Couch. Darauf konnte man prima rumlümmeln und wegdösen, während die anderen Musik machten. Und dann wachst du auf und fragst unvermittelt: Warum machst du das soundso? Das hat sich jetzt noch weiter verstärkt.
Fredrik Källgren Wallin: Darin liegt natürlich auch die Gefahr, es sich zu gemütlich zu machen und im Aufnahmeprozess zu verlieren. Prince hatte auch ein Bett in seinem Studio. Prince war sowieso eine große Inspiration für jeden von uns—wobei wir ihn aber keinesfalls zu kopieren versuchten.

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Bei allem Jamming und Experiment ging es bei Nabuma Rubberband aber auch um eine Neuerfindung, eine kleine wenigstens. „Der Titel beschreibt einen fiktionalen Ort, den haben wir uns ausgedacht“, sagt Yukimi Nagano. „Wir sehen das Album als eine Art von Ausbruch [aus dem Alltag] an. Wir hoffen, dass sich die Leute davon mitnehmen lassen, wohin auch immer. Man soll sich in einer anderen Welt verlieren, vielleicht auch emotional berühren lassen. Das ist ja eines der Highs bei Musik. Wir hatten also so eine Art mythisches Land im Sinn.“ Musikalisch klingt das gar nicht so viel anders als noch auf ihrem 2011er Album Ritual Union, mit dem Unterschied aber, dass das Tempo sich hörbar verlangsamt hat: die Slow Jams strahlen auf Nabuma Rubberband einfach am hellsten, wie beispielsweise in „Cat Rider“, „Pink Cloud“, „Pretty Girls“ oder dem titelgebenden Stück. Klar, die flotten Tanzflächenfiller gibt es immer noch zur Genüge—aber es sind gerade die verführerisch langsamen Nummern, die am besten funktionieren. „Es gibt bei uns keine Regeln“, so Nagano. „Egal ob bei Remixes, Kollaborationen, oder unseren eigenen Sachen: Letztlich kommt alles auf Zeit und Ort an.“

Gutes Stichwort: Wie schon in der Vergangenheit wird ihr neues Album auch von Remixes begleitet. Die erste Single „Klapp Klapp“ wurde von Philip Gamble alias Girl Unit in eine träumerische grollende Downtempo-Nummer verwandelt. Girl Unit ist dabei ein Paradebeispiel: Weder Big Name noch gänzlich Unbekannter—seine Wut-EP auf Night Slugs beherrschte 2010 schließlich die meisten DJ-Charts.

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Wo bei anderen Bands Remixes aber oft Mittel zum Zweck sind—für schnelle, günstige Aufmerksamkeit in genrefremden Kreisen und Kontexten zu sorgen—, gehört die Bearbeitung des eigenen Katalogs für Little Dragon ganz selbstverständlich zum künstlerischen Schaffen und Experiment dazu und taugt auch als Erklärung für ihren nachhaltigen Erfolg. „Wir machen das gar nicht so absichtlich“, versucht Håkan Wirenstrand zu relativieren. „Wir bekommen meistens die Anfrage und entscheiden uns dann einfach dafür oder dagegen. Manche Remixes funktionieren, andere wieder nicht. Aber es ist immer interessant zu hören, wie sie unsere Musik rearrangieren.“
Nagano: Es kam auch schon oft vor, dass Leute sich einfach einen unserer Songs vornahmen und den geremixt haben. Das ist cool. Man braucht ja auch nicht alle Files, um einen guten Remix zu machen. Im Fall von Girl Unit gingen wir direkt auf Philip zu, weil wir mögen, was er macht.
Wallin: Wir möchten guten Leuten natürlich auch einen gewissen Schub geben.

Es ist diese Art der Unbedarftheit und Bescheidenheit, die Little Dragon so interessant und sympathisch machen: Hier steht kein Kalkül hinter der Musik—oder wenn doch, dann ist es mehr als dezent und klug platziert. Eigentlich genau das Gegenteil dessen, wie Popmusikmarketing funktioniert. Little Dragon sind, so lässt es sich wohl am Besten umreißen, einfach erfrischend anders.

Little Dragon, Nabuma Rubberband, Because Music, 9. Mai 2014, Vinyl / CD / MP3

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