FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Lily Allens neues Video macht richtig Welle—wir haben mit dem Regisseur gesprochen

Lily Allen meldet sich nach drei Jahren Auszeit zurück und macht direkt mal richtig Alarm. Ein Affront gegen die Musikindustrie? Oder nur ein billiger Trick?

Ich war nie ein großer Fan von Lily Allen, genauso wenig wie ich sie jemals gehasst oder verabscheut hätte—ich habe mich einfach nie wirklich mit ihr beschäftigt. Aber auch wenn man Lily Allen nur am Rande mitbekommen hat, konnte man an ein paar interessanten Informationen über diesen britischen Popstar nicht vorbeikommen.

Zum Beispiel ist wohl jedem letzten Depp aufgefallen, dass Lily Allen in den vergangen drei Jahren in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht stattgefunden hat. Warum? Weil sie zwei Kinder bekommen hat und sich um diese gekümmert hat, ohne in dieser Zeit ständig ihre Fresse, Brüste oder Muschi in irgendwelche Kameras zu halten. Allein das ist ja in Zeiten von Popstars wie Lady Gaga, Rihanna und Miley Cyrus schon höchst außergewöhnlich.

Anzeige

Und es ist in einer sehr schnellen Medienwelt, die nach Meinung der meisten PR-Berater davon lebt, Fans auf allen Kanälen ständig mit sinnfreien Informationen, inhaltsleeren Bildern und dümmlichen Tweets zuzukotzen, nicht nur mutig, sondern nahezu revolutionär, sich drei Jahre Auszeit zu gönnen, um sich um sein Privatleben zu kümmern. Wenn dann auch noch eine Frau diese Auszeit nimmt, um Kinder zu bekommen, die sie offensichtlich nicht allzu früh in Privat-Kitas oder die Obhut irgendwelcher Nannys abgeben will, gibt es mit Sicherheit auch noch eine bedeutende feministische Komponente—die ich nicht bewerten will. Aber sie ist vorhanden.

Es dürfte ebenfalls an ziemlich viele Ohren gelangt sein, dass Lily Allen schon vor Ewigkeiten einen Song namens „Fuck You“ veröffentlicht hat. Für uns deutschsprachige Menschen ist das vielleicht keine große Sache, aber im anglo-amerikanischen Raum ist das richtig aufrührerisch, in Kombi mit einem an sich so unradikal-fluffigen, absolut radiotauglichen Song vielleicht sogar noch punkiger.

Das ist alles durchaus beachtenswert, auch wenn man Lily Allen musikalisch weniger interessant findet, was berechtigt ist, weil sie kaum mehr als massenkompatible, glatte Popmusik fürs Radio macht.

Gestern veröffentlichte Lily Allen ihr neuestes Video und auch das dürfte viele Menschen erreichen, die sich eigentlich nicht für sie interessieren. Die Musik ist tendenziell kacke und das bliebe sie auch, selbst wenn sie ironisch oder als Persiflage gemeint sein sollte (was ich nicht weiß). Um den Song wirklich zu verstehen, muss man sich allerdings mit den Lyrics beschäftigen und man sollte sich auf jeden Fall dieses Video ansehen.

Anzeige

Die Meinungen gehen natürlich auch hier stark auseinander, die einen sehen es als mutig, außergewöhnlich und als wichtige, zeitgemäße Kritik an der aktuellen Rolle der Frau in der Musikindustrie an (Robin Thicke, sie meint dich!)—andere denken, es ist ein Klickbringer, der sich nur als Satire verkleidet und letztlich genau das macht, was offensichtlich kritisiert werden soll: Ärsche und Titten in Nahaufnahme zeigen.

Unsere Londoner Kollegen reagierten schnell und stellten dem Regisseur des Videos ein paar Fragen, um herauszufinden, wie ernst es ihm mit der Kritik ist.

Noisey: Hi Chris. Ich wette, du hast ziemlich viel um die Ohren seit gestern.
Chris: Ja, aber auf einen gute Art.

Wie kam es zu diesem Video, ist Lily einfach mit dem Song zu dir gekommen?
Sie schickte den Song an total viele Leute und ich schrieb ihr meine Idee, die im Grunde nur auf den Lyrics basiert. Sie wollte etwas Subversives und ich sagte, lass uns etwas machen, was die Ästhetik eines HipHop-Videos nimmt, aber voll überdreht.

Hat es dich nervös gemacht, ein Video zu veröffentlichen, das eine so deutliche Message über deine eigene Branche transportiert?
Nein, es muss darüber gesprochen werden. Ich dachte nur, es wäre heuchlerisch, wenn man behauptet, dass alle außer uns sowas tun. Deswegen nimmt Lily an allem im Video teil, macht alles mit, was die anderen machen. Wir machen uns doch alle mitschuldig, wir müssen das machen, es wird heutzutage erwartet.

Anzeige

Also haust du nicht auf Stars wie Rihanna oder Miley Cyrus rum?
Exakt, es ist eher so gemeint, „ist es nicht seltsam, was wir heute machen müssen?“

Hattest du andere Videos konkret vor Augen, abgesehen von Robin Thicke?
Wir wollten absichtlich nicht auf jemand Bestimmtes Bezug nehmen. Es ging eher allgemein um die Ästhetik moderner HipHop-Videos. Ich wollte, dass Leute, die es sich in ein paar Jahren ansehen, noch immer verstehen würden, um was es uns ging—eher als Bezug auf ein Thema zu nehmen, das jetzt gerade total relevant ist.

Was denkst du über die unfassbar vielen Kommentare und Beschimpfungen, seit das Video online gegangen ist?
Alle scheinen es zu lieben und es ist ein Comeback, also freue ich mich sehr für Lily. Es ist interessant, dass die Leute sie noch immer für radikal halten und sofort kommentieren, obwohl sie jetzt eine ganze Weile weg war. Es gibt so viel Liebe für sie, ich könnte kaum glücklicher sein.

Viele Leute haben Bedenken geäußert, weil das Video hauptsächlich schwarze Tänzerinnen in expliziten Haltungen um eine weiße Sängerin zeigt. Das meint ihr offensichtlich ironisch, aber macht es das besser?
Wir wählten einfach die besten Tänzerinnen aus. Suzette, die die Choreographie gemacht hat, ist eine tolle Tänzerin, sie geht mit Major Lazor auf Tour und so. Wir haben ihr gesagt, dass wie twerkende Tänzerinnen haben wollen, und die sechs besten bekommen. Vier davon sind schwarz, zwei nicht, was ich für ein gutes Verhältnis hielt, weil es hier nicht um ein Statement zur Hautfarbe gehen sollte. Es waren einfach die, die gut sind.

Anzeige

Aber im Allgemeinen—macht die Tatsache, das es ein satirisches Video über Frauenfeindlichkeit ist, die Tatsache wieder wett, dass dünne, twerkende Mädels sich gegenseitig Champagner über den Arsch kippen? Man kann den weiblichen Körper auch für satirische Zwecke ausnutzen. Hast du einen Freibrief, weil du es ironisch meinst?
Ich glaube schon, weil es die Leute zum Reden bringt. Es gibt hunderte dieser Mädels in solchen Videos und sie werden zu den Castings eingeladen, ohne dass ihnen überhaupt gesagt wird, was sie tun sollen. Sie sollen einfach eines Tages kommen, um mit dem Arsch zu wackeln. Wir haben mit den Frauen geredet, ihnen erklärt was wir machen und sie fanden es witzig.

Wenn du sowas in der Pop Musik machst, musst du es spielerisch angehen. Man kann sich selbst nicht zu ernst nehmen. Mit Lilys Song wollen wir die Leute ein bisschen zum Nachdenken bringen, dazu, dass sie sagen „warte mal kurz“. Das ist alles, worum es geht, es ist keine Werbekampagne, sondern soll zum Nachdenken anregen.

Also ermutigst du die Leute noch, darüber zu streiten?
Aber sicher. Das Beste erreichst du immer, wenn Leute über etwas diskutieren, der eine denkt, es ist brillant, der andere findet es schrecklich.

Ich habe gesehen, dass eine der schwarzen Tänzerinnen aus dem Video darüber getwittert hat, wie sehr sie den Dreh genossen hat und dass sie das Video verteidigte.

@lilyallen Had so much fun on set with you, the girls and team. Your a really cool and down to earth person. Great working with you. X

— Seliza Sebastian (@SelizaShowtime) November 13, 2013

Anzeige

@lilyallen That style of dance does not define us but its in black dance culture to use hips, waist and bum! U know about bashment Lily! Lol

— Seliza Sebastian (@SelizaShowtime) November 13, 2013

Gut. Sie blieben alle, nachdem wir mit dem Dreh fertig waren, hingen noch ein bisschen ab und freundeten sich wirklich mit Lily an und so. Das ganze Ding war von Anfang an sehr schwesterlich. Vielleicht hast du bemerkt, dass der Manager in dem Video niemals nur mit Lily spricht, sondern immer mit allen Mädchen. Es geht nicht darum, dass sie vorn steht und sagt, „Seht mal, was diese Mädchen machen müssen“. Sie sagt, „Seht mal, was WIR machen müssen“ und ich denke, das ist wirklich wichtig.

Welche Veränderungen würdest du im Allgemeinen gern in Musikvideos sehen? Gibt es da schwerwiegende Probleme?
Ich denke, es sollte nur um die Leute gehen, die diese Videos machen, die Sänger, und ob sie damit glücklich sind. Was ich nicht möchte, ist, dass Leute das Gefühl haben, sie müssten bestimmte Dinge machen, um in den Charts zu landen. Manche Leute wie Rihanna haben es drauf, andere nicht. Niemand sollte versuchen, Rihanna von dem abzuhalten, was sie tut, weil sie damit ganz offensichtlich sehr gut klarkommt. Als Regisseur stellst du fest, dass es für jeden etwas anderes ist.

Hattest du psychische Spätfolgen, nachdem du stundenlang Ärsche in Zeitlupe schneiden musstest?
Naja, weißt du, wir haben das Video bei mir zuhause geschnitten und meine Putzfrau war da und sie spricht kein Englisch—als wir das Stück mit dem Champagner und den Ärschen bearbeiteten, sah sie zu und sie wusste überhaupt nicht, dass es ein Video für Lily Allen war, sie weiß noch nicht mal, was mein Beruf ist. Sie sah mich und meinen Cutter in der Küche arbeiten und sie schaute uns mit diesem Blick an, „Fuck, ich glaube, er ist ein Porno-Regisseur“. Das war seltsam.

Anzeige

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.


MEHR VON NOISEY

The Noisey Guide To Konzertgänger

Karaoke-Roboter, uneheliche Hunde, ein nicht zu unterdrückender Rede- und Kippenschnorrfluss und sabbernde Zwerge—ein Who is Who der Konzertbesucher.

Die besten Sims-Coversongs aller Zeiten

Wenn die größten Weltstars ihre Hits in der Fantasiesprache aus dem Computerspiel Sims singen.

Die Pop-Diaspora von M.I.A.

Statt mit dem Hinweis auf Unterdrückung von „Drittweltlern“ Kontroversen zu provozieren, bringt M.I.A. uns ihre Rhythmen, Farben und Slangs. Das macht weißen Rezensenten offenbar Angst.