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Interviews

Kvelertak finden: Das Internet ist an allem Schuld

Kvelertak haben es geschafft, sowohl den Underground als auch den Mainstream in die Moshpits ihrer Konzerte zu peitschen. Wir trafen Sänger Erlend Hjelvik zum Interview.

Irgendwann gab es in jedem lausigen Klamottenladen irgendeinen Krempel mit Eulen zu kaufen. Shirts. Schmuck. Schnickschnack. Seitdem es Kvelertak gibt, hat es die Eule auch in den Metal geschafft. Alle tragen sie Kvelertak-Shirts mit oder ohne Eulen aus der Hand von John „Baroness“ Baizley. Im Ernst: Wer heute auf Hardcore/Punk/Metal-Großveranstaltungen geht, der muss beim Führen der Strichliste mehrmals den Bleistift anspitzen, wenn er alle Kvelertak-T-Shirt-TrägerInnen zählen will.

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Qualität setzt sich eben durch. Und Kvelertak liefern Qualität. In ihre stets auf Norwegisch gegrölten Songs packen die sechs Typen – drei davon Gitarristen! – alles Mögliche rein. Da ist der Schweinerock von Turbonegro ebenso wichtig wie Blastbeats und Gesangsentlgeisungen des Black Metal, kombiniert mit Punk-Attitüde, Death-Metal-Prolligkeit und einem Gitarrensound, der zwischen Epik und Entombed pendelt. Für letzteren engagierten Kvelertak für ihr gerade erschienenes zweites Album Meir erneut Converge-Gitarristen Kurt Ballou. Wir sprachen mit Sänger Erlend Hjelvik über norwegische Texte, viele Tattoos und oberflächliche Black-Metal-Bezüge.

Noisey: Wie spricht sich der Titel eurer Platte überhaupt aus?

Erlend Hjelvik:Er spricht sich Meichrrh (kratzig wie aus Schweizer Kehlen). Das heißt so viel wie „mehr“.

Was ist denn mehr auf der neuen Platte?

Als die Platte fertig war, hörten wir sie uns an. Und Meirwar der einzige Titel, der zu ihr passte. Es ist halt eine Weiterführung des ersten Albums und irgendwie mehr von allem.

Ich nehme einfach mal an, dass euer Titel nicht zu kompliziert für alle Nicht-Norweger werden sollte.

Exakt. Wir wollten uns auf ein einfaches Wort beschränken. Let’s keep it catchy.

Das Artwork für die Platte hat wieder John Baizley von Baroness gemalt. Weißt du, was das für weiße Spritzer sein sollen, die da überall zu sehen sind? Ist das Sperma?

Das ist Vogelscheiße. Alles ist vollgeschissen.

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Hast du Baizley auch schon auf deiner Haut verewigt?

Nicht so richtig. Ich habe nur das (deutet auf ein buntes Etwas auf seinem Unterarm). Es ist ein Motiv von ihm, das nur in der Bonus-Edition von unserem ersten Album zu sehen war und ein Tätowierer-Freund hat davon noch mal seinen eigenen Entwurf gemacht.

Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, hattest du weit weniger Tattoos.

Seitdem bin ich aber auch viel getourt. Ich lasse mir meistens was machen, wenn ich in den Staaten bin, weil es dort so viele geile Tattoo-Künstler gibt, die wir dann auf unseren Shows getroffen haben, meistens in Austin oder New York.

Warum muss man als Musiker in einer Rockband eigentlich tätowiert sein?

Wahrscheinlich weil die meisten denken, dass das dazu gehört. Es ist sehr normal geworden und nichts Besonderes mehr, Tattoos zu haben.

Okay. Bei dir kann man es verstehen, du stehst auf der Bühne, schreist Leute an und machst einen auf wildes Biest. Aber schau dich doch mal um: In jeder Fashion-Kampagne sind nur noch vollgehackte Typen zu sehen.

Er ist schuld daran. (Deutet auf Bassist Marvin Nygaard, dem die Tinte bis zum Kinn steht) Er war der erste, der von uns tätowiert war. Mir selber ist vor allem wichtig, dass ich gute Tattoos habe. Ich will zeigen, dass ich einen guten Geschmack habe. (lacht)

Im Booklet zu Meirgibt es ein paar englische Sätze zu jedem Song, damit man einen ungefähren Eindruck bekommt, worum es gehen soll. Es ist also schon in deinem Interesse, dass deine Hörer dich wenigstens halbwegs verstehen, richtig?

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Ja, durchaus. Außerdem nervt es, auf Facebook immer gefragt zu werden, worum es in irgendeinem Song geht. Mit den englischen Erklärungen bekommen sie wenigstens ein paar Bilder für den Kopf. Aber am Ende landen die Texte dann doch wieder in der Google-Übersetzung und dann kommt Müll dabei heraus.

Du kannst dann ja korrigieren.

Nee, lass mal. Das ist schon ganz lustig, wenn die Leute das Falsche glauben. Von den Texten des ersten Albums gibt es allerhand schwedische Versionen. Dabei kommt so viel Nonsens raus. Aber das ist auch lustig, weil ich das früher genau umgekehrt gemacht habe. Als ich 17, 18 war, habe ich mit einem Freund Immortal gehört und wir schrieben auf, was wir dachten, was er singt. Aber das war natürlich totaler Schwachsinn.

In Tordenbrakgeht es ja darum, dass die Welt den Bach runter geht. Woran machst du das genau fest?

Ich schiebe das hauptsächlich dem Internet in die Schuhe. Das macht die ganze Menschheit verrückt. Es verändert, wie die Menschen denken – und das eher selten auf gute Art und Weise. Ansonsten geht es in den Songs um Touren, Horrorfilme und wie ich mich fühle, wenn ich verkatert Weltraumdokumentationen gucke.

Und wer ist der Evig Vandrar?

Der ist inspiriert vom Fliegenden Holländer. Ich wollte mir eigentlich nur eine gruselige Geschichte über einen Typen mit schwarzer Kapuze ausdenken, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat und für immer auf der Erde wandelt. Wenn das Touren nicht so viel Spaß machen würde, dann würde ich glatt sagen, dass der Song eine Metapher dafür ist.

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Du hast ja gerade gesagt, dass du Immortal-Texte herausgeschrieben hast. Hat dich so ein Zeug beeinflusst, wenn es um deine eigenen Texte geht?

Nun ja, ich habe da natürlich viel Stuss aufgeschrieben. Aber letztendlich habe ich damals angefangen, mich mehr mit den Texten auseinander zu setzen. Als ich meine ersten Texte schrieb, orientierte ich mich schon an Black-Metal-Texten. Das tue ich immer noch, aber ich schmeiße mehr Stoff in den Mix. Diesmal war es Blue Öyster Cult und Monster Magnet.

Ich hab ja keine Ahnung wie prägend die ganze Black-Metal-Bewegung für die norwegische Öffentlichkeit war. Aber kannst du dich an deinen ersten Kontakt mit dieser Musik erinnern?

Das war, als ich mit sieben Jahren nach Norwegen zog…

Wie meinst du das? Du bist doch Norweger.

Meine Eltern lebten und arbeiteten in Holland. Sie sind Norweger und ich deshalb kein Niederländer. Also: Mit sieben bin ich nach Norwegen gezogen. Und ich kann mich noch dran erinnern, dass wir auf dem Weg innerhalb Norwegens an einer völlig verkohlten Kirche vorbeifuhren, die gerade erst abgebrannt war. Das ist das erste Mal, dass ich mit Black Metal in Berührung kam. Danach war das natürlich ständig in den Nachrichten. Zu der Zeit hatte ich Angst vor Count Grishnackh, aber das Ganze übte schon eine Faszination auf mich aus.

Was war denn die erste Metal-Platte, die du dir gekauft hast?

Oh, das war eine Metallica-Platte, ich schätze Load oder Reload, die beide Scheiße sind. Die erste black-metalige Platte, die ich mir besorgte, war wohl eine von Dimmu Borgir, aber ich komme jetzt nicht mal mehr auf den Titel. Danach habe ich Cradle Of Filth gehört und irgendwann bin ich dann bei den ganzen norwegischen Bands gelandet.

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Ich finde es etwas merkwürdig, was mit der ganzen Black-Metal-Sache passiert ist. Das war mal die unfreundlichste, gefährlichste Musik überhaupt und mittlerweile hat sie sich in die Popkultur eingefügt, die berühmten Fonts werden zweckentfremdet, Peter Bestes Fotosammlung wurde zum Coffee-Table-Schinken.

Gerade in Norwegen ist das auch so, dort wo die Black Metaller zur Elterngeneration gereift sind.

Irgendwie tragen Kvelertak ja sogar ihren Teil dazu bei: Ihr bedient euch einiger Stilelemente des Black Metal wie etwa rasende Blast-Beat-Parts und vermengt sie mit eurem supereingängigen Rock.

Bei uns ist das aber völlig oberflächlich. Wir mögen Black Metal zwar, aber halten uns von der Szene fern. Es gibt auch kaum etwas Dämlicheres, als uns als Black Metal Band zu bezeichnen, weil es so offensichtlich ist, dass wir keine sind.

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