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Kraftklub scheißen zu Recht auf den Echo

Schon wieder Aufregung um Frei.Wild—Kraftklub distanzieren sich vom Echo, weil sie mit den Tirolern in einer Kategorie nominiert sind. Und sie sind nicht die einzigen.

Der Echo leidet schon länger unter einem eher bescheidenen Ruf, unter Fans genauso wie unter Kritikern. Unter Musikern auch. Der Grund ist recht simpel, Echos werden nach einem sehr einfachen Prinzip verteilt: Wer im vergangenen Jahr (gezählt wird immer von Februar des letzten bis Februar des aktuellen Jahres) die meisten Platten verkauft hat, bekommt einen Preis. Zwar gibt es ein paar Kategorien—wie den Radio Echo oder bestes Musikvideo—in denen Fans die Gewinner wählen können, aber die meisten Auszeichnungen richten sich einzig nach den Platzierungen in den Charts.

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Diese Mechanik unterscheidet die Echos von international begehrten Musikpreisen wie den Grammys oder den Brit Awards, die von kompliziert zusammengesetzten Jurys gewählt werden. Den feinen Unterschied zwischen kommerziell erfolgreich und künstlerisch wertvoll spürt man zwar auch dort nicht immer, aber zumindest regelmäßig. Bei den Echos dagegen nie. Die Echo-Veranstalter reden sich seit längerem raus, indem sie sagen, dass die Preise zu 50 Prozent nach Verkäufen und zu 50 Prozent nach dem Voting einer Jury vergeben werden, aber es gibt berechtigte Zweifel daran, dass diese Jury tatsächlich existiert.

Die Vergabe nach dem schlichten Kriterium der verkauften Platten ist dann auch Schuld an ein paar ziemlich skurrilen Nominierungen. Cro erntet dieses Jahr für sein kommerziell sehr erfolgreiches Debüt gleich sechs Nominierungen von Newcomer über Album des Jahres, bester HipHop-Act, bestes Video, Radio-Echo bis bester Produzent. Ein paar andere fehlen dagegen komplett, was selbst bezogen auf Verkäufe, manchmal schwer nachvollziehbar ist. Wo sind in der Produzentenkategorie etwa The Krauts, die „Lila Wolken“ von Marteria, Yasha und Miss Platnum produziert haben, einen der besten und erfolgreichsten deutschen Songs des letzten Jahres? Überhaupt, wo sind Marteria, Yasha und Miss Platnum?

Ihr Problem dürfte sein, dass sie kein Album veröffentlicht haben. Die Kategorie „Bester Song“ oder gar „Bester Song National“ gibt es beim Echo nicht. Stattdessen gibt es den „Hit des Jahres“, in dem allerdings die Toten Hosen gegen Psy und Rihanna antreten. Besser kann die Diskrepanz zwischen Jurypreis und Echo nicht verdeutlicht werden.

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Ebenfalls ziemlich abwegig liest sich die Nominierungsliste in der Kategorie „Rock / Alternative National“:

Die Ärzte
Frei.Wild
Kraftklub
MIA.
Unheilig

Klar, alle diese Bands haben ziemlich viele Alben verkauft, daher sind sie nominiert. Aber erstens wird dort eine seit langem brodelnde moralische Diskussion komplett ignoriert—nämlich, dass bei Frei.Wild das Wort „National“ ziemlich groß geschrieben wird. Zum anderen stellt sich die Frage, was die Südtiroler überhaupt in der Kategorie zu suchen haben, müssten sie nicht trotz ihres Deutschen Rocks als internationale Künstler nominiert werden? Oder wissen die Verantwortlichen des Echo nicht, wo Südtirol liegt?

Kraftklub jedenfalls haben überhaupt keinen Bock auch nur im Entferntesten mit Frei.Wild in einen Topf geworfen zu werden. Die Jungs haben gestern bei Facebook gepostet, dass die sie ihre Plattenfirma gebeten haben, „dafür zu sorgen, dass unsere Nominierung für den Echo in der Kategorie ,Rock/Alternativ National‘ zurückgezogen wird.“

Wie andere zuvor haben auch Kraftklub einen ordentlichen Shitstorm von Frei.Wild-Fans geerntet, zugleich aber auch viel Lob bekommen. Gut, dass sie sich von beidem nicht groß beeindrucken lassen. Letztes Jahr hatten die Chemnitzer zusammen mit Casper einen Auftritt bei der Echo-Verleihung, der sich in seiner Strophe gegen Frei.Wild stark machte.

Nach all der Aufregung haben sich inzwischen auch Die Ärzte zu Wort gemeldet, die schon seit Jahren konsequent auf den Echo scheißen. Auf ihrer Homepage schrieb die beste Band der Welt:

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„HEY LEUTE,

beim „Wichtigsten Deutschen Musikpreis“ ist mal wieder eine politisch fragwürdige Band nominiert. Da uns der Echo sowieso nie interessiert hat und unsere politische Einstellung hinreichend bekannt sein sollte, liegt der Rest in den Händen der sicherlich weisen Juroren.

Liebe Grüße, eure Lieblingsband.“

Und auch MIA. haben sich inzwischen über Facebook zu Wort gemeldet und angekündigt, dass sie—auch wenn sie ihre Nominierung nicht in der Hand haben—Abstand vom Echo nehmen und falls sie gewinnen sollten, den Preis nicht annehmen wollen. Bleiben also Unheilig und Frei.Wild, die sich noch nicht zu Wort gemeldet haben. Könnte sein, dass am Ende niemand der Nominierten in Rock / Alternative National mehr übrig bleibt. Vielleicht ist das dann endlich der Punkt, an dem die Verantwortlichen beim Echo mal über ihre Vergabe-Kriterien nachdenken.

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