FYI.

This story is over 5 years old.

Noisey Blog

Können wir nicht Freunde bleiben, Cold War Kids?

Ich war davon überzeugt, in Cold War Kids einen Liebe fürs Leben gefunden zu haben. Aber 90 Prozent aller Morde sind Beziehungstaten und irgendwann hatte ich ein Messer in der Brust stecken.

Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, aber eigentlich ist es gar nicht so lange her als erstmals die Gitarre eines Cold War Kids-Songs mein Ohr erreichte. Sie war dünn, kläglich fast und man musste die ganze Zeit Angst haben, dass sie den Geist aufgibt, bevor das Ende des Song erreicht war. Getragen wurde diese Gitarre von einem kratzigen Bass, der sich langsam aber stetig voranstolperte und einem Schlagzeug, das—zumindest auf den ersten Metern—gerade so mitkam. Dazu dieser Gesang, der ebenso fragil war wie die Gitarre, ein Stimmchen, dünn, hoch, lächerlich.

Anzeige

Ich war hin und weg.

Dieser Song war „Hang Me Up To Dry“, hierzulande die erste Single von Cold War Kids‘ Debütalbum Robbers and Cowards, das ich mir am Tag des Releases kaufte und das inzwischen eines der wenigen Alben ist, die ich in gewisser Regelmäßigkeit wieder rauskrame, ein Dauerbrenner.

Auf dem Album schlossen sich „Saint John“, „We Used To Vacation“ und „Hospital Beds“ auf Anhieb dem Niveau von „Hang Me Up To Dry“ an, der Rest fiel auch nicht großartig ab—dieses dünne Stimmchen, diese vom Aussterben bedrohten Gitarren, der knarzige Bass, sie schafften es Rock in einem dünnen Kleid zitternd dastehen zu lassen und gleichzeitig Kraft, Wut, Liebe, Lust und Aufbegehren zu vermitteln. So wie es Rock schon immer getan hatte—nur eben noch nie so in Minimalismus schwelgend.

Das zweite Album schien diese Attitüde vom ersten Ton an zu bestärken. Da zupft sich die hallende Gitarre von „Against Privacy“ in den Gehörgang, um ein klitzekleines Loch zu bohren, durch das sich in der Folge die ganze Bandbreite der Cold War Kids zwängt. Und spätestens bei „Golden Gate Jumpers“ bist du bereit, ebenfalls von der Brücke zu springen. Weil du weißt, dass dich das Klavier nach zwei Minuten sanft auffängt, in Decken einmümmelt und nie wieder loslassen wird.

Dann folgte ein Album namens Mine is Yours. Es war genauso furchtbar, wie es aussah. Cold War Kids hatten zuvor bereits angekündigt, dass sie sich dem Mainstream öffnen wollten und mit Mine Is Yours brachten sie mit voller Absicht ein Album raus, das im Stadion funktionieren würde.

Anzeige

Ich habe damals eine Promo von Mine Is Yours bekommen. Ich habe sie mir angehört, ich habe sie mir mehrfach angehört. Ich wollte diesen jetzt gar nicht mehr minimalistischen, sondern aufgeblähten, mit Coldplay-esken Gitarrengejaule vollgestopften Mitgrölsongs eine Chance geben. Aus Liebe zu den Cold War Kids. Aber es ging nicht. Und ich kann mir das bis heute nicht anhören. Wie heißt es immer im Tatort—mehr als 90 Prozent der Morde sind Beziehungstaten. Und was die Cold War Kids da machten, fühlte sich an, wie wenn dir jemand ein Messer in die Brust rammt, den du liebst und von dem du dachtest, dass er dich ebenfalls liebt. Unvorbereiteter Schmerz, tiefe, sehr tiefe Enttäuschung. Es war aus.

Egal. Abgehakt. Vergessen. Ich tat so als hätte sich die Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens aufgelöst—bis vor drei Wochen die Promo des neuen Albums auf meinem Tisch landete. Ich wollte eigentlich nicht, aber die Mischung aus Nostalgie, Rest-Gefühlen und Masochismus war stärker als ich und zwang mich, die Platte zu hören.

Es war wie mit der Ex ins Bett zu gehen. Es befriedigt deine Lust, es erinnert dich daran, dass du sie mal geliebt hast, es ist geil—und es ist widerlich. Du schämst dich in der Sekunde, in der deine Geilheit vorbei ist. Sofort. Du fragst dich, warum du das gemacht hast, du kannst deiner Ex nicht mehr in die Augen blicken.

Aber etwas war doch anders.

Denn ich schlief nochmal mit ihr, respektive hörte mir das Album nochmal an. Und nochmal und nochmal.

Anzeige

Ich weiß nicht genau, was es ist, aber die neue Cold War Kids Platte ist einfach nicht so scheiße wie Mine Is Yours. Sie ist auch nicht annähernd so gut wie die ersten beiden Alben. Sie ist seltsam schizophren, sie ist scheiße und gut zugleich. Der Opener „Miracle Mile“ zum Beispiel ist eine fast schon parodistische Mischung aus Villagers „Nothing Arrived“ und Miike Snows „Animal“. Du hörst den Song und denkst dir, was soll der Scheiß, können die keine eigenen Lieder mehr schreiben? Und dann kannst du trotzdem nicht aufhören, dir dieses Ding anzuhören, weil es so brutal eingängig ist.

Der nächste Song „Lost That Easy“ macht dieselben Fehler wie das komplette letzte Album—er ist bis zum geht nicht mehr durchproduziert, mit satten Bässen, Chören, mehrspurige Gitarren. Aber er ist dabei ein guter Song. „Loner Phase“ überproduziert, aber okay. „Fear & Trembling“, gar nicht so übel, hat was früher. Und so weiter und so fort.

Es ist verrückt. Ich liebe dieses Album nicht, aber es ist okay. Ich verbringe gern ab und zu etwas Zeit mit ihm. Als die Beziehung von Cold War Kids und mir vor zwei Jahren im Streit auseinanderging, hätte ich das nicht geglaubt, aber jetzt: Ja, vielleicht können wir Freunde bleiben. Wir können es zumindest mal versuchen.

**

Ayke weiß selbst nicht, was er von dieser On/Off-Beziehung halten soll, in der er da geraten ist. Wie es zwischen ihm und Cold War Kids weitergeht, erklärt er euch bei Twitter: @tamidemusic.

Anzeige

Folgt Noisey bei Twitter und Facebook für tägliche Updates über eure Lieblingsmusiker.


MEHR VON NOISEY

Der unfassbare Lizensierung-Thriller um Mobys „Play“

Moby stand kurz vorm Architekturstudium, bis er das Lizensieren für sich entdeckte. Seitdem regnete es für ihn $$$.

Woodkid will laut sein

Wir haben mit dem französischen Musiker über seine Liebe zu Kendrick Lamar, (nicht) zickige Popstars und die Möglichkeit, nie wieder ein Woodkid-Album zu machen, gesprochen.

Die Glatzendichte unter Yo La Tengo-Fans ist extrem hoch

Aber warum? Hier sind ein paar Vermutungen.