FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Jeremy von The Dirty Skirts ist überhaupt nicht Berlin-fit

The Dirty Skirts sind in ihrer Heimat Südafrika Stars, hier kennt sie niemand. Wir haben Sänger Jeremy gefragt, woran das liegt.

Kapstadt ist nicht unbedingt weltbekannt für Indie oder Alternative Rock. Überhaupt schafft es nur wenig Musik aus Südafrika bis nach Europa—Die Antwoord, klar, vielleicht noch Dear Reader und Zola, aber sonst? The Dirty Skirts aus Kapstadt sind in Südafrika eine der bekanntesten Alternative Rockbands, aber hierzulande? Fehlanzeige. Und das obwohl Frontmann Jeremy de Tolly aktuell hauptsächlich in Berlin lebt. Das macht er allerdings nicht, um in Europa berühmt zu werden, sondern eher um zu sich selbst zu finden und neue Kreativität zu entwickeln, wie er mir im Interview erzählte.

Anzeige

NOISEY: Hey Jeremy! Wie lange bist du nun schon in Berlin?
Jeremy: Seit knapp zwei Monaten.

Was hat dich nach Berlin geführt?
Ich bin nach Berlin gekommen, um zu schreiben, irgendwie zu arbeiten, um Leute kennen zu treffen, Kontakte zu knüpfen und mir Zeug anzuhören, um zu sehen, was hier so passiert. Aber eigentlich bin ich hier her gekommen, um mich zu konzentrieren und von zu Hause rauszukommen.

Hast du bereits einige Leute kennengelernt?
Ich habe noch nicht sooo viele Leute getroffen. Ich habe diese seltsame Spannung gespürt. Auf der einen Seite wollte ich raus und Menschen kennenlernen und auf der anderen Seite wollte ich nicht wirklich jemanden kennenlernen, sondern in meiner Wohnung bleiben und arbeiten … mich vor meine Maschine setzen und Musik machen.

Ich kann mir vorstellen, dass sich das in Berlin etwas schwierig gestaltet.
Oh ja … ich meine, die Partyszene in Berlin ist ein wenig anders als in Kapstadt. Niemand steht wirklich um sieben Uhr auf, um auf eine Party zu gehen, es sei denn es ist eine Tranceparty. Hahaha!

Ich muss mir auch immer überlegen, ob ich am Samstag früh ins Bett gehe und Sonntag morgens aufstehe, um feiern zu gehen…
Ja, das ist echt fremd und irgendwie seltsam. Ich bin noch nicht so wirklich Berlin-fit. Hahaha. Also von daher, bin ich tatsächlich nach Berlin gekommen, um zu schreiben.

Du kommst aber eigentlich aus Kanada, richtig?
Na ja, eigentlich nicht. Ich bin aus Kapstadt. In Kanada, in Toronto, wurde ich nur geboren. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich in Südafrika gelebt und in Kapstadt. Das ist meine Heimat.

Anzeige

Okay, ich war mir nicht sicher und habe mich gewundert, was einen Independent-Musiker nach Südafrika verschlägt, wo diese Art von Musikszene unwichtiger ist, im Vergleich zu Kanada … Was denkst du generell über Musik in Südafrika?
Die Musikszene ist echt groß und wirklich gut. Sie ist zwar nicht riesig, aber es gibt viele verschiedene Szenen und Künstler aus der ganzen Welt. Es ist so—in Südafrika gibt es diesen unheimlichen Mix, aus unfassbarer Armut und unfassbaren Wohlstand. Wenn du nach Südafrika fährst, siehst du eine Menge Geld und gleichzeitig siehst du viele Menschen, die nichts haben. Sagen wir mal, 80% des Landes hat nichts. Es ist echt eigenartig. Daher hören vielleicht ca. 3 Millionen Menschen irgendwelche Westernmusik, im ganzen Land. Es existieren aber noch einige andere Szenen. Die Musik die ich mache, hören zwar weniger Leute, aber trotzdem ist es eine sehr, sehr gesunde Szene und es kommt echt spannende Musik dabei herum.

Kannst du mir ein paar Sachen empfehlen?
Ja klar! Hast du schon mal von Die Antwoord gehört?

Ja, das war meine nächste Frage. Haha. Ich kenne Die Antwoord und Dear Reader. Dear Reader kommen auch aus Südafrika, oder?
Ja, Dear Reader kommen aus Südafrika. Es gibt aber noch viel, viel, viel mehr. Ich habe jetzt Die Antwoord genannt, weil sie momentan scheinbar jeder kennt.

Dear Reader leben mittlerweile auch in Berlin, so viel ich weiß…
Ja genau, Dear Reader haben sich in Berlin niedergelassen. Aber es gibt echt noch so viele andere gute Künstler … Wenn du mir deine Emailadresse gibst, dann kann ich dir einige Links schicken. Es gibt eine große Rockszene, Alternative Rock, Indie und eine Menge Electro. Hast du schon von Spoek Mathambo oder BLK JKS gehört? Erinnere mich daran, dann schicke ich dir eine Liste mit Künstlern. Eines der Dinge an Afrika ist, dass es ziemlich teuer für uns ist, aus Kapstadt herauszukommen, um nach Europa zu kommen. Wir sind Künstler in Europa und na ja … zwei Stunden im Zug und du bist in einem anderen Land oder in vier Stunden bist du wieder ganz woanders. Stell dir mal vor, die Distanz von Kapstadt nach Johannesburg ist ungefähr so, wie von Berlin nach London. Haha. Es ist echt merkwürdig, wir sind so weit weg, von allem anderen. Afrika ist nicht so an Rockmusik interessiert und auch nicht so sehr an elektronischer Musik. Wir haben uns gedacht „Verdammte Scheiße, es wird Zeit, dass ihr euch unser Musik anhört. Es ist schwieriger für uns, in die Europäische Szene einzubrechen.

Anzeige

Deine Band ist The Dirty Skirts. Habt ihr euch in Kapstadt kennengelernt?
Wir sind alle aus Kapstadt.

Ihr wart also schon vorher befreundet und habt euch überlegt, zusammen Musik zu machen.
Nun, der Gitarrist und ich sind Freunden, wir haben uns vielleicht sechs Monate oder ein Jahr vorher getroffen. Wir waren gelangweilte Musiker und dachten uns: „Oh man, was tun wir.“ Also haben wir eine Band gegründet. Wir waren ziemlich mies, als wir angefangen haben, mit weißen Anzügen und so … Echt schlecht. Haha!

Wie würdest du The Dirty Skirts beschreiben?
Wir sind einfach eine Alternative Rockband. Wir hatten eine Menge verschiedene Sounds im Laufe der Zeit … Es ist Alternative-Rock.

Ihr habt den South African Music Award für The Best Alternative Album gewonnen. Habt ihr das erwartet?
Joooaa … wir waren schon für das letzte Album nominiert, aber wir haben nicht gewonnen. Diese Mal haben wir den Award gewonnen, es ist echt super guter Wettbewerb dafür. Wir haben uns echt gefreut. Ich meine, wir haben sieben oder acht Jahre hart gearbeitet und dachten uns, jetzt wird es langsam Zeit. Wir haben uns den Arsch aufgerissen… Haha. Wir waren viel unterwegs und waren viel auf Tour. Wir konnten endlich sagen: „Hey, wir haben einen guten Job gemacht!“

Ihr habt auch schon einige internationale Gigs gehabt. Würdest du sagen, dass es einen großen Unterschied, zwischen dem Publikum in Europa und dem Publikum in Südafrika gibt?
Nun ja. Im Sport spricht man vom Heimvorteil. In Kapstadt und auch sonst in Afrika kennen uns die Leute. Aber je weiter du weg fährst von Zuhause, desto weniger bist du bekannt und du musst das Publikum überzeugen, dass du fantastisch bist und du MUSST fantastisch sein. Du musst die Leute vom Hocker hauen. Wir genießen es sehr. Wir haben in den merkwürdigsten Bars gespielt… Es war echt anders, aber die Leute waren aufgeschlossen und ich glaube, es hat ihnen gefallen.

Anzeige

Habt ihr schon mal in Deutschland gespielt?
Nein, noch nicht. Wir würden es gerne. Aber wir wollen versuchen klug zu bleiben, was Musik angeht. Sicherlich kann man in jeder winzig kleinen Bar spielen, quer durch alle Länder touren. Es ist lang und hart und irgendwie langweilig. Wir wollen möglichst viel Energie in unsere Shows stecken und die besten Shows spielen, zu denen wir in der Lage sind. Wir ziehen es vor, weniger zu spielen, aber dafür dann besser und nicht in irgendwelchen seltsamen Bars zu stehen.

Du machst noch einige andere Projekte. Ich habe mir dein Soloalbum Piano Nocturnes angehört. Ich war total begeistert. Denkst du, es ist wichtig als Künstler, anderen Musikrichtungen gegenüber aufgeschlossen zu sein?
Für mich ist es wichtig. Ich weiß nicht, ob es anderen Künstlern wichtig ist. Ich wollte etwas sanftes, nach einem doch ziemlich harten Rockalbum machen. Ich konnte nicht einmal Klavier spielen.

Hast es denn schon länger geplant oder war das eher eine spontane Idee?
Es ist so passiert. Wenn du mich vor vier Jahren gefragt hättest—„Hey, willst du ein Pianoalbum aufnehmen?“—dann hätte ich dich wahrscheinlich ausgelacht. Es ist einfach so gekommen und ich bin echt glücklich darüber. Ich wusste nicht einmal, wie man Piano spielt.

Klavier ist ein unglaublich schönes Instrument.
Das ist ein wuuuunderschönes Instrument. Aber der beängstigendste Part war, das Ganze live zu performen. Ich spiele schon ewig Gitarre und singe und ein bisschen Synthies … Aber vor einem riesigen Publikum auf dem Piano zu spielen, vor Journalisten vom Rolling Stone und vor vielen anderen großen Magazinen … Das war echt unheimlich. Um ehrlich zu sein, war ich noch nie so nervös in meinem Leben. Alles in mir war zitterte und meine Hände waren total verkrampft. Es war schrecklich. Aber jetzt ist alles cool, es ist ja vorbei. Hahaha!

Anzeige

Ich war echt super beeindruckt, als ich das gehört habe.
Wie hat sich das Pianoalbum für dich angehört?

Oh, wie soll ich das beschreiben … Ich saß an meinem Schreibtisch bei der Arbeit und konnte 15 Minuten lang nichts machen. Ich habe bloß zugehört.
Danke, das ist cool. Was wirklich merkwürdig an dem Album ist, dass mir wahrscheinlich mehr Leute darüber geschrieben haben, als bei den Dirty Skirts. Ich denke das liegt daran, weil es ein sehr persönliches Album ist. Ich habe diese verrückten Mails von Leuten bekommen, die mir erzählt haben, sie hätten geweint, als sie es sich gehört haben.

Ich denke das liegt daran, weil Klavier auch ein unglaublich gefühlvolles Instrument ist.
Ich hoffe doch. Mit den Dirty Skirts haben wir die Leute nicht wirklich zum Heulen gebracht … mehr zum Tanzen. Haha!

Hast du momentan noch andere Projekte am Laufen?
Ich bin momentan mit einem Elektroprojekt beschäftigt … ziemlich außergewöhnlich, das ich hier in Berlin fertigstellen werde. Es hat irgendwie was von … einem verrückten mexikanischen Bandito Electro. Hahaha!

Ich bin echt gespannt! Meinst du Berlin war dabei ein großer Einfluss?
Auf jeden Fall. Meistens höre ich Rockmusik. Nach Berlin bin ich gekommen, wegen der Elektro-Szene. Vor The Dirty Skirts habe ich ein wenig Electronica gemacht, Bedroom Musicians … Dann bin in Richtung Rock gegangen. Jetzt geh ich wieder mehr zurück in die elektronische Richtung. Und Berlin ist der perfekte Ort, um es hier zu hören. Es gibt eine Menge gutes Zeug und es macht wirklich Spaß. Die Clubs hier sind verrückt… Haha.

Warst du im Berghain?
Oh ja, ich war Berghains Bitch. Hahaha!

Was sind deine Projekte für die Zukunft? Irgendwelche Ideen oder Wünsche?
Ich schreibe weiterhin viel und versuche so viele Dinge zu tun, wie ich nur kann. Im November oder Dezember komme ich wahrscheinlich zurück nach Berlin. Vielleicht einige Pop-Up Shows mit dem Piano und mit Elektro machen … Wir werden sehen. Vielleicht kommt auch wieder was mit The Dirty Skirts.

Ja, ihr müsst nach Deutschland kommen. Deutschland ist Musik gegenüber wirklich offen.
Auf jeden Fall. Ich habe nach und nach Leute kennenglernt und es war echt nett. Alle waren super freundlich. Es ist ein bisschen wie Kapstadt. Es gibt dort so viele verschiedene Kulturen und du musst miteinander klarkommen, egal wer du bist und woher du kommst. Ich denke, in Berlin ist es ähnlich. Ich empfand die Menschen sehr offen. Vielleicht komme ich im Winter wieder, wenn alles so schön deprimierend ist, um neues Zeug zu schreiben. Genau deswegen will ich hierher kommen. Nach einem schönen Sommer in Kapstadt, nach Berlin und depressiv werden. Hahaha. Ich bin Künstler, ich denke es ist eine gute Idee. Mal schauen, was dabei herum kommt, wenn ich mich in eine merkwürdige Situation bringe … Vor allem, weil ich diese Kälte nicht kenne. Haha.

Sehr schön! Vielen Dank, Jeremy.
Ich danke dir!