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Interviews

Isaiah Rashad—Immer in Bewegung

Wir haben uns mit dem Neuen bei TDE über sein Debüt, das Üben von Ausübung und Selbstmordgedanken unterhalten.

Chattanooga, Tennessee ist scheiße langweilig. Alles an dieser Stadt ist ländlich und trostlos, wenn du nicht gerade eine berufliche Karriere in so attraktiven Branchen wie Fastfood oder Telekommunikation anstrebst. Es ist eine Stadt, die auf traditionellen Werten und sonst nichts gebaut wurde—du brauchst dir nur mal kurz die Muskogee-Redewendung anschauen, von der der Name der Stadt abgeleitet wurde. Übersetzt bedeutet Chattanooga „Felsbehausung“. Trotz der ganzen Bodenständigkeit und seiner anderen felsähnlichen Qualitäten ist Chattanooga nicht wirklich der richtige Ort für jemanden, dem Veränderung wichtig ist.

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Seit der zehnten Klasse gibt es in Isaiah Rashads Leben keine Konstanten mehr, die sich länger als zwei Monate am Stück halten. Musikbegeistert ist er schon, seit er mit Frankie Beverly aufgewachsen ist, aber in der neunten Klasse kam dann eine neue Leidenschaft hinzu: Frauen. Danach war sein Leben ein ständiger Tumult. Seine neue Leidenschaft hielt ihn davon ab, Jobs oder Wohnorte für längere Zeit beizubehalten. Neue Mädchen bedeuteten neue Abenteuer, bedeuteten weniger Zeit für die Schule oder um pünktlich bei der Arbeit aufzutauchen. Seine Passion für Musik war etwas, dem er in seiner Freizeit nachging. Er freestylte auf Beats von MF Doom oder Flying Lotus und lud das auf seiner Soundcloud hoch und er nahm halbfertige Songs mit seinen Sandkastenfreunden auf, die inzwischen Producer geworden waren: The Antydote, D.Sanders und Chris Calor. Letztendlich führten seine sexuellen Eskapaden dazu, dass er bei Freunden auf der Couch pennen musste, mit einem neugeborenen Baby in seinen Armen und einem Job bei dem Internetanbieter Sprit, von dem er direkt wusste, dass er nicht lange halten würde.

„Ich finde es gut, wenn in meinem Leben etwas geschieht. Ich mag Veränderung. So ist mein Leben bis jetzt auch immer gewesen, irgendetwas muss immer passieren.“ Isaiah Rashad, inzwischen 22 Jahre alt, hat es Dank der Tatsache, dass er sich darauf einlassen konnte, dass sich viele Menschen für seine Musik interessierten, geschafft, sich aus einer Situation zu befreien, die ein sehr deprimierendes Ende hätte nehmen können. Isaiah schickte seine unfertigen Soundcloud-Files an Journalisten wie Max Pete und Jeff Weiss, die ihm konstruktives Feedback gaben, das Isaiah sich auch zu Herzen nahm. Er flog nach L.A. und traf sich mit einigen A&Rs, die seinen Namen schon aus dem Internet kannten. Am Ende bekam er dann einen Platz bei TDE.

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Anders als die vier Gründungsmitglieder von TDE ist Isaiah nicht in Kalifornien aufgewachsen. Er verkörpert nicht den Streetspirit eines Jay Rock oder erfüllt das Drogendealerstereotyp eines ScHoolboy Q und er spiegelt auch nicht die Unschuld von jemandem wieder, der in einem sehr gewalttätigen Umfeld aufgewachsen ist, wie Kendrick. Isaiah Rashad ist der Ausgestoßene einer kleinen Stadt, das Sorgenkind, das sich mit seinen inneren Dämonen auseinandersetzt, indem es sich in einen Raum einschließt und dann jeden Einzelnen davon vorknöpft. Sein Debüt Cilvia Demo war ein thematisch sehr erwachsenes Projekt für einen 22 jährigen und setzte sich mit Themen wie Isaiahs Beziehung zu seinem Vater, Medikamentenmissbrauch und Selbstmord auseinander. Es ist fast schon quälend menschlich und hat an manchen Stellen noch seine Ecken und Kanten. Durch das TDE Logo auf der Platte waren die Erwartungen natürlich ziemlich hoch, genauso wie durch die Tatsache, dass Isaiah so abliefert, dass man jeden Moment eine „Rigarmortus“-mäßige Lyricsalve von ihm erwartet—was am Ende einige Menschen unbefriedigt zurücklies. Der Kendrickvergleich ist aber auch etwas faul, zumal Isaiahs größter Einfluss aus dem TDE-Camp ScHoolby ist: Setbacks und Habits & Contradictions nennt er beide als die Alben, die ihn bei seinen Aufnahmen zu Cilvia Demo inspirierten.

Jetzt gerade läuft Isaiah während seines Soundchecks durch den Tattoo Club in Toronto, um herauszufinden, wen er um Erlaubnis fragen muss, damit er sich seine Zigarette anzünden kann.

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Es ist Isaiahs erste Soloshow überhaupt und sie ist komplett ausverkauft. Er hat zwar den Opening-Slot für ScHoolboy Qs Oxymoron-Tour in den nächsten Monaten. Da diese aber nicht in Kanada halt macht, hat Isaiah sich dazu entschieden, selber in Toronto zu spielen. Während er durch den Laden läuft, ist seine zierlicher Körper ständig in Bewegung, macht dutzende Sachen zur gleichen Zeit, während er mit einem breiten Lächeln alles zusammenhält. Gerade steht er auf der Bühne und gibt ein Telefoninterview, während er sich mit dem Soundtechniker im Hintergrund über Handzeichen verständigt und seine Augen den Raum nach dem Venue Manager abscannen, der ihm die Erlaubnis zum Rauchen geben könnte.

Die Show war am Ende nicht ganz fehlerlos. Einige Missverständnisse zwischen Isaiah und seinem DJ führten zu ein paar verpatzten Übergängen und schlecht abgestimmten Acapellaeinlagen. Nichtsdestotrotz ist Isaiah sichtlich begeistert von der großen Crowd und dem Feedback seiner, technisch gesehen, internationalen Fans. Nachdem er Cilvia Demo in seiner vollen Länge zum Besten gegeben und die dichtgedrängten ersten reihen mit Umarmungen und High-Fives überschüttet hatte, entschied sich Isaiah dafür, etwas unübliches zu machen und nahm Wünsche aus dem Publikum entgegen. Auf das Geheiß von ein paar Halbstarken in den hinteren Reihen, performte er „2x Pills“, einen der unfertigen Soundcloud Songs, die er zwei Jahre vor seiner Zeit bei TDE aufgenommen hatte.

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Wir haben uns mit Isaiah Rashad vor seiner ausverkauften Show in Toronto unterhalten, um über sein Debüt bei Top Dawg, das kreative Zehren von der Vergangenheit und seinen musikalischen Werdegang zu reden.

Noisey: Wie hat sich dein Leben verändert, seit du Cilvia Demo gemacht hast?
Isaiah Rashad: Mein Dad und ich haben jetzt ein ganz gutes Verhältnis, ich schmeiße nicht mehr so viele Pillen ein wie noch vor zwei Sommern, ich hatte früher nicht genug Geld, so viel zu rauchen wie ich wollte, und ich trinke nicht mehr so viel wie früher, ich gehe auch nicht mehr aufs College. Ich lebe jetzt ein halbwegs geregeltes Leben und ich habe noch nie einen Song als normaler Typ geschrieben—ich hatte bisher immer so ein kindliches Umfeld und jetzt lebe ich dieses Erwachsenenleben.

Du hast dir mit deinem Debüt die Latte ziemlich hoch gesetzt.
Leute sehen das immer als Debütalbum, aber es ist kein Album. Für mich ist es der erste Versuch, ein Projekt auf die Beine zu stellen, Basta. Ich habe vorher noch nie eine .zip zusammengestellt. Ich habe vorher noch nie einen ganzen Song fertig geschrieben. Bevor ich zu TDE kam, hatte keiner meiner Tracks eine zweite Strophe.

Hat es für dich etwas Therapeutisches, deine Probleme in Songs zu verarbeiten?
Für mich ist es ein Zeichen dafür, von den Dingen loszulassen. Diese Songs, die ich gemacht habe, und dieser ganze Kram, über den ich geschrieben habe, ich kann über diese Scheiße nicht mehr sprechen. Es ist nicht mehr wichtig, es ist redundant. Es sind keine neuen Sorgen. Es ist in etwa so: ‚Verdammt, du bist jetzt 22. Lass sie einfach ziehen, konzentriere dich auf etwas anderes. Such dir ein paar neue Probleme.’ Ich möchte lieber über andere Sachen sprechen. Ich möchte mich spirituell weiterentwickeln, das ist ein Problem, über das ich mit dir reden kann. Ich will mich innerlich weiterentwickeln, spirituell.

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Also wirst du jetzt anfangen, über Religion zu rappen?
Alles bei mir ist ineinander verflochten. Für mich gibt es keine Religion, Religion ist nur eine Form von Ausübung. Wenn du deinen Fokus zu sehr auf den Begriff „Religion“ legst, wirst du zu viel darüber und über die ganzen anderen Aspekte nachdenken, die damit dranhängen, anstatt an deiner Spiritualität zu arbeiten, an dem eigentlichen Glauben und daran, ein ordentlicher Mensch zu sein. Du darfst nicht auf die falschen Dinge Wert legen. Übe dich nicht in der Ausübung. Übe das, was du erreichen willst. Übe durch handeln, nicht nur dadurch, dass du dich auf die falschen Dinge konzentrierst. Wenn du nicht nach deinem Instinkt gehst, wirst du nie das tun, wonach du dich eigentlich sehnst.

Hast du jemals deinen Instinkten getraut und lagst daneben?
Nicht auf eine ehrliche Art. Was so einige Versuchungen anging, da lag ich falsch. Aber bei Dingen, die mir wirklich am Herzen liegen—wie Musik oder eine Person, die mir etwas bedeutet? Niemals! Ich glaub auch nicht, dass du da irgendetwas falsch machen kannst, wenn du das mal auf einer authentischen Ebene betrachtest. Vielleicht machst du mal etwas falsch, aber du machst es aus dem richtigen Grund. Eine authentische Intention ist etwas ehrliches, mit so etwas gehst du auch vorsichtig um. Ehrliche Intentionen sind keine Spontanentscheidungen.

In manchen Songs auf Cilvia Demo sprichst du über Selbstmord.
Als ich 19 war, habe ich oft darüber nachgedacht, mich umzubringen. Ich war auch einige male kurz davor, aber am Ende habe ich dann gekniffen. Es ist nicht wirklich etwas, auf das ich besonderen Wert lege, es ist auch nicht so wichtig. Es ist mehr eine flüchtige Anmerkung, eine von den vielen Sachen, die in meinem Leben vorgefallen sind.

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Wie fühlst du dich, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?
Das ist nur Kram, der in meinem Kopf herumschwirrt. Zeug, das mir mal wichtig war, aber inzwischen nicht mehr ist. Um ehrlich zu sein, ich brauch immer irgendetwas, um mein Gehirn zu beschäftigen. Jetzt gerade konzentriere ich mich auf mein nächstes Projekt, aber ich brauche auch immer etwas zu tun, damit ich das machen kann, damit ich nicht die ganze Zeit über die alten Probleme nachdenke. Aber wenn ich schreibe und Aufnahmen mache, bringe ich mich selber an diese Orte. Es ist ein bisschen so, als ob du dir einen Film mit deinen alten Erinnerungen anschaust. Ich habe ein wirklich lebendiges Gedächtnis.

Worüber wirst du schrieben, wenn du damit fertig bist, deinen ganzen Schmerz auszudrücken?
Schmerz fühlt sich gut an, er ist kurzweilig. Beschissene Sachen können sich gut anfühlen, es sind neue Sinneseindrücke. Aber warum kann ich dich nicht auch mal dazu bringen, fröhliche Sachen zu mögen? Ich kann über Schmerz schreiben, ich kenne das Thema in- und auswendig. Ich will endlich auch mal über etwas anderes schreiben.

Was fühlt sich für dich gerade echt an?
Gerade sehr wenige Sachen, weil die wenigsten Menschen echt sind. Ich habe keine Freunde, ich vertraue Niemandem. Ich hänge zwar mit Leuten ab, aber ich traue ihren Intentionen nicht. Menschen leben auch die Hälfte der Zeit nicht für sich selber, sondern versuchen, jemand anderes zu sein. Die Freunde, die ich momentan habe, sind Freunde, mit denen ich schon lange befreundet bin, die alle ihre eigenen Ziele haben und die diese schon verfolgt haben, bevor wir uns überhaupt zusammengeschlossen haben. Dass wir uns zusammengetan haben, hat es für uns alle nur etwas leichter gemacht. Manche Leute setzen sich nur zusammen, um schnell irgendeinen Scheiß zu starten, und das endet dann meistens damit, dass sich alle versuchen, gegenseitig zu verarschen. Wenn ich jetzt nicht bei TDE gelandet wäre, würde ich immer noch versuchen, den gleichen Scheiß zu machen, und meine Homies wären immer noch Producer und alle würden sich wie gehabt weiterentwickeln.

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Was ist in deinem Leben gerade deine größte Sorge?
Wo ich mir die Haare schneiden lassen kann. Ehrlich, früher hatte ich oft keine Kohle für den Friseur, aber jetzt kann ich mir solche Sachen leisten. Meine Art zu denken hat sich noch nicht geändert, aber ich versuche, das hinzubekommen. Ich versuche mich auf das nächste Kapitel in meinem Leben einzulassen, aber ich verhalte mich immer noch so, als ob ich total pleite bin. Ich habe keine Probleme, weil du einfach keine Probleme hast, wenn du pleite bist, solange es keine offenen Rechnungen gibt. Dank TDE habe ich keine offenen Rechnungen.

@SlavaP ist Journalist und lebt in Toronto

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