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Interviews

Interview: Mortis macht sich angreifbar

Mortis hat sich lang genug in seiner Komfortzone versteckt, jetzt geht er an die Öffentlichkeit—auch wenn er sich damit der Kritik stellen muss.

Fotos © Max Winter

Ein paar Realkeeper werden ihm vorwerfen, früher wäre er viel besser gewesen, da hat er noch auf „reale“ Beats gerappt. Alles Quatsch werden dagegen Leute bestätigen, die sich mal intensiv mit der neuen EP Der Goldene Käfig auseinandergesetzt haben, denn darauf befindet sich Rap der feinen Sorte und ein Vorgeschmack auf das, was da noch folgen wird. Immer wieder bezeichnet Marc Junge aka Mortis den frühen Kanye West als einen großen Einfluss für seine eigenen Produktionen (nur mit ein bisschen weniger Wahnsinn). Die EP zeigt einen jungen Mann in den Zwanzigern, der sich sehr intensiv mit seiner Umgebung auseinandersetzt und seine eigenen Wurzeln aufarbeitet.

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Noisey: Im Intro deiner neuen EP stellst du diese Frage bereits und ich möchte sie an dich zurückspielen, wie wird man ein guter Mensch?
Mortis: Es hat auf jeden Fall sehr viel mit eigenen Moralvorstellungen zu tun. Ich denke das wichtigste ist es, seinen Prinzipien treu zu bleiben. Ich persönlich versuche meiner Umwelt gegenüber Respekt zu geben, diesen Respekt erwarte ich natürlich auch zurück. Die Leute sollten rücksichtsvoll miteinander umgehen und auch Verständnis zeigen für bestimmte Situationen, in denen andere Leute betroffen sind.

Ist Mortis denn ein guter Mensch?
Marc Junge ist auf auf jeden Fall einer. Ich schlage natürlich auch gern mal über die Stränge, aber das mache ich selten auf die Kosten anderer Leute. Ich komme sehr gut mit allen Leuten aus und gebe jedem die Möglichkeit eine enge Ebene aufzubauen.

Im Intro zur EP finden sich neben dem oben genannten viele Rapzitate wieder. War es dir wichtig zu zeigen, wo du herkommst?
Ich mag Referenzen sehr gerne. Ich freue mich auch immer wenn ich auf anderen Platten Referenzzeilen hören, weil ich selbst Fan bin. Da das jetzt mein erstes Release ist, wollte ich das unbedingt machen.

Du hast mit dem Song „Zuhause“ etwas für deine Wurzeln geschrieben und den Leuten erzählt, wo du herkommst. Dabei könnte man im Umkehrschluss natürlich auch denken, du fühlst dich in Berlin gar nicht zu Hause?
Ich muss nur irgendwo ein, zwei Tage sein und fühle mich da zu Hause. In dem Song beschreibe ich, wo ich meine Wurzeln habe. Ich war Jahre lang ohne Wurzeln und ich habe erst mit 27 Frieden mit meinen Wurzeln geschlossen und das alles nur durch diesen Song, weil ich mich das erste Mal damit befasst habe. Wenn du so ein Provinzkind bist, das viel erleben will und sehr trotzig weggeht, dann sammelst du erst einmal überall deine Erfahrungen und deine Wurzeln geraten in den Hintergrund.

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Was war denn der Grund wegzugehen, wolltest du weg von den Eltern und aus dem Dorf?
Beides. Du bist jung und willst dich emanzipieren von den Eltern. Du bist halt im Dorf ein bunter Hund wenn du da mit dem Ghettoblaster durch die Gegend läufst, Wände ansprühst und jeder weiß, dass du es bist und deine Eltern werden von Nachbarn vollgelabert. Ich habe einen starken Drang rumzukommen. Ich bin ein ziemlicher Nomade, ich kann nirgendwo länger als ein Jahr wohnen. In Hannover bin ich in acht Jahren zehn mal umgezogen.

Bei den ganzen Umzügen warst du auch mal in der Situation keine Wohnung zu haben. Wie ist das gekommen und auf was lag dein Fokus, wenn es dir zu dem Zeitpunkt egal war, ob du eine Wohnung hast?
Künstler sind ja oft voll die Sozialkrüppel und können sich nicht den normalen Gegebenheiten anpassen. Bei mir ist das halt genau so. Das war in der Zeit von Carlotta, aus dem gleichnamigen Song. Das war die erste Frau mit der ich zusammengewohnt habe, wir hatten eine geile Wohnung und dann habe ich mich von ihr getrennt, sie ist ausgezogen und ich hatte die Wohnung noch einen Monat. Ich war halt voll am Arsch und habe mich um nichts gekümmert. In der Zeit ist auch ein Lied namens „Straßenköter“ entstanden und mir kam dieser Gedanke, ich bin kein Mann. Mir wurde bewusst, dass ich ein Dach über dem Kopf brauche und ich muss für eine Familie sorgen können. Mir wurde dann auch bewusst, dass ich nicht immer nur erzählen kann, dass ich ein krasser Künstler bin, sondern es den Leute auch mal beweisen muss. Ich mache jeden Tag Musik, aber ich habe mein Energie nie gebündelt und mich auf etwas fokussiert.

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Ist die EP denn jetzt ein Beweis für die Leute, dass du ein krasser Künstler bist?
Die EP ist für mich ein Statement meines musikalischen Status Quo. Viele Leute kennen mich ja nur vom Feiern und wissen nicht, dass ich Musik mache. Jetzt kann ich was vorzeigen.

Was hat denn gefehlt, dass du nichts zum Vorzeigen hattest. Lag das auch an den eigenen Möglichkeiten?
Das hat etwas mit dem eigenen Horizont zu tun und dass du eine Disziplin an den Tag legen musst, damit einfach mal rauszugehen. Vorher bist du halt auch immer deiner Komfortzone und nicht angreifbar.

Bist du denn mit der Abgabe entspannt umgegangen oder wurdest du jetzt erst richtig nervös, weil jetzt die ganzen Kritiken auf dich zukommen?
Ich bin ja keine 18 mehr und weiß, wie ich Dinge von wem zu deuten habe. Ich habe von sehr vielen krassen Musikern, von denen ich auch selbst Fan bin, konstruktive Kritik bekommen und ich habe meinen inneren Kritiker zufriedengestellt. Alles andere ist mir voll egal, ich lasse mir nicht von einem 15-Jährigen erzählen, der die Songs kurz durchskippt. Du musst dir eine halbe Stunde Zeit nehmen und wenn du mir dann was über die Arrangements, die Samples, die Drumpatterns oder die Reime erzählt, dann nagt das an mir, aber vieles ist ja auch Geschmack. Ich weiß ja, was ich bedienen will und es ist ja auch geil, wenn das bei den Leuten Reibung erzeugt. Ich weiß auch, dass ich Sitzfleisch brauche um diesen musikalischen Ansatz salonfähig zu machen.

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Was macht der Produzent Mortis, wenn er nicht für den Rapper Mortis arbeitet?
Ich mache den ganzen Tag Beats, jeden Tag. Ich digge Samples, spiele Sachen ein und manchmal höre ich mir meine alten Beats an und lasse mich durch die Musik, die ich gemacht habe inspirieren. Wenn ich dann eine Skizze habe und mir eine Person in den Kopf kommt, schicke ich ihm das direkt.

Du hast die EP zusammen mit Nobodys Face gemacht, ist das auch das Team fürs Album?
Ich denke, es wird noch ein bisschen autarker. Ich möchte noch mit vielen anderen Produzenten arbeiten. Es wird jetzt noch mal eine kleine Findungsphase geben und habe schon sehr viel vorproduziert und auch durch die Arbeit an der EP viele neue Menschen kennengelernt.

Auf der EP ist auch ein Feature mit Marteria. Zufall oder Kalkül?
Zufall. Du musst dir das ja so vorstellen. Der gibt kaum Features und wir kennen uns schon eine Weile. An dem Tag als der Song entstanden ist, war er zufällig im Studio. Er hat die EP gehört und wollte unbedingt drauf. Er hat direkt geschrieben und aufgenommen.

Am 14.02. wird es in Berlin eine Releaseparty geben, mehr Infos bei Facebook.

Die Ep Der Goldenen Käfig kann hier bestellt werden.

Folgt Sascha bei Twitter: @DeutscheWorte

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