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Interviews

Olli Banjo hatte auch Sex vor der Ehe

... Aber er ärgert sich darüber. Der Rapper spricht zu Feier seines neuen Albums ‚Dynamit‘ mit Staiger über Triebe, den Zölibat und seinen tief verankerten christlichen Glauben.

Foto: Miguel de Paula

Olli Banjo wirkt entspannt, als wir uns im Hotel California am Kurfürstendamm treffen. Von außen möchte das Haus protzen, mit Kristallkronleuchtern in der Lobby, großen Spiegeln, Messingschildern und dem roten Teppich im Eingangsbereich. Der Frühstücksraum dann allerdings ist ziemlich ernüchternd. Massenabfertigung von Berlintouristen. Kantinenflair. Dafür kontrolliert aber keiner, ob ich tatsächlich Hotelgast bin und so bekomme ich meinen Capuccino umsonst. Um auch noch am Frühstückbuffet zuzuschlagen, fehlt uns leider die Zeit. Es ist kurz nach neun, der nächste Termin kommt schon um zehn und aufgrund der Rätselhaftigkeit des aktuellen Banjo Albums Dynamit haben wir doch so einiges zu besprechen. Doch zunächst gilt es Grundsätzliches zu klären.

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Es geht um die vierjährige Pause, die eigentlich keine war, weil Olli Banjo in dieser Zeit an seinem ganz persönlichen Detox gearbeitet hat. Das lang angekündigte Rock-Projekt namens Wunderkynd ist bis heute nicht erschienen, dafür hat sich Banjo in der Zwischenzeit mit den Krauts angefreundet und dem Tocotronic-Beatsteaks-Olli-Schulz-und-was-weiß-ich-noch-alles-Produzenten Moses Schneider. Dieser Einfluss war anscheinend so inspirierend, dass Olli dann auch selber zum Beatbastler wurde und plötzlich wieder Lust auf Rap bekam. Heraus kamen dann eher englandbeeinflusste Instrumentals, die sehr gut zu seinem assoziativen Reimstil passen. Überhaupt England. Auch optisch setzt sich die Insel auf „Dynamit“ durch, was man schon in der ersten Singleauskopplung „Träumer“ sehen konnte. Da tauchte plötzlich ein Pferd in der Großstadtkulisse auf. Pferde im Video? So etwas gab es doch bislang nur auf der britischen Insel und entsprechend seltsam wurde dieser Wunsch dann von Videoproduktionsfirma und Statisten aufgenommen.

Banjo: Wir waren da in nem Kölner Ghetto und die Kids dort hatten noch nie ein Pferd gesehen. So ein Pferd ist halt auch richtig groß und ich hab mich da voll eingeschissen. Streetcinema, die das gedreht haben, haben ja bislang eher so Bushido Videos und Farid Bang gedreht. Und ich komm dann an und sag: Ich will ein Pferd und ich will dass der Yelm in meinem Video Ausdruckstanz macht. Das haben die erstmal gar nicht verstanden.

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Nicht verstanden zu werden ist allerdings nichts, wovor Olli Banjo Angst hat und in diesem Sinn ist Dynamit auch als eine Art künstlerische Emanzipation zu verstehen. Weg von den überkommenen Klischees. Weg von den alten Beats. Weg von der Style-verliebtheit, die für alte Banjo-Platten kennzeichnend war und ihm den Ruf als exzellenten Techniker, aber leider auch ein wenig langweilig einbrachte. Alles weg, denn Reimtechnik ist mittlerweile nur noch ein Mittel zum Zweck für den Wahlkölner.

Banjo: Ich bin ja total technikverliebt gewesen früher. Mittlerweile denk ich da nicht mehr drüber nach. Ich hab versucht, mir Worte aus dem Herz zu reißen und die hinzuspucken und dadurch was Tiefes zu erzeugen. Immer wenn du den Umweg gehst und eine Metapher aufschreibst, dann ist das ein Stück weit Theorie und für den Zuhörer nicht mehr fühlbar. Das habe ich versucht zu vermeiden. Wenn die Metapher noch so geil ist und noch so um die Ecke gedacht, interessiert es mich als erwachsenen Menschen nicht mehr so sehr. Ich mag fühlbare Sätze, die Gänsehaut auslösen und das kann kein komplizierter Vergleich oder irgendeine krasse Metapher erreichen.

Es geht um die Message und tatsächlich geht es um Inhalte. Vor allem Olli Banjos christlicher Glaube steht dabei im Vordergrund. Kein Wunder, hat er sich doch zwei Tage vor unserem Gespräch taufen lassen. So richtig. Mit See und allem Drum und Dran. Olli Banjo hat das Casper-Hinterland-Cover tatsächlich gelebt und so entwickelt sich ein Gespräch über Glaube, Liebe und Moralvorstellungen.

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Banjo: Liebe Grüße an die City Church Andernach. Das ist eine Freikirche und Mike mein geistiger Bruder und Pastor hat mich gestern in den See getaucht und so bin ich seit gestern getauft: Halleluja. Ich wurde als Kind schon in der Katholischen Kirche getauft, aber das ist jetzt halt ein eigenes Bekenntnis. Das war geil.

Ist dir das in den letzten Jahren wichtiger geworden? Man könnte ja den Eindruck haben, wenn man deine öffentlichen Äußerungen so verfolgt.
Banjo: Auf jeden Fall. Das ist mir sehr, sehr wichtig. Mich stört es, dass viele Leute von der Kirche abgeschreckt werden. Ganz klar, da läuft viel Scheiße, aber witzigerweise finde ich den neuen Papst zum Beispiel ganz gut. Allein so eine Kleinigkeit, wie in den Knast zu gehen und den Jugendlichen die Füße zu waschen, das ist schon ganz geil. Trotzdem ist der Song „Ich hoffe der Pabst glaubt an Gott“ der katholischen Kirche gewidmet. Gegen den Zölibat, diesen ganzen Unsinn und was da alles daraus entsteht. Man muss sich vor Augen führen, dass da systematisch Kinder vergewaltigt wurden und keiner mehr drüber redet. Das wurde so quasi als Kavaliersdelikt abgetan. Sind die jetzt in den Knast gegangen? Da war ja das allerhöchste, dass die von ihrem Amt zurücktreten mussten. Das ist doch total verrückt.

Der Zölibat zieht in der Regel halt keine gesunden Menschen an.
Banjo: Der Zölibat ist kompletter Unsinn. Steht auch so nicht in der Bibel. Paulus sagt: Wenn du Gott besser dienen kannst, dann mach es. Aber dort steht nicht, dass du es machen musst. Was macht du denn dann mit deinen Trieben, die ja gut sind, die ja von Gott geschaffen sind. Was machst du denn mit deiner Fantasie nachts? Darf ein Priester onanieren? An was denkt er? Da werden ja Schuldgebirgsgebilde aufgebaut worden, die sind nicht normal.

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Das kann ich bestätigen. Ich bin ebenfalls katholisch und ich wurde während der Beichte, die man anlässlich der Firmung mit 14 ablegen musste auch gefragt, wie es mit den Trieben steht. Da wurde auf jeden Fall versucht, Schuldkomplexe zu erzeugen.
Banjo: Bei mir haben sie das teilweise auch geschafft, so dass für mich Sexualität auch heute noch immer etwas mit Schuld zu tun hat. Zwar sehr unterschwellig und ich weiß, dass es Unsinn ist, aber das hat man irgendwie doch eingetrichtert bekommen. Deshalb ist es gut, dass man drüber redet. Auch in der Gemeinde. Das sind ja alles junge Leute bei uns in der Gemeinde. Gerade letzte Woche hatten wir eine Diskussion darüber und da habe ich mal so richtig ausgepackt.

Hast du manchmal den Konflikt, dass du gerne ein besserer Mensch wärst, als du bist.
Banjo: Oh ja natürlich. auf jeden Fall. Man scheitert natürlich am eigenen Ideal. Aber das ist ja auch Menschsein. Das erwartet Gott oder Jesus ja auch nicht von einem.

Was wäre dein Ideal?
Banjo: Kein Sex vor der Ehe. Das wäre ein Traum.

Warum denn das?
Banjo: Weiß ich nicht. Aber das ist ja Glaube. Ich weiß es nicht, ich glaube es. Das ist der Vertrauensvorschuss, den ich Gott gebe. Weil ich das Gefühl habe, dass es richtig ist. Mein Glaube ist ja sowieso sehr charismatisch, das bedeutet, vom Gefühl her. Ich begreife Gott nicht aus dem Kopf, sondern vom Gefühl her. Und das ist ja auch meine Zerrissenheit. Ich bin ja ein laufender Widerspruch und Doppelmoralist. Einerseits liebe ich Pornofilme. Seit ich 14 bin gucke ich mir das an und andererseits sage ich Sex vor der Ehe ist eigentlich quatsch. Aber ich glaube wirklich, dass Sexualität etwas Heiliges zwischen zwei Menschen ist und es wirklich so gedacht ist, dass sich zwei Menschen treffen und genau das teilen. Sehr exklusiv und ein Leben lang. Ich bin auch noch nie fremd gegangen, wenn ich eine Freundin habe. Insofern habe ich diese Idee schon verinnerlicht. Ich glaube auch daran, dass Sex da ist, um sich fortzupflanzen. Sex sollte nicht so etwas sein, wie ein Treffen zum Squash spielen. Aber hey, ich kann‘s ja auch nicht. Ich hatte ja auch schon Sex vor der Ehe.

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Was wäre der Vorteil einer solchen Enthaltsamkeit?
Banjo: Ich habe Leute kennengelernt aus der Gemeinde, die das geschafft haben und die sind wirklich glücklich. Die haben diesen ganzen Dreck, den wir alle haben, nicht kennengelernt. Dieses: Meine Freundin hat Schluss gemacht. Die ist mit zwei Typen fremdgegangen. Das haben die alle nicht, diesen ganzen Scheiß.

Die haben aber auch keine Geschichten zu erzählen.
Banjo: Das stimmt, aber ich glaube die sind geschützter. Ich habe so viel Dreck in der Liebe erlebt und Leute heulen sich aus bei mir. Gerade auch in der Rapszene, backstage, was ich schon für Sachen gesehen habe, das glaubt man nicht. Da geht das Mädchen mit zwei Rappern mit und lässt sich dann auf dem Hotelzimmer durchnehmen und unten wartet ihr Freund auf sie. Das ist doch nicht gut. Das ist doch degeneriert und weg von dem, wie es gedacht ist, wie es geschöpft wurde.

Aber du scheiterst ja auch immer wieder selbst daran.
Banjo: Ja, an meiner Natur.

Was heißt das?
Banjo: Das heißt, dass ich sehr viel Testosteron habe und sehr triebgsteuert bin und einen krassen Sexualtrieb habe. Und das reibt in mir. Das ist ein Widerspruch, der schwer zu vereinbaren ist. Aber ich habe so eine edle Theorie und ein echtes Leben, das an dieser Theorie scheitert.

Zerfleischst du dich dann auch?
Banjo: Natürlich zerfleische ich mich auch. Aber wenn ich diese Reibung nicht mehr hätte und zu allem ja sagen würde, dann wäre das Sodom und Gomorra. Ich bekomme ja auch sehr, sehr viele Angebote auf Facebook von den Mädels. Wenn ich diese Reglementierung durch den Glauben nicht hätte, dann würde ich das alles mitnehmen. Yolo.

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Fühlst du dich gut, wenn du Angebote ausgeschlagen hast?
Banjo: Ich fühl mich nicht wie Prinz Eisenherz, aber manchmal geht es einem schon besser damit. Kennt man ja. Man hat Sex mit irgendeiner Frau gehabt und man fühlt sich leer am nächsten Morgen. Da ist es besser, dass man manchmal nichts macht. Wenn ich mit Kollegen auf Tour bin, werde ich ja auch der Mönch genannt. Das ist witzig.

Auf deinem Album geht es ja auch um Ehre und Stolz und wie das missverstanden wird. Manchmal habe ich den Eindruck, dass zwar nicht die deutschen Straßenrapper auf die Nerven gehen, aber auf jeden Falle ihre Fans. Habe ich das richtig interpretiert?
Banjo: Zu allererst nervt mich, dass da so ein Johnny tot geprügelt wird. Mit denen, die das gemacht haben, mit denen würde ich mich gerne mal an den Tisch setzen. Das nervt mich und da frage ich mich schon woher kommt das? Was ist das für eine Gesellschaft? Nicht, dass man sich mal prügelt. Das gehört dazu. Das finde ich auch nicht schlimm. Aber dieses Kaputtmachen. Dieses Abstechen. Wo kommt denn das her? Da habe ich mit dem Song „Uzi“ versucht, einen Kanal zu schaffen, wie man selbst Aggressionen abbauen kann. Das ist mir selbst ein großes Rätsel, wie diese Gewaltspirale zustande kommt. Das hat dann nichts mit Ehre oder so zu tun.

Was ist dann Ehre für dich?
Banjo: Wenn ich jetzt richtig deep bin, Dann ist Ehre für mich: Wenn man vergeben kann. Das ist wirklich das Größte. Ich zitiere immer Joyce Meyer, eine Predigerin aus Amerika. Die wurde von ihrem Vater ihr Leben lang vergewaltigt und hat dem Mann später vergeben. Sie hat ihm ein Haus gebaut, er hat sich zu Jesus bekannt: Halleluja. Das ist Ehre!

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Olli Banjo live:
22. Mai Frankfurt - Nachtleben
23. Mai Köln - Underground
24. Mai Koblenz - FH Koblenz

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