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Interviews

„Man braucht einen gewissen Intellekt. Den habe ich“—Farid Bang im Interview

Farid Bangs witzig-asoziale Stumpfheit hat deutschen Gangstarap in seiner Mangel. Zeit, ein paar Fragen zu klären.

Farid Bang ist einer dieser Künstler, die für mich immer ein Rätsel bleiben. Beginnend mit der Fragestellung, ob die Begriffe „Künstler“ und „Farid Bang“ wirklich im selben Satz stehen sollten.

Irgendwie hat das Produkt des 27-Jährigen immer etwas stumpf Vorhersehbares. Doch gleichzeitig ist es so diabolisch, asozial ausgeklügelt, dass ich nie weghören kann. Woher das kommt, frage ich mich. Das unermüdliche Zeigen von Stärke, die ausufernde Fehde mit Südberlin Maskulin, dieses Abziehbild eines Gangstarappers muss eigentlich irgendwann furchtbar langweilig werden. Aber Farid ist dabei eben witzig und herrlich mies. Er ist der Bully, der andere erst auslachen und dann platt machen will. Und kann. 1,4 Millionen Fans auf Facebook und ein Gold-Album sind schwer wegzudiskutieren. Farid ist ein Rätsel, eine Sphinx, ein Konstrukt, das ich nicht durchblicken kann.

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Fälschlicherweise glaubte ich, dass sein fünftes Studioalbum Killa so einige Fragen beantworten würde. Aber statt herkömmlichen Asphalt-Brettern gibt es darauf so eine Art Trap-Techno mit Autotune-Hooks, der sich vom Soundbild eins zu eins in den Billboard-Charts einnisten könnte. Klingt alarmierend, aber überraschenderweise funktioniert es. Farid hat alles im Griff: Disses und absurde Wortspiele, aber auch Liebeslieder—alles ist beeindruckend on point. Killa muss man am Ende als verdammt guten Beitrag zum Gangstarap-Genre anerkennen.

Doch die Frage bleibt, wie diese witzig-abgefuckte Stumpfheit so viele Fans und schlussendlich auch mich kriegen konnte.

Ich brauche Antworten.

Und so sitze ich an diesem Frühlingsnachmittag in Berlin Farid Bang gegenüber. Farid hat noch drei weitere Typen dabei. Und zwar Abu Azaitar, einen MMA-Champion, dessen Bruder Omar und den stämmigen Auftragskiller aus dem Bushido-Disstrack „Das Leben und Sterben des Kenneth Glöckler“. Alle vier fixieren mich, also los geht’s.

Noisey: Bevor wir anfangen—können wir bitte meine Mutter aus dem Spiel lassen?
Farid Bang: Kein Problem.

Was fasziniert dich an Müttern?
In den meisten Fällen haben sie nach der Schwangerschaft Hängetitten. Dadurch sind diese Frauen gezwungen, sich Silikonimplantate einsetzen zu lassen, das spricht auf jeden Fall für sie. Außerdem haben sie viel Freizeit und gleichzeitig viel Erfahrung. Das Schönste aber ist, dass es meistens die Mütter von den richtigen Leuten sind.

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Wie lange willst du noch Mütter in deinen Texten penetrieren?
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ich irgendwann mal eine andere Schiene fahre und über andere Sachen rappe, als über Mütter oder Schwestern von anderen Leuten. Ich wüsste nicht, was da sinnvoller wäre.

Gehen dir die Wortspiele nicht irgendwann aus?
Nee, die Wortspiele wiederholen sich nicht und gehen auch nicht aus. Boxen hat sich in den letzten Jahren immer weiterentwickelt und so verhält es sich auch beim Rappen. Wer kreativ ist und hart arbeitet, findet immer einen Weg.

„Sie ist eine kleine Bitch, die auf ihr Frauenrecht beharrt, sie und deine Schwestern sind für Frauen recht behaart“. Wie lange brauchst du eigentlich für so eine Zeile?
Naja, du musst ein Wort finden, das zwei Bedeutungen hat. Das ist gar nicht so einfach. Wie reden nicht von einsilbigen Wörtern wie „ist“ und „isst“. Man braucht einen gewissen Intellekt um auf solche Wortspiele zu kommen. Den besitze ich.

Wir treffen uns hier in Berlin. Ist es für dich etwas besonderes, dich in der Hauptstadt aufzuhalten?
Berlin ist ja für mich die Höhle des Löwen, aber ich bin hier immer herzlich willkommen, außer vielleicht beim Pallas. Aber ansonsten habe ich in Berlin viele Freunde und Bekannte.

Ist es für dich hier einfacher, weil dein Rivale Fler gerade schwer angeschlagen ist und du einen neuen Verbündeten in Bushido gefunden hast?
Ich schließe jetzt keine Freundschaften, nur damit ich nach Berlin darf. Auch wenn ich mit manchen Protagonisten nicht befreundet war, gab es keine Rivalität oder Feindschaft mit bestimmten Leuten, die in Berlin was zu melden haben.

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Was macht die Kunst des guten Dissens aus?
Die Kunst des guten Dissens ist es, seinen Gegnüber so weit wie möglich runterzuziehen, entweder auf eine übertrieben lustige oder primitive Art und Weise. Es gibt da keine Formel für, aber wenn das einem gelingt, dann hört man das raus. Du musst aber auch der Typ dafür sein. Ich war in der Schule auch derjenige, der die anderen immer gehänselt hat und deswegen fällt mir das Dissen sehr einfach.

Eines deiner Lieblingsopfer, Laas Unltd, hat für viele ein legendäres Battle bei Rap am Mittwoch hingelegt. Hast du den Auftritt gesehen?
Ich habe ein Battle von dem gesehen, aber ey, ich bitte dich. Die batteln sich doch hier in Berlin in irgend so einer Disko im Keller, oder? Alter, der Typ rappt seit 10,15 Jahren. Stell dir mal vor, ich bin seit zehn Jahren dabei und dann rappe ich da in so einem Bunker. Wenn es so weit ist, nehme ich mir ein Stück Brot, setze mich auf mein Grab und warte ab.

Wann verschwimmt beim Dissen die Grenze zwischen Show und Ernst?
Wenn es persönlich wird. Wenn persönliche Dinge an die Öffentlichkeit geraten oder man persönlich beleidigt wird, dann ist das kein Rap mehr, dann wird es hart.

In deinem Wikipedia-Artikel steht: „Farid Bang wird vorgeworfen, seine gesamte Karriere durch Streitigkeiten mit anderen Künstlern aufgebaut zu haben.“ Was sagst du dazu?
Was soll ich dir da sagen? Wer das so sieht, kann das ruhig so sehen. Dann kann ich ja wenigstens etwas, weil das bedeutet, dass ich alle diese Gegner besiegt habe. Das spricht doch wieder für mich. Muhammad Ali war der Beste im Dissen und hat dann Taten folgen lassen. Das habe ich auch.

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Ich finde es manchmal sehr beschwerlich, anderen zu erklären, warum ich Straßenrap höre. Du sprichst ja auch mit klassischen Medien. Nervt es, dich immer erklären zu müssen?
Das sind unwissende Leute, die keine Ahnung haben und alles verallgemeinern. Ich beschäftige mich mit denen nicht großartig. Du als Straßenrap-Hörer weißt ja, dass die Musik einen künstlerischen Anspruch hat. Das wissen nur die wenigsten und das ist das Traurige daran.

Woran liegt das deiner Meinung nach?
Straßenrap ist ein gefundenes Fressen für irgendwelche Spießer, die für ihr eigenes Versagen einen Schuldigen suchen. Wenn ich rappe „Ihr seid alle Schwuchteln“, dann wird keiner loslaufen und auf Schwule losgehen. Aber die Gesellschaft macht es sich einfach und zeigt mit dem Finger auf mich. Dadurch bist du in einer Nische und musst das Beste daraus machen.

Trotzdem haben viele über dich und Kollegah berichtet. Lag das nur an dem Erfolg von JBG 2 oder auch, weil man sich für eure Musik interessiert?
Das lag am Erfolg, sonst hätte man uns auch umgangen. Wenn Casper oder Jennifer Rostock 80.000 in der ersten Woche verkaufen, dann ist die Hölle los. Wenn wir so viel verkaufen und deswegen bei TV Total sitzen, dann wundert sich auf ein Mal jeder. Schau dir Bushido an, der ist mit Sonny Black auch Gold gegangen, obwohl die Medien abseits des Raps nur negativ über ihn berichtet haben. Nur weil du Gangstarap machst, wirst du sofort verteufelt.

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Du hast auf dem Album Killa einige Trapbeats drauf. Hast du dir den Sound bewusst ausgesucht?
Nein, die Beats, die gerade rumgehen, und die mir die Produzenten geschickt haben, waren sehr traplastig. Der Sound ist im Moment einfach sehr modern. Ich bin ja kein Produzent und kann selber keine Beats bauen. Ich suche mir das aus, was mir gefällt. Von daher war das eher Zufall.

Was hat dir daran so gefallen?
Das Tempo ist sehr gut zum Rappen, weil du dich klar und deutlich ausdrücken kannst. Vor allem für Punchlinerap ist es sehr geeignet. Wenn du schlechte Lines hast, dann hilft dir ein schneller Beat, weil du brettern kannst. Aber bei einem langsamen Beat muss jede Zeile sitzen, weil die Leute besser zuhören können.

Glaubst du, dass Trap im Deutschrap eine Zukunft hat?
Ich würde mich freuen, wenn das in Deutschland Anklang finden würde, weil die Beats cool sind. Du kannst auch auf einem Techno-Beat einen guten Song machen. Auf 100 BPM kannst du gut rappen. Wenn man gut und schnell rappen kann, dann geht das sehr gut.
(dreht sich um)
Kennst du einen guten und schnellen Rapper, Ali?
Ali: Kay One.
(Gelächter)

Du bist doch der Auftragskiller von Kay One aus dem Disstrack.
Ali: Ja.

Kannst du mir sagen, an wen Bushido in so vielen Videos am Handy immer seine Anweisungen verteilt?
Farid Bang: Bushido hat nur eine Nummer auf dem Handy und ruft immer nur Ali an. Der Ali kriegt nur Mordaufträge. Er hat sich heute gefreut, dass ihn mal einer angerufen hat und gefragt hat, wie es ihm geht.

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(Gelächter)

Der Erfolg von Bushidos Sonny Black ist ja ein zweischneidiges Schwert. Er hat das Gleiche gemacht, wie zu Anfang seiner Karriere und alle haben es gefeiert. Birgt das nicht die Gefahr, dass man sich als Künstler gar nicht mehr entwickeln will?
Mit diesen Experimenten ist es immer schwierig. Ich bin Jean Claude Van Damme-Fan, aber ich würde ihn mir niemals in einem Liebesfilm wünschen. Ich will sehen, wie er sich mit anderen prügelt. Und das gilt für Bushido genauso wie für mich und für Kollegah. Klar probiert jeder Künstler andere Sachen aus, der Fan hat das Recht von dir zu verlangen, was er möchte. Und dann kommst du dem Wunsch nach. Ich mache Musik für meine Fans.

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