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Interviews

Hundreds wollen Gefühle bei den Leuten erzeugen

Hundreds sind ein klassischer Grower: Je mehr du ihre Musik hörst, desto weniger wird sie dich kalt lassen.

Hundreds, das Geschwisterduo Eva und Philipp Milner, hat 2010 ihr selbstbetiteltes Debütalbum auf Sinnbus veröffentlicht. Danach ging es einigermaßen rasant bergauf. Wir wollen nicht das überdehnte Wörtchen ‚Hype‘ bemühen, aber die beiden standen fast zwei Jahre ununterbrochen auf der Bühne und bereisten dabei weit mehr Länder, als nur ihre deutsche Heimat. Offenbar blieb da wenig Zeit, um neue Songs zu schreiben. Denn während die meisten Bands im Zweijahres-Rhythmus neue Alben veröffentlichen, ließen sich Hundreds nun für den Nachfolger Aftermath ganze vier Jahre Zeit.

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Gut Ding will eben Weile haben, das gilt auch für Hundreds. Schon das erste Album war ein klassischer Grower, dessen künstlerischer Wert dich vielleicht nicht sofort anspringt. Aber je mehr du dich mit den Songs beschäftigst, desto mehr wachsen sie dir ans Herz. Und irgendwann merkst du dann sogar, dass richtige Hits darunter sind, Beispiel „Let's Build The Streets“. Bei Aftermath ist das ähnlich: Ein Album, das sich langsam aber sicher in deinem Gehörgang festsetzt und dich irgendwann einfach nicht mehr loslässt. An diesem Freitag erscheint Aftermath, am gleichen Tag beginnen Hundreds eine ausgiebige Tour, die schon jetzt zu einem Drittel ausverkauft ist.

Noisey: In wenigen Tagen beginnt eure Tour zum neuen Album Aftermath. Ihr spielt jetz die nächste drei Monate Konzerte. Wie betrachtet ihr selbst diese rasante Entwicklung?
Eva: Ich glaube, so rasant war sie für uns gar nicht. Es sind jetzt vier Jahre seit dem letzten Album vergangen und es ist natürlich viel mehr passiert, als wir erwartet haben. Wir saßen andererseits jetzt auch anderthalb Jahre im Studio und haben an dem Album gearbeitet. Deswegen ist von rasant gerade überhaupt keine Rede. Aber ich denke, man muss sehen wie es sich entwickelt. Und dann kannst du uns nochmal nach rasant fragen. Wir haben das auf jeden Fall alles nicht erwartet und waren eigentlich selber am überraschtesten.
Philipp: Ich würde es auch nicht als rasant bezeichnen, es fühlt sich eher nach gesundem Wachstum an.

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Wie war die Herangehensweise an das zweite Album? Hattet ihr vorher ein Konzept, habt ihr euch irgendwie vorbereitet oder einfach losgelegt?
Eva: Also ich würde sagen, das war tatsächlich fast wie ein zweites erstes Album. Wir waren sehr lange auf Tour, ungefähr zwei Jahre und haben auch schon die ganze Zeit geschrieben—aber nicht so viel, wie man vielleicht hätte machen können. Wir hatten jetzt einfach schon unsere Infrastruktur: Ein Label, ein Management, das Publikum und so weiter. Das ist natürlich die größte Freude, deswegen war es dann einfach schon ein konzentrierteres Herangehen als beim letzten Mal. Beim ersten Mal haben wir daran gearbeitet, wenn wir Zeit hatten. Ich hatte auch noch einen Job, das war etwas vollkommen anderes. Ein Konzept würde ich es deswegen nicht nennen. Das war einfach ein ganz anderer Arbeitsprozess als beim ersten Album.

Wie würdest du diesen anderen Arbeitsprozess genau beschreiben?
Eva: Einfach, dass viel weniger da war als vorher. Wir viel tiefer graben mussten und der Prozess auch anders war, weil wir stetig dran gearbeitet haben. Das war der Unterschied. Und die Umgebung natürlich auch, wir hatten unser Studio auf dem Land.
Philipp: Es gibt eine Sache, die hat sich nicht geändert: Wir haben immer den Song zuerst, ohne dass irgendwas produziert ist. Also Melodie und Text sind da und dann versuchen wir das in Form zu bringen. Das sind wir genau so, ohne irgendeine größere Vision, angegangen. Viele sagen: Es klingt jetzt viel wärmer und viel organischer. Und dass es jetzt weniger elektronisch klingt hat mich ehrlich gesagt selbst gewundert, weil die Arbeitsweise keineswegs eine andere war. Gar nicht. Irgendwann war der Song fertig dann klang er so, und dann wollten wir auch nicht mehr davon weggehen.

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Habt ihr neue Produzenten oder Musiker dazugeholt? Neue Instrumente ausprobiert, um eure Sounds weiterzuentwickeln?
Philipp: Eigentlich würde ich erst mal ‚nein‘ sagen. Der Produzent kam erst ins Spiel, als schon alles quasi fertig war. Er hat eigentlich nur noch verfeinert.
Eva: Aber wir hatten ein tolles neues Instrument! Ein afrikanisches, das wir beim Song „Beehive“ benutzt haben. Das ist ein riesig großes Xylophon, wo unten so Flaschen-Kürbisse dran gebaut sind, unglaublich. Es heißt Balafon und ist bei „Beehive“ das tragenden Element. Es war auf jeden Fall die Reise wert, die der Balafon für uns auf sich genommen hat.

Ich habe gelesen, dass euer Bandname Hundreds entstanden ist, weil ihr davon geträumt habt, euch zu vervielfältigen…
Eva: Ja, das war ich. Ich habe das geträumt und es dann Philipp erzählt. Daraus ist der Name entstanden, das war also eine Co-Produktion.

Was genau hast du geträumt?
Eva: Ich habe geträumt, wir seien auf einer großen Wiese und spielten ein Spiel, dessen Regeln ich aber auch nicht kenne. Und während wir spielen haben wir uns sozusagen vervielfacht. Ich habe mir gedacht: Okay, was ist hier los? Von dem Traum habe ich dann Philipp erzählt und er meinte, „Hundreds! Was für ein cooler Bandname.“
Philipp: Wir waren eh auf der Suche nach einem Bandnamen.
Eva: Es ist auch schwierig, einen guten Bandnamen zu finden, und der hat sich bis heute bewährt. Und wegen dem Vervielfachen: Wir werden jetzt tatsächlich, zumindest live, zu dritt sein und uns noch einen Musiker dazuholen. Zum Unterstützen sozusagen. Wir vervielfachen uns also wirklich.

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Welche Aufgabe hat er?
Eva: Der ist eigentlich Schlagzeuger, singt aber auch mit. Er ersetzt sozusagen den Laptop.
Philipp: Er macht vorwiegend Elektronik und spielt dazu Schlagzeug.
Eva: Wir werden so oder so die ganzen Konzerte weiter aufwerten, es gibt viele neue Ideen. Unser ganzes Team ist gerade damit beschäftigt, es werden zur Zeit wild E-mails ausgetauscht und Brainstorming betrieben. Das ist gerade eine sehr produktive und spannende Zeit. Ich weiß auch nicht, wie es wird. Würde es aber auch nicht sagen. Es soll eine Überraschung sein.
Philipp: Wir haben uns eigentlich schon sehr früh dazu entschieden, dass unsere Konzerte richtige Shows werden.
Eva: Unsere Grundidee ist eigentlich … Ich zitiere mal Philipp: Dass man aus unserem Konzert rausgeht und sagt: „Wow, was war das denn, war ich jetzt im Kino?“ Das man so richtig mitgerissen wird und auf eine Reise geht, visuell.

Mit dem Albumrelease und dem Feedback dazu, seid ihr immer noch aufgeregt oder entspannter als beim ersten Album?
Eva: Ein bisschen entspannter ja, aber es ist gleichzeitig auch aufregend.
Philipp: Auf jeden Fall. Das passiert jedes Mal, wenn du mit einem Album rausgehst—das klingt jetzt so, als ob ich das schon seit hundert Jahren mache, haha … Also, es passiert immer etwas Unvorhersehbares. Erzeugt man Gefühle bei den Leuten, kriegt man was zurück und wenn: was? Das kann man nicht vorhersehen. Erreicht man dieselben Leute, wird es eine ganz anderes Klientel werden, findet man auf einmal die Leute, die auf die Konzerte kommen total doof oder so? Hoffentlich nicht.
Eva: Das ist auch etwas schizophrenes an diesem Musikerdasein, weil du die ganze Zeit vor deinem Ding sitzt und schreibst, machst und vor dich hinwerkelst und plötzlich ist es raus—BÄMM!—und du gibst ein Konzert und gehst dann monatelang auf Tour. Aber davor sitzt du in deinem Kämmerlein und schraubst rum. Also das sind zwei sehr extreme Komponenten. Deswegen sind wir sehr gespannt, wie es ankommt.
Philipp: Ich glaube auch, wenn vier Jahre zwischen den Alben liegen, ist noch nicht die Routine da. Ich glaube da können wir erst beim vierten Album sagen: Jetzt wird es mal bisschen entspannter.

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Wann holt ihr euch im Alltag eigentlich Ruhe für Inspiration?
Philipp: Sehr selten. Leider zu selten, ehrlich gesagt.
Eva: Aber was wir machen—das darf man ruhig verraten—ist, sehr viel Musik zu hören und uns davon auch inspirieren lassen. Gerade wenn Freunde etwas empfehlen und sagen: Hast du das schon gehört? Man versucht dann nicht, den Song zu kopieren, aber zu verstehen, wo die Magie und die Begeisterung herkommt, was so geil an der Hook ist und so weiter. So etwas inspiriert total, und ich finde man kann sich an anderer Kunst ja auch entlanghangeln, dem Zeitgeist entsprechend. Ich lese wahnsinnig viel und mich inspirieren Bücher sehr. Beim Texten ist es eigentlich genauso. Also habe ich mich dieses Mal hingesetzt und zu mir selbst gesagt: „Okay du textest jetzt, und wenn es zehn Jahre dauert.“ Das war einen neue Herangehensweise. Davor habe ich immer darauf gewartet, bis es mich überkommt. Das ging jetzt nicht mehr. Ich war ja da, um zu arbeiten—und dann musste ich auch texten. Das war einfach so.

Hat dich der daraus entstehende Druck gestört?
Eva: Nein, nein gar nicht. Ich habe es auch nicht bei jedem Text so gemacht. Bei unserer Single „Circus“ beispielsweise habe ich mehr als 30, 40 Seiten mit dem Text gefüllt. Ich habe ganz viel versucht und ausprobiert. Das hat ja auch etwas Spielerisches.
Philipp: Inspiration ist wirklich ein schwieriges Thema. Man denkt sich immer, man ist inspiriert und dann läuft es … Inspiration geht eigentlich schon los, wenn einem etwas gefällt. Man nimmt diese Stimmungen, kriecht hinein und füllt sie mit neuem Leben aus. Der schöne Teil ist dann eigentlich der, wenn der Song an Fahrt gewinnt, wo es zum Selbstläufer wird und man merkt: Das Ding lebt! Es muss neu sein, man hat ja den Anspruch nicht zu imitieren oder zu covern. Ich würde das von vielen Bands ehrlich gesagt auch behaupten, dass sie eigentlich eher Coverbands sind, obwohl sie eigene Songs schreiben.

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Es gibt viele Musiker, die von sich sagen, dass sie kaum noch aktuelle Musik hören. Bei euch scheint das anders zu sein.
Eva: Mein Hörverhalten hat sich sehr verändert, seitdem ich selber auch viel Musik mache. Das ist ja noch nicht so lange der Fall. Ich war vorher eher Musikfan und wollte auch immer eher deinen Job machen. Mir ist es schon wichtig zu wissen, was gerade so los ist und warum die Leute etwas mögen.

Nun seid ihr ja Geschwister und gleichzeitig Geschäftspartner. Gibt es Konflikte, bei denen ihr euch wünscht, nicht verwandt zu sein?
Philipp: Ach, naja, das kriegst du gerade bei Geschwistern hin, solche Konflikte zu lösen.
Eva: Da schreit man sich kurz an, weil einer was verbrochen hat, aber man kann sich alles sagen. Man weiß, es geht nichts kaputt. Trotzdem muss man auch aufpassen, weil es ja eine Beziehung ist, die man nur zu wenigen Leuten hat. Also ich kann niemandem so meine Meinung sagen, außer vielleicht noch meinen Eltern oder meinem Freund. Es ist mit jedem Menschen auf Dauer anstrengend. Manchmal kracht es auch, aber das gehört dazu.

Und andersherum: Was schätzt ihr aneinander und wie ergänzt ihr euch?
Philipp: Wir ergänzen uns total gut, aber ich weiß nicht, warum.
Eva: Das unterschreibe ich so.
Philipp: Zwischen uns liegen natürlich auch paar Jahre, da hat jeder seine Funktion eingenommen und das wird sich in den nächsten Jahren sicher noch mehr festigen. Wir sind halt großer Bruder und kleine Schwester.

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Das neue Hundreds-Album Aftermath könnt ihr bei Amazon, iTunes oder direkt beim Label Sinnbus vorbestellen.

Hundreds auf Tour:
14.03.2014 - DE - Erfurt, Stadtgarten
17.03.2014 - DE - Stuttgart, Theaterhaus - sold out!
18.03.2014 - DE - Hamburg, Imperial Theater - sold out!
19.03.2014 - DE - Berlin, Heimathafen Neukölln - sold out!
20.03.2014 - DE - Köln, Artheater - sold out!
21.03.2014 - DE - München, Kranhalle - sold out!
28.03.2014 - EE - Tallinn, Tallinn Music Week
06.04.2014 - US - Los Angeles , MusExpo
22.04.2014 - AT - Wien, Wuk
23.04.2014 - DE - Dresden, Scheune
24.04.2014 - DE - Offenbach, Hafen 2
26.04.2014 - DE - Erlangen, E-Werk
27.04.2014 - CH - Zürich, Papiersaal
29.04.2014 - DE - Osnabrück, Lagerhalle
30.04.2014 - DE - Leipzig, Schaubühne Lindenfels
01.05.2014 - DE - Düsseldorf, Zak
02.05.2014 - DE - Berlin, Postbahnhof
05.05.2014 - DE - Bremen, Schwankhalle
06.05.2014 - DE - Rostock, Peter Weiss Haus
07.05.2014 - DE - Hamburg, Mojo Club
08.05.2014 - DE - Hannover, Faust

Tickets bekommt ihr hier.

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