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Interviews

Hatcham Social haben immer neue Songs im Kopf

Indie-Pop Bands gibt es viele. Aber Indie-Pop-Bands, die auf Keta proben, in 12 Tagen komplette Alben einspielen und Kassetten-Only-Labels gründen, gibt es sehr selten. Hatcham Social ist so eine Band.

Indie-Pop, Post-Punk, Power-Pop, Indietronica—wer soll da denn noch durchblicken? Am Wichtigsten ist doch, was gut klingt und was nicht. Die vier Jungs von Hatcham Social klingen gut und sind dazu noch auch noch äußerst sympathische Kerle. Gerade ist ihr neues Album Cutting Up The Present Leaks Out The Future erschienen. Zum Interview treffen wir uns mittags am Berliner Magnet Club, wo Hatcham Social um 22 Uhr auf der Bühne stehen sollen. Als ich ankomme, steigen die Musiker gerade aus einem kleinen, weißen Tourbus und suchen den Eingang zum Club. Erster Eindruck: Sie sehen exakt wie eine typisch britische Rockband aus. Erst grüßt mich der Tourmanager, dann der Gitarrist David, dann Drummer Finnigan (der früher bei den Klaxons war), dann Frontmann Toby und das neueste Mitglied der Band, James, der den früheren Bassisten von Hatcham Social ersetzen musste, weil dieser Vater geworden ist und sich um seine Familie kümmern will. Verständlich. Weniger verständlich ist, dass das Interview an einem Ort stattfinden soll, an dem keiner ist, der uns die Tür zum Club öffnen kann.

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Also laufen wir los, an der Oberbaumstraße entlang, David und ich am Kopf der Gruppe, suchen nach einem kleinen Café (die Jungs haben Hunger), während der Gitarrist mir erzählt, dass er sich freut, mal wieder in Berlin zu sein und die Stadt ihn irgendwie an London erinnert. Wir entscheiden uns schnell für ein nett aussehendes Café und setzen uns in den Hinterraum, wo Toby sich erst mal ein Sandwich bestellt. James setzt sich mit dem Tourmanager an einen anderen Tisch und wartet, bis das Interview durch ist. Er soll nicht dabei sein. Oder er hat keine Lust. Oder weiß nicht, was er erzählen könnte, schließlich ist er ja neu in der Band. Wie auch immer, es geht los.

Noisey: Das ist jetzt bestimmt eine häufig gestellte Interviewfrage, aber was bedeutet eigentlich Hatcham Social?
Toby: Wir haben früher in einer Gegend in South London gelebt, die Hatcham genannt wurde. Hatcham bedeutet soviel wie Waldlichtung. Wir schreiben viel über Dinge wie Flucht—Flucht in seine eigene kleine Welt, in sein eigenes kleines Paradies. So eine Waldlichtung kann so ein Paradies sein. Der Name passte einfach.

Habt ihr euch das bei der Gründung der Band als Ziel gesetzt, euer „eigenes kleines Paradies“ zu schaffen?
Toby: Wenn du in Musik, Bands, Literatur oder was auch immer involviert bist, liegt das oft daran, dass du mit vielen Dingen, die um dich herum passieren, einfach unzufrieden bist und das Gefühl hast, nicht wirklich an den Mainstream anknüpfen zu können. Deshalb versuchst du, Leute zu finden, die ähnliche Dinge lieben wie du und denen es genauso wichtig ist, eine eigene, andere musikalische Welt zu schaffen. So sind wir zusammengekommen.

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Wie hört sich diese musikalische Welt an?
David: Wie chaotischer Pop (lacht). Viele Leute haben gesagt, dass wir sehr düster klingen können. Auf dem neuen Album stößt diese dunkle Seite jedenfalls mit einem ziemlich Pop-artigen Sound zusammen. Man kann sagen, dass die Musik sehr düster, trotzdem aber sanft ist, aber auch irgendwie ziemlich hart (lacht).

Und wie sieht’s mit euren Lyrics aus?
Toby: Finn und ich schreiben den größten Teil der Songs. Wie wir wollen, wann wir wollen. Natürlich besprechen wir bestimmte Ideen miteinander—das, was man geschrieben hat, behält letztendlich aber seinen persönlichen Touch. Wenn was scheiße klingt, dann sagen wir uns das gegenseitig natürlich auch.
David: Es passiert auch häufiger, dass wir einfach nur mit unseren Instrumenten spielen und einer plötzlich sagt: „Der Sound würde super zu einem Gedicht passen, das ich vor Kurzem geschrieben habe.“ So sind viele Songs auf unserem neuen Album entstanden.

Also würdet ihr eure Songs als Poesie bezeichnen?
David: Wenn irgendjemand anderes das gerne tun würde, dann wäre das fantastisch! (lacht)
Finn: Wir schreiben die ganze Zeit, und es ist nicht so, als ob alles, was wir runterschreiben zu einem Song wird. Manche Dinge könnten ein Gedicht werden, andere können musikalisch übernommen werden. Wiederum andere Sachen könnten guter Stoff für eine Kurzgeschichte sein.
Toby: Was auch immer es ist, die ganzen Ideen enden in einem Büchlein. Dann überlegen wir uns, welche Teile in einen Song passen könnten.

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Wo kommt die Inspiration dafür her?
Finnigan: Die kommt, wenn man im Bus oder im Zug sitzt oder sobald man sich bewusst hinsetzt und einfach ein paar Sachen runterschreibt.
Toby: Wenn Musik dein Leben ist, dann hast du immer irgendwelche Ideen, die in deinem Kopf herumschwirren, oder nicht? Man kann nichts mehr machen, ohne zu denken „Oh, ein Song…“. Diesen Gedanken kann ein einfacher Satz auslösen, den du hörst, eine Unterhaltung, die du führst, oder ein Film, den du siehst siehst. Unsere Lyrics sind oft einfach nur eine Beschreibung von diesen Dingen.

Ich nehme an, es war mal wieder an der Zeit, diese ganze Inspirationen rauszulassen.
David: Um ehrlich zu sein, konnten wir einfach nicht mehr ruhig sitzen. Wir wussten, dass es an der Zeit war, ein Album aufzunehmen, also haben wir es gemacht. Wir wollen immer eine Platte aufnehmen—sogar in dieser Sekunde.

Dass ihr nicht mehr ruhig sitzen konntet versteht man spätestens, wenn man liest, dass ihr euer Album in nur zwölf Tagen aufgenommen habt. Nicht schlecht.
Toby: Ich glaube, dieses Album war für uns von Anfang an eine Herausforderung. Wir wollten nicht nur in kürzester Zeit ein Album aufnehmen, sondern am Ende auch ein Produkt haben mit dem wir wirklich glücklich sind.

Ich hätte jetzt gedacht, „Je mehr Zeit ich in mein Album stecke, desto besser wird es.“
Toby: Natürlich gibt es Künstler, die sich viel Zeit nehmen, ihre Lyrics umschreiben und so weiter. Aber unsere Regel ist: Der erste Gedanke ist immer der Beste. Wer das, was er tut, nicht in Frage stellt und es einfach macht, bekommt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und das kriegen die Fans mit diesem Album.

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Welchen Song sollte sich jemand anhören, der mit eurer Musik noch nicht so vertraut ist?
David: Auf jeden Fall einen Song von unserem neuen Album, aber es ist einfach zu schwer, sich da nur einen rauszusuchen. Das ganze Album repräsentiert uns natürlich am besten.

Habt ihr keinen Favoriten?
Finnigan: Das ändert sich jeden Tag.
Toby: „More Power To Live“ ist gut, oder „Lion With a Lazer Gun“—der Song ist eine ziemlich gute Darstellung unserer „poppigeren“ Seite.
David: „Lion With a Lazer Gun“ sagt eigentlich am meisten über unseren Sound aus.
Toby: Hm, vielleicht würde ich mir doch „Ketamine Queen“, den ersten Song unseres Albums aussuchen. Der Song verrät viel über die gesamte Platte und unseren Sound.

„Ketamine Queen“ ist ein interessanter Titel…
Ketamin war und ist noch immer ein großer Teil im Leben vieler Menschen in London. Das Zeug beeinflusst dich auf verschiedenste Art und Weise. Wir hatten alle unsere Keta-Phase.

Ich stell mir das ganz schön schwierig vor, auf Ketamin ein Instrument zu spielen…
Finnigan: Nun ja, wir haben immer eine vernünftige Dosis genommen, auf der wir noch halbwegs produktiv sein konnten.
Toby: Wir proben nicht mehr oft auf Ketamin—das Zeug ist kein fester Bestandteil unseres Tour-Riders (lacht). Der Song ist eine Hommage an bestimmte Mädchen, die sich in die Droge verliebt haben.

Gut. Lassen wir das Thema Drogen. Ihr habt ernsthaft ein Kassetten-Label gegründet?
Toby: Ja. Nachdem wir ein paar 7-inch-Singles veröffentlicht haben, kamen zwei Mini-Alben auf Kassette. Alle meinten, das sei total verrückt, aber die Leute haben die Kassetten geliebt. Es ist einfach etwas, das man in der Hand halten kann. Außerdem hat nicht jeder einen Plattenspieler und Kassetten sind viel billiger.
David: Und du kannst sie problemlos in deine Tasche stecken.
Finn: Und du kannst dir immer noch für ungefähr sechs Pfund einen Walkman kaufen und dich wie in so einem richtigen 80er Jahre Film fühlen (lacht).

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Letzte Frage an dich, Finnigan. Stimmt es, dass Alan McGee dich den „coolsten Drummer der Welt“ genannt hat?
Finnigan: Ja (lacht), das hat er gesagt. Ziemlich cool, so was vom Capitol Records-Gründer zu hören. Ich hab aber keine Ahnung, warum er das gesagt hat. Früher habe ich im Stehen Schlagzeug gespielt. Das muss ihm gefallen haben.

Das neue Album Cutting Up the Present Leaks Out the Future bekommt ihr bei Amazon oder iTunes.

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