FYI.

This story is over 5 years old.

Features

In Thailand werden Hardcorebands von der Polizei bedroht

In Bangkok ist es illegal, die Regierung zu kritisieren, was Bands wie Blood Soaked Street of Social Decay allerdings nicht aufhält.

Der Gestank politischer Korruption ist in Bangkok fast so stark wie der der vollgepissten Seitengassen, die jede Nacht aufs Neue von Vergnügungssuchenden aufgesucht werden. Über Wochen haben Regierungsgegner versucht, Premierministerin Yingluck Shinawatra mit immer gewalttätiger werdenden Massendemonstrationen aus ihrem Amt zu vertreiben. Die Proteste wurden durch ein gescheitertes Amnestiegesetz ausgelöst, dass es Thaksin Shinawatra—dem im Exil lebenden ehemaligen Premierminister, Bruder von Yingluck und früheren Manchester City-Besitzer—ermöglicht hätte, ohne Inhaftierung in sein Heimatland zurückzukehren.

Anzeige

Vor einiger Zeit rief die Regierung einen 60-tägigen Ausnahmezustand aus, ein Beschluss, der den Behörden die Macht gab, öffentliche Versammlungen mit mehr als fünf Leuten aufzulösen, die lokalen Nachrichten zu zensieren und Verdächtige 30 Tage lang ohne Anklage festzuhalten.

Autor und Teilzeit-Punk Tom Vater lebt seit zehn Jahren in Bangkok. Er hat offensichtlich einige seiner englischen Charakterzüge beibehalten, denn als ich ihn darum bat, die derzeitige Stimmung in Bangkok zu beschreiben, bezog sich seine erste Antwort auf das „wunderbare“ Wetter, das sie in letzter Zeit hätten.

Im weiteren Verlauf unserer Kommunikation fasst er jedoch auch das politische Klima für mich zusammen. „Im Grunde hast du zwei Eliten—den alten Adel und den Shinawatra-Clan—die sich gegenseitig bekämpfen, um ihren Teil vom wirtschaftlichen und kulturellen Kuchen abzubekommen. Viele junge Leute sind frustriert, da sie weder Ausbildungsmöglichkeiten noch finanzielle Sicherheit haben und in schlechtbezahlten Hilfsarbeitsjobs gefangen sind. Die thailändische Politik ist im Prinzip ein feudales mittelalterliches System mit wenig Input von jungen Leuten oder dem kulturellen Arm der Zivilgesellschaft. Es gibt ein ernsthaftes Risiko, dass es zu einem hoffnungslosen politischen Fall wird, wie zum Beispiel die Philippinen, da beide politischen Eliten und die verschiedenen Gruppen und Leute, die sie unterstützen, extrem polarisiert und scheinbar unfähig zu Reformen oder Kompromissen sind.“

Anzeige

Die Korruption der Polizei bleibt ein gigantisches Problem in Thailand. Die internationale NGO Transparency International stuft sie in ihrem führenden Korruptionsindex zusammen mit Argentinien, Bolivien und Panama, als eine der korruptesten großen Volkswirtschaften der Welt ein. Im Human Rights Watch World Report 2014, der letzte Woche Dienstag veröffentlicht wurde, wird erklärt, dass die Meinungsfreiheit in Thailand immer noch enorm beschnitten ist.

Seit dem Militärputsch von 2006 kann Kritik am Königshaus mit Gefängnis bestraft werden. 2011 wurde der Aktivist Daranee Charnchoengsilpakul zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er bei einer Kundgebung den König beleidigte. 2012 starb der 61-jährige Amphon Tangnoppaku in Haft, während er eine 20-jährige Strafe absaß. Sein Vergehen bestand darin, einem Regierungsvertreter vier Textnachrichten zu senden, in denen er die Königin kritisierte. Im Prinzip kannst du in Thailand also nichts über jemanden sagen, der reicher ist als du.

Trotz diesen massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit seitens der Regierung gibt es eine kleine, aber florierende Punkszene in Bangkok. Das einzige Hardcore-Punk-Label der Stadt, Holding On Records, wird von einem Typ namens Gap betrieben, der ebenfalls ehemaliger Frontmann der allerersten Straight Edge-Band des Landes, X on the Hand, ist. Die dreckigen Machenschaften der königlichen thailändischen Polizei sind ihm nicht fremd. „Ich habe einmal eine Show veranstaltet und die Polizei kam und sagte, dass wir Leute, die unter 18 sind im Gebäude haben. Sie sagten dann, wenn wir ihnen 600 US Dollar bezahlen, können wir weiter machen. Totaler Bullshit.“

Anzeige

Im Königreich ist K-Pop populär und die meisten jugendlichen Thailänder bevorzugen kommerzielle Popmusik gegenüber Rock; Gap erzählt mir jedoch, dass es im Moment ungefähr 300 junge Leute gibt, die Bangkoks Hardcoreszene bilden. „Das ist wie eine große Familie. Die Leute kommen zu den Konzerten, wir gehen total ab und machen danach weiter. Manchmal wird es brutal, aber jeder respektiert den Anderen. Es gibt ungefähr 30 aktive Bands.

Obwohl die Szene schon seit den späten 90ern existiert, ist sie seit dieser Zeit nur langsam vorangekommen. Sano von der Band LowFat erklärt, warum man selten richtige Hardcorebands zu sehen bekam. „Ich denke, dass das vielleicht an der thailändischen Mentalität liegt, ziemlich schnell nachzugeben. Das widerspricht den Idealen von Hardcore und Punk, bei denen sich alles darum dreht ‚Nein’ zu sagen und ‚Zurück zu kämpfen’ oder ‚Anti-Was auch immer’ zu sein.“

2001 haben sich jedoch ein paar der härteren Thai-Bands wie Born From Pain, Licence To Kill und No Is Not zusammengeschlossen, um die Thailand Hardcore Crew (THxHC) zu gründen. Kurz danach haben License To Kill einen Song mit dem Titel „Fuck The Police“ veröffentlicht, der aufgenommen wurde, nachdem ein Freund von ihnen einen kleinen Polizei-Kontrollpunkt niedergebrannt hat, um gegen die Beschränkungen zu protestieren, die sie den Konzerten auferlegt haben. No Is Not standen dem in nichts nach und haben „Fuck Off The Law“ veröffentlicht. Der Ärger gegenüber der Polizei wurde immer intensiver, da sie drohte, Konzerte lahmzulegen und Bestechungsgelder einforderte. „Für sie sind wir wie Geldautomaten“, sagt Sano. „Sie tauchen immer auf, wo und wann sie wollen. Es gibt kaum vernünftige Polizisten hier.“

Anzeige

Nach ein paar Jahren gab es ausreichend Hardcore- und Punkbands in der Szene, sodass die Stütze der Szene, Yos, anfangen konnte, am Arise Zine zu arbeiten, das die thailändische Hardcorebewegung dokumentiert. Zunächst hingen die meisten Bands in der Immortal-Bar auf der Din Dang Road rum, aber dann kamen neue Läden auf, wie die Rust-Bar, ein kleiner DIY-Laden und selbsternanntes „Rockstaurant“.

Im November fand dort das Ost-Fest statt, bei dem einige von Bangkoks größten Hardcorebands dabei waren, inklusive Born From Pain, A-Zero und den trinkfreudigen Ten Baht Per Hour. Von der anderen Seite des Spektrums fand man Monument X, eine weitere Straight-Edge „Youth Crew“, die 2012 gegründet wurde und Gap zufolge ziemlich erfolgreich dabei ist, ihre Anti-Alkohol Philosophie zu verbreiten. Holding On Records werden nächstes Jahr ihr vierjähriges Bestehen feiern und neue Labels treten bereits in ihre Fußstapfen. Six F Productions ist ein DIY-CD-R-Label, dessen Motto „Fight For Fuck, Fuck For Freedom“ ist. Sie haben Platten von Bangkoks Blood Soaked Street of Social Decay herausgebracht, die behaupten „Thai political raw crust punk“ zu machen.

Das Overstay in Thonburi ist das, was in Bangkok am ehesten einem besetzten Haus oder autonomen Zentrum entspricht; es gibt dort verschiedene Ebenen mit heruntergekommenen Räumen und der Art von Konzerten, die „die örtlichen Polizisten anziehen“.

Seit einiger Zeit ist auch Oi!-Punk in Bangkok präsent, mit Irokesenschnitt tragenden Bands wie Chaos of Society, The All Dirty oder den neueren Degurada.

Anzeige

Zum ersten Mal gibt es auch weibliche Hardcorebands. Itchy Band besteht aus drei jungen „Farang“-Frauen (Thai-Slang für Ausländer) und einer rothaarigen Thailänderin, die auf Arm und Brust tätowiert ist. Sie haben in ihrer derzeitigen Heimatstadt Chiang Mai damit begonnen, Stooges-Songs zu covern, kurz danach jedoch angefangen, ihre eigene Art von Garagepunk zu spielen. Letztes Jahr erschien ihr zweites Album Live Fast Die Young und obwohl sie sagen, dass sie nicht wirklich politisch sind, fällt mir keine britische Garageband ein, die über Mao oder die Menschenrechtsverletzungen in Burma singt („Burma Burma hey / what you got to say / when you gonna pay“).

Nicole Girard, aka Ra Ra, von Itchy Band sagt, dass Chiang Mais Musikszene von Männern überflutet war und sie versucht haben, diesen Zustand zu ändern. Ich fragte sie, was sie darauf bis jetzt für Reaktionen bekommen haben. „Oft erzählen uns die Leute, dass sie sich nach origineller und draufgängerischer Musik sehnen und, je nachdem wie lange sie schon in Thailand sind, wie sehr sie sie vermisst haben. Am Anfang haben die örtlichen Thais die Tatsache, dass wir weiblich sind, als eine Art niedliche Neuerscheinung behandelt“, beklagt sie sich. „Aber da wir weiter gemacht und es ausgesessen haben, haben sie angefangen, uns unabhängig von unserem Geschlecht zu respektieren.“

Punk verbreitet sich auch im Rest von Südostasien immer weiter. In Indonesien ist es nicht unüblich, dass Konzertgänger nur aufgrund ihres Aussehens verhaftet werden; 2011 gelangte eine Aktion in die Schlagzeilen, bei der die Polizei bei einem Konzert in einer besonders konservativen Gegend auftauchte, 65 Jugendliche festhielt und sie zwang, sich ihren Kopf zu rasieren. Auch aus Malaysia, traurigerweise ebenfalls Heimat der rechtsradikalen „Malay Power“-Gangs, kommen interessante Klänge und gerade erst entstand in Kambodscha das erste alternative Label überhaupt, Yab Moung Records. Es scheint, gewissermaßen eine Hardcore-Revolution zu geben.

Anzeige

Ich frage Gap, was Punk zu sein für ihn bedeutet. „Hardcore ist mein Leben. Es geht nicht nur um die Musik. Es ermöglicht mir die Verbindung zu tausenden von Leuten auf der ganzen Welt, mich auszudrücken und hat mich an Orte gebracht, an denen ich vorher noch nicht war. Für mich ist es alles und ich werde mein ganzes Leben danach ausrichten.“

Folgt April bei Twitter: @AprilClareWelsh

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.