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HipHop-Fans sind die größten Mimosen

Nicht mal die Fans von Philipp Poisel sind so empfindlich wie die ach so harten HipHop-Fans.

Foto: Donnie Ray Jones / Flickr | CC By 2.0

Mit den Fans einer bestimmten Musikrichtung verhält es sich ähnlich wie mit Pflanzen. Es gibt welche, die ständig bewässert werden müssen (und jemand auf die Tränendrüse drücken muss), es gibt welche, die sehr robust sind (ganz egal, wie scheiße und überproduziert die Musik wird), und es gibt welche, die große Dürrephasen aushalten (da sie sich mit altem Material in Dauerschleife befriedigen können).

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Mit dem Rap-Fan verhält es sich wie mit einer ganz bestimmten Pflanze—der Mimose. Die Mimose ist ein riesiger Strauch, der meist rosa oder lila ist und der schon bei der geringsten Erschütterung oder Temperaturveränderung sein Erscheinungsbild verändert, genauer seine Blätter nach unten klappt. Ebenso ist das beim Rap-Fan: Ist in der Umgebung alles wie immer, macht er einen auf dicke Eier und zeigt sich von der besten Seite, gibt es jedoch nur die leichteste Erschütterung—zum Beispiel Kritik—wird er plötzlich ganz empfindsam.

Denn wenn jemand an einem HipHop-bezogenen Thema Kritik übt, ob nun berechtigt oder nicht, schreit der HipHop-Fan auf wie ein kleines Baby, faselt was von Ungerechtigkeit und Ahnungslosigkeit und schiebt die Schuld immer auf den Kritiker, der auch sonst keinen Spaß im Leben hat. Im Prinzip sind HipHop-Fans die verzogenen Einzelkinder der Musikwelt oder die PMS-geplagten Frauen auf einem emotionalen Höllentrip. Nur mit dem Unterschied, dass es weder eine Entschuldigung noch einen Grund für ihre Empfindlichkeit gibt. Sie sind Fans von ach so harten Gangstern und heulen dabei lauter als jede Alraune.

Und damit meinen wir nicht das obligatorische Raunen, das durch die Reihen aller HipHop-Fans und -Journalisten geht, wenn sich mal wieder einer im Feuilleton an das junge Thema Rap herantraut und sich an seinen stumpfen Klischees belustigt. Wir meinen jedes einzige Mal, wenn irgendwer etwas Negatives über egal welchen Rapper sagt oder schreibt. Die Kommentarfunktion unter jedem auch nur leicht kritisch angehauchten Beitrag glüht förmlich auf und alle Beteiligten werden mit Unwissenheit beschimpft, was wohl die einfachste Form ist, jemanden die Glaubwürdigkeit abzusprechen, wenn man beleidigt ist. Genau das sind HipHop-Fans nämlich in allen möglichen Situationen: beleidigt.

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Dabei sollten sie mal verstehen, dass 1.) nicht alles und jeder, der Rap macht, gut ist, geschweige denn gut sein kann, und 2.) Musik, verdammt noch mal, keine objektive Wissenschaft ist. Zum Beispiel: Auch wenn ihr Eko Fresh mögt, kann Eko Fresh auch mal etwas weniger Gutes rausbringen. Das Einzige, was ihr als Rapfans allerdings hört, wenn jemand Kritik übt, ist anscheinend: „Deine Mutter ist eine blöde Schlampe. Ja, genau, deine Mutter meine ich“, anstatt einen Satz wie „Eko Fresh weiß einfach nicht, wann es genug ist“. Keiner hat eure Mütter beleidigt. Das ist konstruktive Kritik, ihr Heulsusen. Und selbst, wenn sie nicht konstruktiv ist, wir sprechen hier noch immer von Musik. Nicht jeder findet eure Lieblingskünstler gut. Fragt mal eure Mamas.

Es ist die eine Sache, wenn ein Künstler die beleidigte Leberwurst spielt, wenn jemand in seine Richtung schießt. Aber wenn der Fan anfängt rumzumemmen, weil jemand seinen Liebling „nicht versteht“, dann hat das eine ganz andere Dimension. Natürlich gibt es in jeder Musikrichtung Hardcore-Anhänger, die sich ohne Ende mit ihrem Idol identifizieren, doch meist handelt es sich dann um einen bestimmten Künstler und nicht um ALLE Künstler des Genres. Ihr habt die Musik nicht gemacht, also greift euch auch keiner an. Ihr seid nicht HipHop. Abgesehen davon muss jeder ein bisschen Kritik vertragen können.

Um das noch deutlicher zu machen: Wenn wir sagen „HipHop-Fans sind die größten Mimosen“ dann meinen wir diesmal tatsächlich die Fans persönlich. Wir sagen nicht „HipHopper sind die größten Mimosen“, die sind eher Hanfgewächse. Aber wir wollen niemanden provozieren, wir finden, Mimosen sind schöne zarte Pflänzchen. Vielleicht stellen wir uns demnächst eine in die Redaktion und reden dann nicht mehr so laut. Nur um die Pflanze stets in ihrer vollen Pracht bewundern zu können. Das scheint in Rap-Redaktionen ja sowieso eine gängige Praxis zu sein.

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