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Haftbefehl will der Quentin Tarantino des deutschen Raps sein

Wir haben uns mit Baba Haft getroffen, um über Koks, deutschen Frauenrap und Cro zu sprechen. Und er ist beängstigend freundlich.

Foto: Aljoscha Redenius

Jemandem Haftbefehl zu erklären, fällt nicht leicht. Obwohl, doch. Ein Satz reicht. „Chabos wissen, wer der Babo ist.“ Der Titel der ersten Single seines mit Spannung erwarteten dritten Albums „Blockplatin“ schlug in der nationalen Blogosphäre solche Wellen, dass mittlerweile jeder Neuntklässler oder Graphikstudent sich zum Experten des Frankfurter Jargons aufschwingt. Doch es ist nicht nur die Sprache. Die Attitüde, die sich aus dem ewigen Hustlen im hessischen Drogenmileu speist und auf kompromisslosen Brettern zum Besten gegeben wird, macht einfach Spaß. Dabei muss man nicht am Frankfurter Hauptbahnhof Packages verticken, um diesen Rapfilm zu genießen. Haftbefehl ist eine schonungslose Action-Dokumentationskomödie, die es in dieser Qualität hierzulande noch nicht gab. Dass sich Baba Haft im Interview als Quentin Tarantino des deutschen Raps bezeichnet, macht Sinn. Allerdings wissen wir nicht, ob Quentin im Gespräch so dermaßen freundlich wäre. Es ist teilweise beängstigend, wie nett der Typ ist.

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Noisey: Wie geht‘s dir? Du machst nicht so einen fitten Eindruck.
Haftbefehl: Ich war ein bisschen erkältet. Und letzte Nacht gab es zu viel Brot und Butter. (lacht)

Du bist doch dein eigener Labelchef und kannst Kalkulationen anstellen. Geht Blockplatin auf die Eins?
Wenn Justin Bieber nicht morgen sagt, dass er nächste Woche ein Album rausbringt, dann kann es passieren.

Mir fällt auf, dass du im Moment wieder einen krassen Hype hast.
Hab ich?

Natürlich.
Meinst du wegen dem Satz „Chabos wissen, wer der Babo ist.“?

Ja, wahrscheinlich auch deswegen. War da viel Glück dabei, so einen Satz rauszupacken, den auf ein Mal das ganze Internet abfeiert?
Nein, das ist Mathematik. Es ging darum, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Mit einem Satz.

Aber man kann doch nicht kalkulieren, dass eine Zeile so einschlägt.
Doch, kann ich, Dicker. Ich weiß, was gut ankommt. Das ist Spirit, Magic, David Copperfield. (lacht)

Dein letztes Album wurde ziemlich kritisiert. Warst du selbst eigentlich zufrieden mit Kanackis?
Doch, das Album ist Bombe. Es hat vielleicht nicht so viele Themensongs, aber es ist ein geiles HipHop-Album geworden. Ich bin nur nicht so zufrieden mit der Resonanz.

Du hast aber gesagt, dass du bei der Albumproduktion zu Kanackis den Bezug zur Straße verloren hast.
Ein Jahr war ich nur auf Tour. Ich habe die Augen aufgemacht, bin irgendwo gelandet und dachte mir nur: „Die orangenen Blätter an den Bäumen kommen dir bekannt vor. Hier sieht es aus wie in Golden Eye, dem Playstationspiel. Alter, ich bin in Moskau.“ Ich konnte das nicht realisieren. Deswegen brauchte ich nach den Konzerten eine Pause. In Kanackis steckte auch nicht so viel Energie wie in diesem Album.

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Wie hast du die Energie zurückgewonnen?
Ich habe Konzerte abgesagt und auf Gage verzichtet. Ich musste wieder zu mir selbst und den Bezug zu normalen Menschen finden, die man auf Tour nicht so um sich hat. Das war einfach zu stressig, das ging auf die Psyche. Irgendwann bin ich in einem Hotelzimmer aufgewacht und habe meinen Spiegel auf den Boden geschmissen.

War das der Moment, als du gesagt hast, dass es so nicht mehr weiter geht?
Ich wollte nach Hause, Alter. Ich konnte nicht jedes Wochenende wo anders sein. Ich muss auch meine Familie sehen. Das sind einige der wenigen Leute, die keine Ja-Sager in meinem Umfeld sind. Irgendwann habe ich mir gedacht: „Scheiß drauf. Ich gehe jetzt nach Hause und mache ein geiles Album.“ Auch wegen der Resonanzen auf Kanackis. Das hat mich schon abgefuckt. Ich musste wieder ein geiles Album machen, bei dem die Leute wieder die Fresse halten. Wenn du über dieses Album eine schlechte Review machst, dann gebe ich es mit deutschem HipHop auf.

Curse hat gesagt, dass du eine Revolution in dem deutschen Straßenrap eingeläutet hast. Was meint er damit?
Im Endeffekt war deutscher Straßenrap totgesagt. Nachdem ich gekommen bin, geht auf ein Mal wieder was.

Aber was hast du denn Neues gebracht, als die anderen Straßenrapper?
Ich habe dafür gesorgt, dass viele andere Rapper jetzt funktionieren. Das liegt daran, weil ich authentisch bin und meine Sprache mitgebracht habe.

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Ich glaube es liegt vor allem an deiner Authentizität. Ich meine, du hast wirklich Drogen verkauft.
Ich habe Songs gemacht wie „Massaka-Kokain“ mit Massiv, wo ich dir detailliert erzähle, wie das funktioniert. Jeder erzählt davon, was er für ein krasser Drogendealer ist, aber niemand kann ins Detail gehen.

Dann geh doch mal ins Detail.
Hört euch den Song an. Da erzähle ich, wie man Kokain streckt und presst und was man dafür braucht.

Was braucht man denn, wenn man Koks strecken und pressen will?
Ne, das will ich nicht erzählen. Nicht, dass ich jetzt ein Rezept gebe für meine kleinen Brüder und die auf die Idee kommen, so einen Scheiß zu machen.

Ich habe das Gefühl, dass die Leute dich nicht mehr so haten wie früher. Glaubst du, das stimmt?
Im Vergleich zum letzten Album wird es weniger. Bei Kanackis habe ich dieses Angeber-Ding auch richtig krass gefahren und habe in Amerika Videos gedreht. Das habe ich bei Blockplatin nicht gemacht. Ich wedel auch nicht mehr mit Scheinen herum. Ich habe das gemacht, weil mich die Leute abgefuckt haben und ich sie noch mehr abfucken wollte. Deswegen gab es auch bei den Videos die Daumen runter.

Kannst du dir erklären, warum so viele Studenten dich feiern?
Ich feier ja auch auch Scarface, den Film. Und ich habe auch nicht die gleiche Lebensrealität wie 50 Cent, trotzdem mag ich seine Musik. Das ist Rapmusik, Dicker, Entertainment, ein Film, den ich verkaufe. Wenn ich halt der Quentin Tarantino des deutschen Raps bin, ist das doch cool. Du kannst es trotzdem feiern. Du musst ja nicht so leben wie ich.

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Du hast bei diesem Album gesagt, dass du auch als Musiker ernst genommen werden möchtest. Das sagt jeder. Was meinst du damit konkret?
Dass ich eben musikalische Hooks mache und mehr Taktgefühl habe als die meisten Rapper in Deutschland. Ich erwarte einfach mehr Respekt von den deutschen HipHop-Fans, als ich bekomme. Dieses Rumgehate muss irgendwann aufhören.

Das nervt dich schon, oder?
Na ja, ich finde es auch eine Art und Weise cool. Aber es kann auch mal nerven. Du hast doch das Album gehört, was muss ich dazu noch sagen? Nenn mir ein Deutschrap-Album in der letzten Zeit, dass so eine Qualität hat!

An Straßenrap-Alben fällt mir da gerade keins ein.
Straßenrap nur? Was für Rap-Alben sind denn besser?

In den letzten Jahren? Marteria und Casper.
Gut, vor Marteria ziehe ich meinen Hut. Aber Casper ist nicht so mein Fall.

Aber du kannst nicht abstreiten, dass sein Album sehr gut durchproduziert war.
Natürlich, aber da steckt auch ein Major dahinter, der bestimmt so 200.000 Euro reingesteckt hat. Und dann freuen Sie sich, dass es Gold geht. Das ist nicht die Kunst. Ich finde eher, dass es eine Kunst ist, aus einem 200 Euro-Beat einen Knaller zu machen. Auf der Platin-Seite habe ich dieses Mal zwar auch teure Beats gepickt, aber es ist eher was besonderes einen Game-Boy-Beat zu nehmen und daraus einen Knaller zu machen.

Ich war ein bisschen enttäuscht, dass du Schwesta Ewa nicht mit auf Album gebracht hast.
Ich wünsche ihr sehr viel Erfolg und feier sie. Aber ich halte nichts von deutschem Frauenrap, Alter. Was Schwesta Ewa macht, ist cool, vielleicht machen wir irgendwann mal einen Song zusammen, aber ich denke mal, das dauert noch ein bisschen. Sie hat erst angefangen und wird sich noch steigern, jetzt wäre es noch zu früh.

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Was ist denn das Problem an deutschem Frauenrap?
Sabrina Setlur hat es damals zwar gemacht, aber es ist erst jetzt durch Schwesta Ewa wieder im Kommen. Aber sonst kam noch nichts richtig Cooles. Ich warte erst Mal ab.

Du und Cro, Ihr scheint euch gegenseitig sehr wertzuschätzen. Wie passt das eigentlich zusammen?
Ich feier ihn nicht übertrieben krass, aber ich finde es gut, was er macht. Es ist auf jeden Fall besser, als ganz viel anderer Kram in Deutschland. Ich finde es krass, dass man mit deutschem Rap so viel reißen kann. Ich bin echt stolz darauf, was der Junge geleistet hat. Der Junge hat 800.000 Platten verkauft. Das ist unfassbar. Und glaub mir, jetzt werden Tausend Hipsterrapper kommen.

Besteht denn die Möglichkeit, dass ein gemeinsamer Track kommt?
(grinst) Ja.

Wirklich?
Ja, ja.

Cros Label macht da auch mit?
Ja. Wir haben schon gequatscht.

Wir würde so ein Song aussehen?
Ich habe Cro auch gefragt, was wir für einen Song machen könnten. Ich weiß nicht, vielleicht einen Song über Masken. Dass jeder Mensch, wenn er vor die Haustür geht, eine Maske aufsetzt. Auf jeden Fall einen Themensong, keinen Knaller. „Chabos wissen, wer der Babo ist, Teil 2“ werde ich auf jeden Fall nicht mit Cro machen.

NOISEY präsentiert Haftbefehl auf Tour:

04.05.13 – Karlsruhe @ Festhalle Durlach
10.05.13 – Bremen @ Schuppen 2
21.05.13 – Zürich @ X-TRA
25.05.13 – München @ Backstage Werk
26.05.13 – Mannheim @ Alte Seilerei
31.05.13 – Duisburg @ High5Club
01.06.13 – Münster @ Skaters Palace
02.06.13 – Köln @ Essigfabrik
07.06.13 – Erfurt @ Centrum Erfurt
08.06.13 – Dresden @ Reithalle Strasse E
09.06.13 – Leipzig @ Kulturhof Plagwitz
14.06.13 – Stuttgart @ Zapata
15.06.13 – Nürnberg @ Hirsch
22.06.13 – Berlin @ Bi Nuu (ehem. Kato)
23.06.13 – Hamburg @ Markthalle Hamburg

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