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Fraktus: Welterfolg vom Reißbrett

Fraktus waren schon immer ihrer Zeit voraus. Jetzt ernten sie endlich die vor langer Zeit gesäten Früchte.

Bernd Wand, Thorsten Bage und Dickie Schubert. (Fotos: Christoph Voy)

Wenn du dich in den ausgehenden Siebziger Jahren gefragt hast, wie wohl die Musik der Zukunft klingt, dann hattest du eigentlich nur eine Wahl: Du musstest Fraktus hören. Heute ist ja im Vergleich zu damals die Zukunft und es steht nun fest: Fraktus hatten Recht. Ihrer Zeit weit voraus, zu visionär für den Mainstream, der es damals vorzog, das finsterste Kapitel deutscher Musikgeschichte zuzulassen und auf der unsäglichen Neuen Deutschen Welle zu reiten, blieben Fraktus die unverstandenen Auguren des Proto-Techno. Bis heute. Denn mit Hilfe der eigentlich artfremd agierenden Telefonstreich-Onkel Studio Braun landen Fraktus heute endlich dort, wo sie hingehören. Im Pantheon des Elektro-Schwachsinns. Diese in Kaltem Krieg-Frösteln erzitternde und sich der machtvoll erhebenden Technokratie der damaligen Zeit zur Wehr setzende Musik von Torsten Bage, Dickie Schubert und Bernd Wand ist heute aktueller denn je. Eigentlich ist sie erst heute wirklich aktuell. Darum erscheint in Kürze eine Dokumentation über den Aufstieg und Fall und Wiederaufstieg dieser Band. Darum erscheint auf Staatsakt ein Best-of des Fraktus-Backkataloges und deswegen trafen wir uns letzte Woche zu einem für diese Legende leider viel zu kurz bemessenen Gespräch.

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Noisey: Eure Platten kamen damals auf ZickZack raus. Die Retrospektive nun aber auf Staatsakt. War Alfred Hilsberg da nicht sauer? Oder hat Staatsakt einfach mehr Geld auf den Tisch gelegt?
Dickie: Die Sache ist ja die. Der Alfred sollte auch in unserem Film mitspielen. Aber der schuldet uns von damals ja noch 20.000 Euro.
Torsten: 40.000 Mark!
Dickie: Ja, das kann ich schon selbst übersetzen. Also 40.000 Mark. Hat der uns nie gezahlt und so lange das nicht passiert ist, werden wir nicht mit ihm zusammen arbeiten.
Bernd: Ja, da ist das Tischtuch zerschnitten. Obwohl, du würdest dich wohl noch mit dem an einen Tisch setzen?
Dickie: Ja schon. Ich seh den ja auch ab und zu. Aber das mit den Schulden betrifft ja auch nicht nur uns. Das ist ja bekannt, dass der kein Geld hat.
Torsten: Wir haben kein Verhältnis mehr zu dem. Das ist vorbei.

Seid ihr denn mit eurem neuen Label Staatsakt zufrieden?
Bernd: Na was heißt zufrieden? Wir sind einfach zu dem besten Label gegangen. Uns wurde gesagt, dass Staatsakt das derzeit beste Label für elektronische Musik in Deutschland ist und wahrscheinlich sogar auf der ganzen Welt.
Dickie: Die wollen ja auch mit uns Geld verdienen. Da haben die auch Glück gehabt, aber ob die wirklich was taugen, muss sich erst noch zeigen. Soll ja das angesagteste Label sein derzeit. Haben die uns jedenfalls gesagt.

Also genau die richtige Firma für die beste Band im Elektro-Sektor?
Bernd: Kann man schon so sagen. Wobei wir ja gerade wieder von vorne anfangen und uns erst noch beweisen müssen.

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Das ist interessant. Seht ihr das wirklich so? Ist es nicht so, dass ihr euch längst bewiesen habt?
Bernd: Da hast du natürlich Recht. Im Prinzip muss sich dieses Millionenpublikum da draußen erstmal beweisen. Die müssen beweisen, dass sie für diese Musik bereit sind.
Dickie: Und das sind ja Tausende, dieses Millionenpublikum.

Gab es Verbindungen zu anderen Künstlern oder Szenen der damaligen Zeit? Ich hab mich gewundert, dass keiner von euch für das „Verschwende deine Jugend“ Projekt befragt wurde.
Dickie: Natürlich hat der uns nicht gefragt. Aber das ist doch auch ganz klar. Sobald da so ein Buch gemacht wird, kommen sie alle aus ihren Löchern gekrochen. Aber das ist nicht unser Ding. Wir drängen uns nicht in den Vordergrund.
Torsten: Ist ja auch klar, dass diese unerfolgreichen Bands, diese Kraftwerks und wie sie alle heißen, sofort ihren Senf dazu geben, wogegen wir als erfolgreiche Band das gar nicht nötig haben.
Dickie: Wir wurden da bewusst rausgehalten. Ist ja auch klar, allein mit unserer Geschichte wäre das Buch ja voll gewesen. Da hätten sie dieses Buch, wie es jetzt ist, gar nicht mehr machen können. Deshalb haben die uns gar nicht gefragt. Das war eine ganz bewusste Entscheidung.

Klingt als sei da damals auch viel Neid im Spiel gewesen.
Torsten: Na klar, Neid und Eifersucht. Aber das ist ja nicht das einzige Mal, wo ganz bewusst gegen uns gearbeitet wurde. Das war beim Melt auch so, dieser Auftritt war ja nicht unsere Schuld.

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Du sprichst den Comeback-Auftritt auf dem Melt an, ich war damals im Publikum. Was ist da falsch gelaufen?
Bernd: Das ist natürlich ein sehr verbreitetes Phänomen in diesem Land, einer macht Stimmung und alle machen mit. Da ist ein einziger, der buht und plötzlich hängen sich alle dran.

Dickie: Da reicht wirklich einer. Wenn der so einen Seitenscheitel hat und so einen schmalen Bart, dann sind sofort alle dabei. Wenn da einer im Publikum aufhört zu klatschen, dann macht das die Runde. Genau so war das, ein einziger hat da gegen uns gearbeitet.

Torsten: Ich hab da so eine Theorie, ich zeig euch das, macht mal mit! (klatscht, die anderen beiden klatschen, aber bevor Torsten anschaulich machen kann, wie der Schneeballeffekt des Nichtklatschens einsetzt, löst sich das Fraktus-Promo-Plakat über ihm von der Wand)

Dickie: Haha, das ist ja typisch. Das war jetzt schon im Ansatz so langweilig, dass sogar das Plakat kein Bock mehr hatte.
Bernd: Jetzt reib doch da nicht ständig an dem Plakat rum. Sitz doch mal still. Das ist ja kaum auszuhalten.
Torsten: Könnt ihr jetzt mal alle eure Fresse halten. Also was ich sagen wollte. Da waren 5000, 8000 Leute und ein einziger reicht aus, damit die Stimmung kippt. Stell dir mal vor, da ist nur einer, der nicht klatscht. Dann sehen sich die anderen, die um ihn rumstehen, das an und hören auch auf zu klatschen. Das geht ganz automatisch. Da bist du einfach machtlos. Da kannst du so gut sein wie du willst.

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Was würdet ihr denn mit dem einen machen, der nicht klatscht?
Dickie: Umbr… Also naja, das müssten wir dann sehen. Aber wir haben das sowieso alles auf Video, wir können da an jeden einzelnen ranzoomen und irgendwann haben wir das Arschloch.

Das war allerdings auch der erste Auftritt nach 20 Jahren, kann es sein, dass ihr nicht eingespielt genug wart, um auf diese Situation angemessen zu reagieren?
Dickie: Damit hat das nichts zu tun. Wir hatten uns ja sehr gewissenhaft vorbereitet, hatten brutal geprobt. Aber wenn da so gegen dich Stimmung gemacht wird, kannst du nicht reagieren. Aber wir haben Bilder davon und die werten wir aus. Wenn wir den Typ erwischen …

Der Auftritt im Parkhaus in Hamburg lief ja dann viel besser. Woran lag das?
Torsten: Ja da waren wir ja auf jeden Fall eingespielter.

Also doch?
Dickie: Das lag aber auch Publikum, da waren ja nur ausgewählte Leute. Die Plattenfirma hat die ausgesucht. Weil wir ja wissen, was da gegen uns passiert.
Bernd: Da wurde ja auch dieser Film gedreht.
Torsten: Der zufällig genau zu unserem Comeback in die Kinos kommt.
Bernd: Der wurde ja nicht über uns, sondern gegen uns gedreht. Wir haben nur ein paar Ausschnitte gesehen, aber manche Leute sagen, dass sie den Film so angelegt haben, dass wir da richtig bekloppt rüber kommen.
Torsten: Vor allem er hier (zeigt auf Dickie), soll wohl rüberkommen wie ein richtiger Vollhorst.
Bernd: Ja, wie ein totaler Dorfdepp.
Torsten: Der reinste Dorfdepp. Wie ein richtiger Spast. Wie ein verblödeter, hirnverbrannter Oberspast.
Bernd: Der kommt total dumm rüber. Ist er gar nicht.
Dickie: (wirkt für eine Sekunde geknickt) Hm … Wir wollen auch nicht, dass sich die Leute den Film angucken. Wir werden verhindern, dass Leute, die den Film gesehen haben, zu unseren Konzerten kommen. Wir haben da eine sehr strenge Tür. Wer den Film gesehen hat, kommt nicht rein. Das sieht man ja am Stempel aus dem Kino.

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Wie geht ihr damit um, dass ihr auf der einen Seite mit einer unglaublichen Erwartungshaltung konfrontiert werdet (bei Leuten, die euch von früher kennen) und auf der anderen Seite eine ganze Generation euch überhaupt nicht kennt?
Dickie: Mit dieser Generation meinst du die, die vor uns da waren, oder? Die sind mir egal, ich mache ja keine Musik für Weltkriegsveteranen.

Ich meinte eigentlich die Generation, die später geboren ist. Kinder der Neunziger.
Dickie: Genau für die machen wir ja unsere Musik. Für die und niemanden sonst.

Die NDW war damals so was wie die Veralberung der avantgardistischen Musik, die ihr vorgelegt habt. Konntet ihr mit diesem Ansatz, elektronische Musik mit Humor zu verbinden, etwas anfangen?
Bernd: War überhaupt nicht unser Ding. Guck sie dir doch an. Markus. Hubert Kah. Frl. Menke.
Dickie: Hey, nichts gegen Frl. Menke. Ich hatte ja mal was mit ihr. Das ist meine Achillesferse …
Bernd: Dann meinetwegen Ixi. Mit Knutschfleck. War ja genau so schlimm.
Torsten: (singt) Mach mir doch kein Knutschfleck. Alles nur kein Knutschfleck. So’n Fleck hat nur den einen Zweck. Der Knutschfleck bleibt und du bist weg.

Dickie, hättest du nicht aus deiner Beziehung zu Frl. Menke einen Einfluss auf die NDW nehmen können?
Dickie: Überhaupt nicht, ich habe in der Zeit ja gar nichts mehr mit Musik zu tun gehabt.

Du hattest ja auch alle Hände voll zu tun, mit deinem Internet-Café Surf'n'Schlurf.
Dickie: Ja, ich hatte ja schon ein Internet-Café, bevor es das Internet überhaupt gab. Auch da war ich ja der Zeit total voraus.
Torsten: Damals hieß das ja noch …
Dickie: Ja, das war auch keine Internetcafé. Sondern ein Fax-Café.
Torsten: (lacht) Ein Fax-Café.
Dickie: (lacht und fällt kurzzeitig aus seiner Rolle raus) Ja, da konnte man Faxe verschicken. Haha, das ist echt blöd. Fax-Café! (kollektives Gelächter)
Bernd: Den hättest du mal im Film bringen sollen …

**

Fraktus’ Album Millennium erscheint am 09.11. auf Staatsakt.
Der Film Fraktus läuft ab Donnerstag, 08.11., in den deutschen Kinos.

06.11. 22:00h Berlin / Festsaal Kreuzberg
09.11. 21:30h Köln / Gebäude 9
10.11. 22:00h Frankfurt / Zoom Club

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