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Interviews

Fatoni will der erste Tatort-Kommissar sein, der rappt

Fatoni ist Schauspieler, will aber niemals ein Schauspiel-Rapper sein. Außerdem möchte er für Schlager schreiben. Zeit, sich mal zu unterhalten.

Foto: Conny Mirbach

Weil Fatoni Schubladen so hasst, haben wir einige zur Auswahl, in die wir ihn gerne packen würden:

Battlerap-Urgestein, True-Schooler, Sozio-Rapper, Rap-Rebell, Anti-Hipsterhype-Rapper…

Wir könnten die Liste noch ewig weiterführen, und würden uns doch nicht entscheiden, denn alle diese Begriffe würden Fatoni nur zum Teil gerecht werden. Denn der Müncher gehört eher zu der Kategorie der Alles-Könner, die keine Lust haben sich künstlerisch zu limitieren, auch wenn sie dadurch schwieriger zu greifen sind. Als Mitglied der Battlerap-Kombo Creme Fresh stand er in den 2000er Jahren auf den Battlerap-Bühnen des Landes und verdiente sich dort seine Live-Sporen. Größere Aufmerksamkeit erlangte er im letzten Jahr, als er mit Edgar Wasser das vor Dopeness triefende Kollabo-Album Nocebo herausbrachte. Fatoni ist einer dieser Künstler, der sich viele Gedanken darüber macht, wo Rap und die Gesellschaft stehen. Als ausgebildeter Schauspieler, der am Theater in Augsburg spielt, kann er zudem mit einer gesunden Entfernung auf den Rapzirkus blicken.

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Einen seiner denkwürdigsten Auftritte hatte er dieses Jahr zusammen mit Edgar Wasser bei den Kollegen von Joiz. Die beiden stellten sich hin und rappten den Song „Kunst“, in dem sie sich über Berliner Medienidioten wie uns lustig machten. Als Edgar Wasser zur finalen dritten Strophe ansetzte, in der er sich der Legende nach ausführlich mit Joiz beschäftigte, werden irgendwann die Live-Bilder des Auftritts abgebrochen. Wohl, weil man mit der Zeit schon drüber war, die Blogs schrien lauthals Zensur. Auch so war dies einer der HipHop Momente des Jahres. Höchste Zeit, sich mit Fatoni zu unterhalten

Noisey: Wie denkst du an den Joiz-Auftritt zurück?
Fatoni: Für uns ist es mega perfekt gelaufen. Es ist mehr oder weniger viral gegangen, das war schon sehr lustig.

Ihr habt nicht gemerkt, dass euch der Strom abgedreht wurde?
Ja, schon. Aber ich dachte, dass sie das ganze Ding vielleicht nachher ins Netz stellen. Aber man muss sagen, dass die sich tausend Mal entschuldigt haben und auch danach noch total nett waren.

Habt ihr nicht überlegt, den rausgeschnittenen Part danach nochmal ins Netz zu stellen?
Das wollten viele Leute und Joiz hat uns gefragt, ob wir nochmal performen wollten. Ich glaube, dann wäre es aber langweilig geworden. Wer sich ein bisschen mit Edgar Wasser auskennt, der weiß, dass er jetzt nicht nochmal kommen und die Strophe rappen würde. Schon gar nicht nochmal bei Joiz.

Ich habe mich noch nie bewusst mit einem ausgebildeten Schauspieler unterhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass Schauspieler auch im Privaten immer in Rollen verfallen. Und dann würde ich es nicht merken.
Das kommt drauf an, wie gut der Schauspieler ist. Ich kann dir leider keine überwältigende Antwort geben, aber das kann man nicht so pauschalisieren. Bestimmt gibt es welche, die dir jetzt was vorspielen würden, aber das würde ich nicht so gerne machen.

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Gibt es denn keine privaten Situationen, in denen du aus diesem Handwerk schöpfst?
Äußerst selten. Und in sozialen oder privaten Situationen mache ich das nicht. Das kann ich nicht. Was ich aber schon gemacht habe, ist schwarz zu fahren und dann zu sagen, dass ich meinen Personalausweis und meinene Brieftasche nicht dabei habe. Das hat ganz gut funktioniert.

Hast du das Gefühl, dass das Schauspielerpotenzial in der Raplandschaft immer größer wird?
Früher war es aber auch nicht so notwendig. Die Leute haben von alleine so ein Image bekommen und waren dann irgendwann die Figur, obwohl sie sich oftmals gewehrt haben. Jetzt wählen sie sich die Rolle und ziehen es dann durch. Ich habe aber auch das Gefühl, dass manche über die Jahre wirklich so werden. Dieses „Fake it till' you make it“-Ding und dann finden sie sich selber richtig geil. Die gehen auf die Vierzig zu, schreiben so Maturasongs und glauben dann, dass sie große deutsche Poeten seien.

Warum ist es denn mittlerweile salonfähig geworden, Schauspiel-Rapper zu sein?
Weil Rap fast schon Pop geworden ist. Ganz billig gesprochen. Es hat ja auch gezeigt, dass es zu Erfolg führt, wenn man nur eine Schiene fährt, sich ausdenkt, wofür man steht und diese Rolle durchzieht. Das gibts’s im Pop schon länger und jetzt kommt es eben im Rap an.

Du hast das Schauspielhandwerk gelernt, warum hast du dich nicht entschieden, selber eine Rolle zu erschaffen?
Weil ich mich nicht entscheiden kann. Außerdem wäre es langweilig. Selbst wenn ich eine Idee hätte, die es noch nicht gibt und ich diese durchziehe, dann würde ich mir selber dabei voll dumm vorkommen. Du wirst sowieso benannt oder in eine Schublade gesteckt, spätestens von Musikjournalisten. Dann muss man schauen, wie man damit zurecht kommt.

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Hättest du Schiss, dass du so ein Label nicht mehr loswerden würdest?
Vielleicht willst du das auch gar nicht, wenn du die perfekte Rolle gefunden hast. Wenn ich mir manche Leute anschaue, dann denke ich mir: Das ist so berechnend und formelhaft. Ich behaupte mal, das könnte man ganz dreist einfach nachmachen mit dem Handwerk, das ich habe. Aber trotzdem könnte ich das persönlich nicht.

Trotzdem kannst du das Schauspielhandwerk für deine Rapkarriere nutzen. Hat sich das bisher auf Videos beschränkt oder willst du das weiterverfolgen?
Das versuche ich gerade für mich herauszufinden. Natürlich nutze ich das schon für Videos und Live-Shows. In Amerika gibt es ja ganz viele schauspielernde Rapper und rappende Schauspieler. Ich will bald mal der deutsche Childish Gambino sein, oder der deutsche Mos Def. Im Sinne von, dass ich beides machen kann. Langsam ist Rap soweit. Kann auch sein, dass ich Bullshit erzähle und die Rapblase wieder platzt, weil alle gerade versuchen, was zu erzeugen. Aber ich glaube trotzdem, dass Rap so normal geworden ist, dass es nicht mehr komplett weggeht. Ich glaube, Deutschland ist bereit für einen Tatortkommissar, der auch Rap macht.

In deinem Interview mit Puls sagst du, dass du teilweise schlechte Comedy machst. Was ist denn schlechte Comedy?
Komm mal zu meinen Konzerten, dann weißt du, was schlechte Comedy ist (lacht). In Deutschland gibt es viel schlechte Comedy. Ich habe schon seit Jahren keinen Fernseher, aber immer wenn ich den Kasten anmache, läuft Die dreisten Drei auf Sat.1. Ich bleibe immer hängen, obwohl jede einzelne Pointe so unvorstellbar scheiße ist. Das Hassobjekt, worauf man sich in unserer Generation einigen kann, ist ja Mario Barth. Aber der ist ja trotzdem der erfolgreichste von allen. Wer sind diese Menschen, die das Olympiastadion füllen?

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Wahrscheinlich diejenigen, die auch Avicii hören.
Oder Helene Fischer. Ich habe lange gedacht, dass deutscher Schlager schwierig zu machen ist, aber mittlerweile glaube ich an das Gegenteil. Es ist wirklich keine große Kunst. Ich will ja immernoch dafür schreiben. Jemand, der das Interview hier liest, soll mich bitte als Ghostwriter engagieren. Ich habe gehört, dass das viele Rapper unter falschem Namen machen.

Deine EP trägt den Titel Die Zeit heilt alle Hypes. Hast du mittlerweile die Rolle des Hypeforschers inne?
Nein, leider noch nicht. Bisher wurde der Titel häufig auf aktuelle Rap-Hypes bezogen. Ich wurde dann häufig als Hipster-Hasser dargestellt, vor allem in Verbindung mit meinem Song „Dicke Hipster“, den ich so gar nicht gemeint habe. Ich glaube, da fühlten sich viele angegriffen, weil ich „realen Rap“ mache und andere angeblich anmachen wollte. Viele setzen sich damit gar nicht auseinander und denken, ich würde jemand erfolgreichen wie Cro damit angreifen. Dabei ist das noch nicht mal ein Disstrack. Es ist einfach nur eine Parodie, die in kleinster Weise böse war. Die böseste Line war „Ich habe auch nichts zu sagen“, worüber man sich streiten kann.

Wie war denn der Song gemeint?
Es gibt ja in dem Song dieses Intro von einem Beitrag von Spiegel TV über den Hipster, der schrecklich gemacht war. Da kommt VICE auch drin vor, glaube ich. Manchmal gibt es solche Beiträge auch über Rap, bei denen du merkst, dass älteren Menschen ein Phänomen erklärt werden soll, über das man sich lustig macht. Ich fand daran sehr witzig, dass gesagt wurde, dass es den dicken Hipster gar nicht gibt. Es gibt also trotz Individualistenanspruch ganz klare Uniformen und Regeln, alleine schon was Körperlichkeit angeht.

Plädierst du—auch mit dem Titel deiner EP— für mehr Nachhaltigkeit? Nach dem Motto: Hypes kommen und gehen, aber was Richtiges bleibt.
Wenn man gerade eine Krise oder einen Höhenflug hat, dann sollte man sich bewusst machen, dass das vorbei geht und alles vergänglich ist. Das macht ganz viel wieder egal und kann einen wieder auf den Boden bringen. Man erlebt ja Leute, die gerade ganz oben auf der Welle reiten und die das so vielleicht nicht verinnerlicht haben. Die fallen dann umso tiefer. Doch wenn man weiß, dass alles vergänglich ist, dann kann man entweder total depressiv werden oder es macht einen komplett frei. Mann, ist das esoterisch, was ich gerade rede.

Die Zeit heilt alle Hypes gibt es bald als limitierte Vinylauflage. Bei HHV könnt ihr ein Exemplar vorbestellen.

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