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Interviews

Farin hatte einen langen Urlaub

Farin Urlaub hat ewig kein Solo-Album gemacht, dafür ballert er jetzt auf ‚Faszination Weltraum‘ ordentlich los. Da musste wohl was raus.

Alle Fotos: © Olaf Heine

Wenn man mit einem Mitglied* der Die Ärzte spricht, geht das Interview nachher nochmal zur Freigabe an das Management. Das Management gibt es dann an die Musiker und die lesen es höchstpersönlich durch und ändern Dinge, die ihnen nicht passen. Das ist überhaupt nicht so schlimm (oder gar arrogant), wie es vielleicht klingen mag, denn die Mitglieder* der Die Ärzte sind ziemlich locker und am Ende ändern sie nicht viel. Eigentlich ändern sie nur eine Sache, diese dafür umso konsequenter: Sie machen jegliche Beugung des Bandnamens rückgängig. Wenn ich also mit Bela B über die ersten Schritte der Ärzte im Internet spreche, habe ich mit ihm über die ersten Schritte der Die Ärzte im Internet gesprochen. Und wenn Farin Urlaub im Interview wortwörtlich sagt, dass es bei „den Ärzten eine bestimmte Art von Musik“ gibt, dann hat er laut offiziellem Protokoll folgendes gesagt: „Es gibt so eine bestimmte Art von Musik bei den Die Ärzte… wir werden schon über die Jahre immer poppiger.“

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Kleinigkeiten, die wir gern hinnehmen, weil es ja trotzdem Spaß macht, mit Mitgliedern* der Ärzte, Pardon, der Die Ärzte zu sprechen. Nun hat also nach Belas Solo-Album im Mai auch Farin ein neues Farin Urlaub Racing Team-Album fertig. Sechs lange Jahre sind seit dem letzten FURT-Album vergangen, was auch für jemanden, den zwischendurch ein Die Ärzte-Album mit zugehöriger Tour hinter sich gebracht hat und seinen wohlverdienten Urlaub mit Reisen um die halbe Welt gefüllt hat, ziemlich lang ist. Dafür ist Faszination Weltraum jetzt auch entsprechend hitlastig und wird mit höchster Wahrscheinlichkeit gut einschlagen. Da musste wohl mal wieder was raus.

*Ich habe noch nie mit Rod gesprochen. Gehe aber davon aus, dass die Regeln bei den Die Ärzte für alle drei gelten.

Noisey: Es ist sechs Jahre her, dass du das letzte Solo-Album veröffentlicht hast. Wissen die Leute noch, wer Farin Urlaub ist?
Farin: Das weiß ich nicht. Aber ich werde es rausfinden.

Sollte eine rhetorische Frage sein, um sowas wie Bekanntheit brauchst du dir ja kaum Gedanken zu machen.
Weiß ich wirklich nicht, ich mache mir diese Gedanken auf jeden Fall. Und die Plattenfirma legt mir auch nahe, dass ich das machen soll.

Warum? Du bist dir doch deiner Stellung in der deutschen Musikszene bewusst.
Ich glaube, dass es gefährlich ist, wenn man als Künstler, egal, was für ein Künstler, davon ausgeht, dass einen ja sowieso alle kennen. Ich sehe das so, wenn ich ein Album rausbringe, muss ich immernoch darum kämpfen, dass es Leute auch hören. Und, dass es ihnen auch gefällt. Deswegen gebe ich mir Mühe und versuche originelle Sachen zu machen und so.

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Andererseits musst du ja auch immer im Kopf haben, dass die Leute dich schon kennen und mit einer gewissen Erwartungshaltung an ein neues FURT-Album gehen.
Nee, so weit geht’s dann wiederum nicht. Weil ich noch nie versucht habe, Songs für ein Publikum zu schreiben. Ich schreibe immer Songs, die mir selber gefallen, die ich selber gern höre. Ich versuche, meine Lieder nicht schlauer zu machen als ich bin, aber auch nicht blöder. Bei dem, was dabei rauskommt, habe ich bisher erstaunlich viele Treffer gelandet und auch ein paar totale Reinfälle. Das ist das Leben.

Was waren denn die Reinfälle?
Ich habe mal in einer Band gespielt, die ich auch gegründet habe, King Kong. Und das Publikum, das jetzt hier oben auf der Terrasse ist (zeigt auf die fünf Menschen in weiter Ferne), war so unser Durchschnitt, würde ich sagen. (lacht) Das waren sehr frustrierende Zeiten.

Das war damals nach der Auflösung der Die Ärzte. Wie kannst du dir erklären, dass du damals mit einem Solo-Projekt total gefloppt bist, während du viel später dann solo sehr viel Erfolg hast?
Vielleicht, weil ich jahrelang nicht wahrhaben wollte, was ich am besten kann. Ich bin ja immer so furchtbar stolz, wenn ich was mache—das muss man auch sein als Musiker oder überhaupt als Künstler. Also, ich bin damals von Deutsch auf Englisch umgestiegen, was ich nicht so gut konnte. Und habe völlig unerwartet eine Musik gemacht, die ich nicht kann. Und dann habe ich mich total gewundert, dass ich überhaupt keinen Erfolg habe. Ich dachte immer, „das ist doch super!“

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War es aber nicht.
Ja, vielleicht war es objektiv betrachtet nicht so super. Vielleicht wollten die Leute, das auch nicht von mir hören. Ich weiß es nicht, ich hab das nie ergründet.

Aber du wolltest damals unbedingt so einen harten musikalischen Cut?
Ich wollte eigentlich gar keine Musik mehr machen. Es ist aber so, dass ich gar nichts anderes kann. Und dann dachte ich mir so: „Was mache ich denn jetzt mit meinem Leben?“ Ich war da 25 Jahre alt. Und dann habe ich halt nochmal Musik gemacht. Aber diesmal ganz anders, viel besser! (lacht) Diese Ansicht haben leider nur sehr wenige Leute geteilt. Ich glaube genau: keiner.

Bela hat zu der Zeit ja auch weiter Musik gemacht und war auch sehr erfolglos.
Ein Glück! (lacht) Sonst hätte es Die Ärzte nie wieder gegeben.

Du hast schon ziemlich viel solo veröffentlicht, wenn man sich deine Diskografie ansieht, war diese Pause erstaunlich lang.
Die war lang, ja. Das lag an zwei sehr langen Reisen und einem kompletten Die Ärzte-Zyklus, der dann doch immer etwas über zwei Jahre dauert: Lieder schreiben, Lieder aufnehmen, Promo machen, ganz viele Konzerte spielen… Ich habe einmal ein Racing Team-Album zu dicht an einem Die Ärzte-Album rausgebracht, das war das letzte Album, Die Wahrheit übers Lügen, und das hat sich schlecht auf die Tourbesuche ausgewirkt und ich war auch selber sehr erschöpft danach. Ich hatte da nicht genug Pause. Dieses Mal habe ich mir gesagt: Wenn, dann ganz luxuriös entspannt. Ich habe dann das Racing Team vor anderthalb Jahren zusammengerufen und habe gesagt, habt ihr Lust? Weil die ja auch ihr eigenes Leben haben und nicht den ganzen Tag dastehen und darauf hoffen, dass ich endlich anrufe. Und die hatten Lust.

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Hast du dann auch mit denen zusammen die Songs geschrieben?
Nein, schreiben tue ich immer allein, auch Die Ärzte-Songs—bis auf ganz wenige Ausnahmen—schreibe ich allein.

Kommt denn trotzdem aus der Band Feedback oder sogar Änderungsvorschläge?
(überlegt) Nee. Für die Live-Arrangements vielleicht nochmal, aber ich arrangiere ja für die Band. Und das ist dann schon alles sehr umsetzbar. Das einzige, was einmal kam—das war beim letzten Album—da hatte ich einen Song geschrieben, den ich super fand. Wie eigentlich jeden Song, den ich schreibe. Blöder Narzissmus als Musiker… Aber den haben sie abgelehnt. Und ich so: „Hey, Palastrevolution!“ Aber den haben wir dann nicht aufgenommen.

Und was hältst du aus heutiger Sicht von dem Song?
Naja, mmmh, ach, der ist schon toll. Aber vielleicht ist er nicht so toll, wie die anderen.

Der kommt dann nochmal auf so einer Sonder-Special-Edition in 20 Jahren.
Nee, sowas mach ich ja nicht.

Dann kommt er auf ein Die Ärzte-Album.
(lacht laut los) Hahaha! Das wäre was! Nee, ich glaube, das haut musikalisch nicht hin, das war so ein Experiment. Egal.

Schreibst du die Songs, die du schreibst, immer bewusst für deine Solo-Platten, beziehungsweise bewusst für Die Ärzte? Oder entscheidest du das hinterher?
Es ist so, einerseits schreibe ich durchgehend Songs und dabei ist mir meistens schon sofort klar, das ist jetzt ein Die Ärzte-Song oder einer fürs Racing Team. Aber es gibt natürlich nochmal eine ganz andere Dringlichkeit, wenn ich weiß, so, in einem halben Jahr gehe ich ins Studio. Dann fallen mir zielgerichtet Songs dafür ein. Wobei mir dieses Mal ziemlich viele Songs für ein Country-Album eingefallen sind, das ich schon seit Jahren aufnehmen will. Aber das ist Belas Thema, da möchte ich ihm nicht reinpfuschen.

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Ich habe dein Album gerade eben erstmals gehört—zumindest der erste Song ist eine ganz schöne Ansage, weil er ziemlich hart ist.
Es geht ja auch hart weiter.

Woher kommt das?
Das musste raus. Ich hatte Bock, mal wieder so richtig auf Lärm und Gitarren. Es gibt so eine bestimmte Art von Musik bei den Die Ärzte… wir werden schon über die Jahre immer poppiger. Es sind Rocksongs dabei, natürlich, ich betrachte uns als Rockband, aber es ist halt schon eher in Richtung Pop. Und jetzt wollte ich mehr in Richtung Rock gehen. Klar, das sind immer noch Pop-Melodien, ich kann halt nicht anders. Ich muss immer so mitsingbare Melodien schreiben, aber ich wollte auf jeden Fall richtig Rock.

Du spielst auf der Gitarre fast schon ein paar Metalriffs—musst du dir sowas draufschaffen?
Nö, das klappt auch so. Ich bin, wie jeder weiß, nicht so der Saitenhexer, aber das ist auch keine Saitenhexerei, das ist einfach nur etwas tiefer angeschlagen, das passt schon.

Das Farin Urlaub Racing Team ist erheblich größer als Die Ärzte, da kannst du dich als Komponist richtig auslassen, oder?
Ja, genau. Wobei es nicht so ist, dass wir uns bei den Die Ärzte nicht auslassen könnten. Es gibt Die Ärzte-Stücke mit Bläsern mit Streichern, mit Orchester… Wenn wir Lust haben, ja, aber natürlich besteht der Kern immer aus uns dreien. Das Schöne am Racing Team ist, die Stücke jetzt, bis auf die Streicher, kann ich eins zu eins auch auf der Bühne rüberbringen. Und das ist natürlich geil, da freue ich mich sehr drauf. Zwei Gitarren zu haben, ist einfach der Hammer! Du kannst dich da auf gewisse Sachen konzentrieren, weil den Rest macht Nessie. Die macht die Arbeit und ich kann einfach nur Spaß haben. Das ist großartig.

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Ich finde, die Single „Herz? Verloren“ könnte genau so auf einem Die Ärzte-Album sein.
Oh.

Ich meine das gar nicht negativ, aber du sagst, dir ist ziemlich früh im Schreib-Prozess klar, ob du einen Die Ärztesong oder einen FURT-Song schreibst.
Diesen Song habe ich tatsächlich spezifisch fürs Racing Team geschrieben. Aber, es ist ja sowieso so, dass es Leute gibt, die mir vorwerfen, dass die Stücke austauschbar wären. Ich sehe das nicht so, aber wenn man das so sieht, wär’s wahrscheinlich auch egal. Ich habe halt meine Art zu komponieren. Und ich mochte bei dem Lied vor allem diesen Reim von „Sei mir nicht bös, ich bin polyamorös“, als der mir eingefallen ist, dachte ich: „Okay, alles klar, geil!“ Diesen Humor zum Beispiel, den lege ich ja nicht ab, wenn ich Die Ärzte-Mütze ablege. Das ist halt mein persönlicher Humor und der scheint in den Texten durch.

Apropos Texte—du verarbeitest in Farin Urlaub-Songs und auch in Die Ärzte-Songs viele Liebesgeschichten. Von Verliebtheit, Glück, Scheitern, Trennung… Speist du diese Texte aus Geschehnissen aus deinem Leben?
Null. Es gibt Geschehnisse weit in der Vergangenheit, die mich offenbar so traumatisiert haben, dass ich das dort Gefühlte abgespeichert habe und das kann ich auch heute noch jederzeit abrufen. Aber es ist nicht so, dass ich traurige Lieder schreibe, wenn ich Liebeskummer habe und andersherum. Nein, so funktioniere ich nicht. Ich schreibe Lieder, wenn ich Lieder schreiben will. Eines der schwierigsten Lieder, die ich je geschrieben habe, handelte von Selbstmord und weil ich so überhaupt nicht der Typ dafür bin, sondern das absolute Gegenteil davon, habe ich wochenlang versucht, mich da reinzudenken. Wie ist das, wenn man einfach keinen Ausweg sieht und so. Ich weiß nicht, ob mir der Test gelungen ist, aber ich schlüpfe für jeden Text in eine Rolle und erzähle aus der Sicht die Geschichte. Aber das sind Phantasiegeschichten.

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Wenn du dich in so eine Rolle arbeitest, ist das eine rein mentale Sache, oder liest du Bücher zum Thema Selbstmord oder schaust du bestimmte Filme?
In dem Fall war es ein Gedanken-Experiment, aber es gibt auch Bücher, die mich inspirieren. Mal ist das nur eine Formulierung, mal eine Vorgehensweise.

Du hast ein Lied namens „Fan“ geschrieben, über deine Fans.
Naja, es ist zum einen über Dinge, die ich selber empfinde, aber, ja, vor allem über Dinge, die ich schon um die Ohren gehauen bekommen habe. Klar, logisch.

Ist es denn so, dass einen als Musiker solche Fan-Vorwürfe so sehr beschäftigen?
Ganz am Anfang war das so. Da war ich total bestürzt. Weil ich nicht wusste, dass es einfach dazugehört. Ich habe das damals wirklich so ganz ernst genommen, und dachte so: „Vielleicht sind wir wirklich schlecht. Es haben jetzt zwei Leute gesagt, dass das neue Album nicht gut ist.“ Irgendwann habe ich dann verstanden, dass es eigentlich um was ganz anderes geht.

Das war bei der Veröffentlichung vom zweiten Album?
Ja genau. Und seitdem ist es nur noch schlimmer geworden, aber seit ich verstanden habe, wie der Mechanismus funktioniert, ist alles gut. Ich kann mit dieser Kritik gut leben. Das Lustige ist, was die Leute ja unterschätzen, dass sie uns ein Riesenkompliment machen. Denn wir waren offenbar so wichtig, dass sie jetzt so enttäuscht sein können.

Und dieser Stachel sitzt so tief, dass du jetzt, so viele Jahre nach dem zweiten Die Ärzte-Album ein Lied darüber schreibst?
Du darfst nicht unterschätzen, dass man ein Album auch vollkriegen muss. Und ich versuche immer, neue Themen zu finden. Da ich selber als Fan gerade enttäuscht wurde—und nein, ich werde jetzt keinen Namen nennen—hat es irgendwie gepasst.

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Kennst du „Unsere Fans“ von Kraftklub?
Nee! Ich habe darüber gelesen, dass sie auch einen Song haben, der davon handelt, aber ich habe ihn noch nicht gehört.

Ich habe mal gehört, dass du ein ziemlicher Kontrollfreak bist.
Wer sagt das? Bela? (lacht laut los)

Bela ist wahrscheinlich lockerer, oder?
Ähhm, das müssten andere Leute beurteilen, ich bin da auch in keinem Wettbewerb. Es ist auf jeden Fall so, dass ich sehr genau weiß, was ich will. Das macht das Arbeiten mit mir manchmal sehr einfach, denn du musst nicht raten. Ich sag dir ganz genau, was ich will. Es kann schwierig werden, wenn du eine ganz andere Ansicht hast, dann müssten wir uns quasi entscheiden, wer Recht hat. Und im Racing Team ist das ganz cool, da steht mein Name drüber. (lacht)

Wie siehst du nach so langer Zeit dein Verhältnis zu Bela?
Wir gehen auf jeden Fall sehr liebevoll miteinander um, und sehr respektvoll, aber wir sind auch beide ganz froh über den momentanen Abstand. Die letzte Epoche war halt wieder sehr intensiv. Ich habe mich total gefreut, ihn in Hamburg zu besuchen. Als er in Berlin gespielt hat, bin ich gerade umgezogen, da konnte ich nicht. Darüber habe ich mich echt geärgert und deshalb war ich dann knapp zwei Wochen später bei dem Konzert in Hamburg. Das war total schön. War schön, ihn zu sehen und war auch schön zu sehen, wie glücklich er da ist, in seiner unangefochtenen Frontmann-Position. Das war ein ganz schönes Konzert. Er hat mir auch zwei Lieder gewidmet… Wie gesagt, ich halte unser Verhältnis gerade für sehr, sehr liebevoll und trotzdem ist er froh, dass er seins hat und ich meins. Alles gut.

Sein Album hast du ja auch gehört. Hast du da gedacht, lass ihn sich mal austoben mit seinem Country-Kram?
Ja, er hat ja schon das letzte Die Ärzte-Album versucht, in die Richtung zu drücken und ich habe halt eine ganz andere Art, Gitarre zu spielen. Er war dann auch nicht immer ganz glücklich damit, weil ich finde halt, Die Ärzte sind Die Ärzte und ich wollte mich nicht völlig verleugnen. Ich habe halt meinen Stil, Gitarre zu spielen. Er hat das dann auch akzeptiert, und jetzt hat er halt Leute, die genau das machen, was er will und das ist auch voll super.

Gibt es in solchen Fällen Kämpfe zwischen euch?
Nö, Kämpfe sind’s nicht, aber …

…du sagst: Der Song ist eher was für dein Solo-Projekt, Bela.
Sowas, ja. (lacht)

Faszination Weltraum von Farin Urlaub Racing Team erscheint am 17. Oktober bei Völker Hört die Tonträger. Ihr könnt es über Amazon oder iTunes bestellen. Folgt Ayke auf Twitter: @suethoff

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