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Interviews

„So wie ich rappt aber gerade niemand“—eRRdeKa im Interview zu ,Rapunderdog‘

Es ist 2015, und Battlerap ist wieder angesagt. Auch eRRdeKa hat Spaß dran und ein neues Album in der Pipeline.

HipHop-Deutschland, 2015. Die Battlerap-Renaissance ist in vollem Gange. Nachdem es einige Jahre lang verpönt war, nur noch über Rap zu rappen—damit wollte mit Ausnahme von Spezis wie Laas Unltd. niemand was am Hut haben—gibt es nun plötzlich wieder zig Platten, auf denen genau das im Mittelpunkt steht. Rappen zum Spaß und die Unterhaltung des Publikum durch kunstvolle Beleidigungen ist wieder en vogue. Eine zwangsläufige, ja nötige Entwicklung, weil Deutschrap als Folge des kommerziellen Höhenflugs zuletzt immer mehr von vorne bis hinten durchkalkulierten Murks produzierte. Nun besinnt man sich also auf „alte Werte“—das ist heilsam und gar nicht mal fortschrittsfeindlich. Wenn HipHop seine Relevanz nicht irgendwann verspielen möchte, tut eine zwischenzeitliche Rückbesinnung tatsächlich gut, sofern die Interpreten sich nicht irgendwann in ödem Retro-Fetischismus verzetteln.

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Mit Prinz Porno und Kool Savas veröffentlichten vor einigen Monaten unter anderem zwei Berliner Rapper gelungene Platten, die als Teil der Hauptstadt-Battlerap-Welle um die Jahrtausendwende deutschen HipHop revolutionierten. Keiner von beiden erreichte dabei ganz die Brillianz seines Frühwerks; trotzdem waren PP=MC2 und Märtyrer hörenswerte Alben und spannende Zeugnisse für die Entwicklung von zweien, die Deutschrap damals ein neues, aufregenderes Gesicht verpassten. Parallel dazu ploppten im Berliner Untergrund Künstler wie MC Bomber und die Futschis auf, die sich offensichtlich ebenfalls auf die politisch unkorrekte Battlerap-Lehre von Westberlin Maskulin, Beatfabrik, Bassboxxx und Konsorten bezogen.

eRRdeKa wiederum recordete zur selben Zeit in seiner Heimatstadt Augsburg ein Album mit Namen Rapunderdog, das die melancholischen Betrachtungen von Paradies links liegen lässt und sich anstatt dessen ausgiebig (wie schons seine frühen Mixtapes) Flow-technisch wie inhaltlich auf besagtes Damals bezieht. Ein Zufall ist das nicht, schließlich wuchs eRRdeKa ebenso wie eben jene Berliner vor allem mit Hauptstadtrap auf, wie er mir bereits erzählte, als wir uns vor knapp zwei Jahren zum ersten Mal zum Interview trafen. Es war damals sein erstes, längeres Interview. Im vergangenen Juli trafen wir uns erneut; im Kreuzberger Wrangelkiez. Eine Zeit lang war das Viertel das Epizentrum des Berliner HipHop, heute tummelt sich in den örtlichen Cafés bestimmt die Hälfte der deutschen Musikindustrie. Es ist viel passiert, aber nicht nur auf der Falckensteinstraße, sondern auch in 24 Monaten eRRdeKa. Gründe zum Quatschen gibt es ja immer, in diesem Fall stand aber sogar Handfestes auf der Tagesordnung: HipHop als Hauptberuf, Rap-Rap, die Generation Money Boy und die Grenze des guten Geschmacks im Battlerap.

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Noisey: Du rappst mittlerweile seit acht Jahren, bist nun seit 2014 „hauptberuflich“ Musiker. Ist das Rapper-Dasein so, wie du dir es vorgestellt hast?
eRRdeKa: Ich glaube, dieses Rapper-Leben, so wie ich es mir früher vorgestellt habe, existiert eigentlich nicht. Ich bin auf jeden Fall Musiker—mit allem, was dazu gehört. Das ist schon manchmal eine Herausforderung und braucht auch eine Menge Disziplin, weil man sich sehr viel selbst organisieren muss und keine geregelten Arbeitszeiten hat. Ich kann am Wochenende nicht sagen: „Nee, jetzt will ich mit meiner Arbeit nichts mehr zu tun haben.“ Das kann auch mal stressen, aber wer hat schon die Chance das zu machen, was ich mache?

Als wir uns das erste Mal getroffen haben, hast du noch oft und gerne als Grafiker gearbeitet, hast Flyer gestaltet, Shirts designt und so. Hast du heute noch Zeit, um deine kreativen Interessen neben der Musik zu verfolgen?
Ja, auf jeden Fall. Ich arbeite nebenbei immer hier und da an ein paar Techno-Tracks; außerdem baue ich gerade mit meinem Kumpels an einem eigenen Studio. Flyer und so Zeug mache ich auch noch nebenher. Ich bin halt nicht so ein Mensch, der sich eine Woche lang vor die Playstation setzt. Wenn ich mal runterkommen will, mache ich keine Mucke, aber schon etwas Kreatives, was mich aber nicht so komplett einnimmt, zum Beispiel eben kleine Gestaltungs-Jobs.

Auch Rapunderdog wirkt auf mich wie ein Album, mit dem du nach dem inhaltlich sehr schweren Paradies mal runterkommen wolltest. War das für dich wirklich so oder würdest du die Platte eher als Zusammenführung von Eyeslow-Mixtapes und Debütalbum beschreiben?
(Überlegt lange) Nein, Rapunderdog ist schon eher komplett anders. Nach Paradies habe ich mich bisschen leer gefühlt. Ich hatte keine Lust, mich wieder auf diese deepe Schiene abzuzielen und mich so sehr in etwas reinzusteigern. Von daher kam zu Beginn der Album-Entstehung eigentlich nur in Frage: Beats picken und drauf los rappen. Ich wollte einfach auf Flows und Vibe achten, nicht so sehr auf tiefgründige Inhalte.

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Songs, die vor allem über Flow und Lines funktionieren, werden seit ein paar Jahren vor allem von HipHop-Kritikern häufig abwertend als Rap-Rap bezeichnet.
Natürlich gibt es Rapper, die nur sinnfreies Zeug rappen und das mal nicht gut—das stört mich dann genauso. Auf der anderen Seite feiere ich natürlich auch Sachen, die in meinen Ohren einfach cool klingen. So wie ich rappt aber jetzt gerade niemand, finde ich, und das soll nicht eingebildet klingen. Mir ist natürlich gleichzeitig bewusst, dass das, was ich mache, an älteren Rap aus Berlin erinnert.

Zwei deiner drei Feature-Gäste auf Rapunderdog haben ihre Karrieren ja in der Berlin Rap-Frühphase gestartet: Prinz Porno und Frauenarzt. Ersterer ist dein Labelchef und zweiterer arbeitet hinter den Kulissen größtenteils mit den selben Menschen wie du. Aber mal abgesehen davon: Warum passt Frauenarzt so gut auf dieses Album?
Frauenarzt ist einfach eine Ikone aus dieser Zeit. Kann man das so sagen?

Auf jeden Fall.
Ich finde seine Stimme einfach megakrass. Frauenarzt erkennt man auf jedem Song sofort. Ich würde mir heute zwar nicht mehr unbedingt ständig Porno Party reinfahren, aber als Jugendlicher fand ich das geil. Dazu muss man sagen, dass ich ein paar Songs für das Album im Atzen-Studio aufgenommen habe und DJ Reckless und Frauenarzt vor Ort natürlich auch getroffen habe. Dann habe ich denen bisschen was gezeigt, und Arzt war direkt von „Unter Deck“ angefixt. Selbstverständlich habe ich ihn dann direkt nach einer Strophe gefragt.

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Frauenarzt ist weder beliebt wegen ausgefallener Flows, noch kennt man ihn dafür, tiefgründige, lyrische Songs zu schreiben. Was fasziniert dich an ihm?
Bei ihm passt das Gesamtbild. Die Sprüher-Vergangenheit, Berlin Crime, seine Antihaltung gegenüber der HipHop-Szene. Ich liebe einfach seine rotzige Attitüde, außerdem hat er eine geile Stimme. Das Gesamtpaket hat mich früher einfach krass geflasht. Im aktuellen Rap gibt es wenig Leute, die ich gerade ähnlich geil finde, von denen ich mir auch mal ein Album holen würde.

Gibt es im aktuellen HipHop-Geschehen für dich niemanden, dessen Musik einen vergleichbaren Charme hat?
Doch, zum Beispiel die 187 Straßenbande. Was die machen, hat viel mit Authentizität zu tun. Ich nehme denen das ab, was sie sagen. Deren Musik trifft nicht zu 100 Prozent meinen Geschmack, aber trotzdem catcht mich das.

Welche Musik trifft momentan denn deinen Geschmack?
Da gibt's gerade sehr wenig, wie mir letztens aufgefallen ist. Das A$AP Rocky-Album habe ich extrem gefeiert. Ansonsten höre ich viel so sehr düstere Trap-Musik und, ganz ehrlich, auch viel Money Boy, LGoony, Crack Ignaz und so. Da bin ich gerade so richtig drin. Ansonsten gibt es aber im Deutschrap nichts, was ich mir gerade wirklich „kaufen“ möchte. Das Gefühl habe ich gerade echt nur bei Kirsch von Crack Ignaz. Bei MoTrip habe ich reingehört, da fand ich nur einen Song so richtig stark. Marsimoto habe ich mir auch mal komplett gegeben, aber da ist irgendwie auch nicht furchtbar viel von hängen geblieben. Wer weiß, vielleicht bin ich auch überkritisch.

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Würdest du sagen, dass es zwischen dir und den sogenannten „Swag-Rappern“ Gemeinsamkeiten gibt? Immerhin sind die meisten von denen ungefähr in deinem Alter.
Na ja, ich muss auf jeden Fall zugeben, dass ich auch lange den Plan hatte, mal solche Musik zu machen, ich feiere selbst ja zum Beispiel Yung Lean total. Das zu machen, wäre mir nur irgendwie zu offensichtlich gebitet gewesen. Andererseits finde ich selbst es ja mittlerweile cool, dass LGoony darauf scheißt, dass man ihm vorwirft, er würde wie einer von den Sad Boys klingen. Und wenn Hustensaft Jüngling oder Medikamenten Manfred Witze über den Germanwings-Absturz machen, ist das natürlich asozial. Gleichzeitig finde ich vieles von denen sehr witzig; die haben eben einen sehr sarkastischen Humor, den man schnell in den falschen Hals bekommt. Dabei wandern sie natürlich auf einem schmalen Grat, da kommen schnell Sachen bei raus, die eben nicht klar gehen.

Wo liegt für dich im Battelrap die verbale Grenze, die man nicht überschreiten sollte?
Das ist extrem schwierig zu beantworten. Nimm nur das N-Wort. M.O.R. wurden damals ja dafür kritisiert, dass sie das benutzt haben. Mich stellt sich bei sowas immer die Frage: in welchem Kontext wird das gesagt? Wenn man dieses Wort als Diss verwendet, ist das selbstverständlich beschissen, aber wenn ein Berliner Rapper das so ähnlich wie das Wort Bruder benutzt und an das Ende eines Satzes hängt, dann ist das doch okay, oder nicht? Ich persönlich finde es jedenfalls nicht schlimm, aber ich kann natürlich verstehen, dass es auch Leute gibt, die sich davon angegriffen fühlen.

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Zu guter letzt: Welche drei Battlerap-Zeilen auf Deutsch sind deine liebsten?
Boah. „Ich komm’ auf die Badewiese und sag ihr seid alle Spasten“ von Fler finde ich geil. Das erste CCN-Album feiere ich eh zu Tode. Ich brauche ohnehin keine perfekt ausgeklügelten Punchlines, die Zeile sollte einfach im Kontext des Tracks passen und reinknallen. „Meine Bibel hat sechs Worte, ich bin tight, ihr seid wack“ ist natürlich auch geil. Und zum Schluss dann noch was von Taktlo$$: „Was kannst du, was ich nicht kann? Ganz leicht sterben, Nigga“!

eRRdeKas Album Rapunderdog erscheint am 28. August bei Keine Liebe Records. Holt es euch bei Amazon oder iTunes.

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