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Ein offener Brief an die Väter des HipHop: Hört auf, euch über Nicki Minajs Hintern Sorgen zu machen

Eure männliche Meinung über Nicki Minaj ist irrelevant und entspricht jedem Klischee.

Lieber Chuck Creekmur,

Ich bin Musikbloggerin und ich bin eine Frau.

Ich habe nie für deine Webseite AllHipHop geschrieben oder sie überhaupt irgendwann mal erwähnt. Ich habe nie deine Bekanntschaft gemacht oder überhaupt mit dir korrespondiert. Du hast mir nie dabei geholfen, in eine Party zu kommen, oder mir irgendwelche Gefallen getan, aber selbst wenn, würde das dir noch lange nicht das Recht geben, mir vorzuschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe.

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Wenn ich mir deinen offenen Brief an Nicki Minaj so anschaue, den du gestern als Reaktion auf das Artwork der kommenden Single „Anaconda“ veröffentlicht hast, dann scheinst du mir die Art von Kerl zu sein, die eine rigide Strichliste darüber führt, was Frauen ihm in seinen Augen schuldig sind.

Heute fühle ich mich genötigt, dir zu schreiben, dass Frauen und Mädchen dir tatsächlich gar nichts schuldig sind—vor allem, wenn es darum geht, wie wir unsere eigene Sexualität ausdrücken und interpretieren möchten. Das ist eine Tatsache, auf die Frauen, wie ich, solche Männer, wie dich, in letzter Zeit viel zu oft hinweisen müssen, und langsam aber sicher bin ich es leid, mich immer wiederholen zu müssen. Wir haben es so satt, diese Art von Reaktionen zu formulieren, so wie ihr Typen es satt seid, sie zu lesen. Du denkst vielleicht, du könntest dich nicht weiter außerhalb der Gefilde moderner Frauenunterdrückung bewegen, aber weit gefehlt. Genau wie die ultrakonservativen, weißen Typen in Washington, die uns dazu zwingen, unseren Chefs unsere bevorzugten Verhütungsmethoden offenzulegen und auch sonst alles daran setzen, um auch die grundlegendsten Sexualgesundheitsvorsorge zu unterbinden, ja, genau so bist du nur ein weiterer Typ, der versucht, einer Frau weiszumachen, dass es ihr nicht erlaubt ist, ihre Sexualität selbstbestimmt auszudrücken. Es ist heutzutage offensichtlich notwendig wie eh und je, Männern wie dir dieses Konzept bis zum Erbrechen erklären zu müssen.

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Deinen Brief, von dem du behauptest, dass er von Herzen kommt, beginnst du mit einer Anekdote darüber, wie Minajs Team dich früher einmal darum gebeten hat, ein ähnliches Bild von deiner Seite zu nehmen.

„Für einen kleinen Augenblick hatte ich das Gefühl, einen kurzen Blick in die tiefsten Untiefen von Nicki Minajs wahrem Selbst erhaschen zu können—einem Wesen, dem es nicht egal ist, wie dieser Bitch-Style mein Kind beeinflusst. Ich sagte zu mir selbst, „Wie cool ist das denn? Nicki entwickelt sich langsam zu einer Künstlerin, die ich meiner kleinen Tochter vielleicht erlauben würde zu hören. Vielleicht“, schreibst du, „Und jetzt beginnt die momentan populärste schwarze Rapperin offensichtlich wieder damit, ihr hypersexualisiertes Image zu pushen? Das muss wohl an meinem Glück liegen.“

Wenn du wirklich so besorgt über die Auswirkungen eines anzüglichen Albumcovers auf deine Tochter bist, dann wäre es wohl um einiges effektiver, sich mal mit ihr hinzusetzen und darüber zu sprechen, anstatt deine Zeit damit zu vergeuden, einen Star öffentlich im Internet dazu aufzufordern, sich für seinen offenen Umgang mit Sexualität zu schämen. Ich will dir gar nicht sagen, wie du deine Kinder zu erziehen hast, da ich selber keine habe und es mich auch ganz einfach nichts angeht. In deinem Brief verwendest du deine Eigenschaft als Vater fälschlicherweise als Legitimation. Sie gibt dir kein Recht, irgendeiner Frau sagen zu dürfen, wie sie sich als sexuelles Wesen zu präsentieren oder nicht zu präsentieren hat.

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Abgesehen davon mache ich mir auch gar keine Sorgen um deine Tochter, Chuck. Ich mache mir Sorgen um dich! Hast du dir tatsächlich mal eine Minute Zeit genommen, um über deine erste Reaktion auf das Albumcover von „Anaconda“ zu reflektieren? Ich meine, was denkt Chuck Creekmur wirklich gerade über Nicki Minaj? Bist du dir sicher, dass er nicht einfach nur … wütend und geil ist?

Falls das der Fall ist, wer könnte dir das schon übel nehmen? Für dich muss es überaus frustrierend sein, dass einer der momentan heißesten und einflussreichsten Rapper im Geschäft eine Frau ist. Nicki Minaj ist talentiert, zielgerichtet und hat sich selbst zu einer globalen Marke gemacht—und das natürlich nur, weil du so nett warst, sie vor zehn Jahren in eine Party zu lassen. Sie ist nicht mehr nur Künstlerin, sie ist auch noch ein Duft, ein Lippenstift, ein Nagellack und ein ständiges Gesprächsthema in den Medien—sie hat sich selbst ein glamouröses Reich weiblicher Ermächtigung geschaffen. Durch all diese Errungenschaften hat sie selber die volle Kontrolle über ihr Image und darüber, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden möchte. Wenn wir ehrlich sind, braucht sie dein AllHipHop gar nicht mehr—nicht solange sie Instagram hat. Das muss richtig wehtun.

Du—und mit dir unzählige andere Männer in der Unterhaltungsindustrie—partizipierst tagtäglich an der uralten Tradition, Frauen aus Profitgründen als Sexobjekte darzustellen. Gerade Rap und HipHop sind schuldig an einigen der abscheulichsten Auswüchse dieser Praxis. Ich frage mich, wie oft du dich genötigt fühlst, öffentlich den „höheren Sinn“ einer solchen Darstellung in Frage zu stellen, wenn Illustrationen dürftig bekleideter oder übersexualisierter Frauen für AllHipHop auf deinem Schreibtisch landen, die aber das schmückende Beiwerk von männlichen Künstlern sind. Der eigentliche Grund, warum Nicki Minajs Artwork diese Reaktion bei dir ausgelöst hat, ist nicht der, dass du Vater bist, sondern der, dass du ein Misogynist bist. Du bist die Art von Frauenfeind, der nur mit einer offensiven Darstellung weiblicher Sexualität klarkommt, wenn sie einem Mann gewidmet ist und von einem Mann in Szene gesetzt wird. Wie man aus deinem Brief lesen kann und an den Inhalten merkt, die tagtäglich auf deinem Blog gepostet werden, ist es nach deinen Regeln völlig OK, wenn es sich bei der Frau um eine gesichtslose Unbekannte handelt, die sich lasziv für einen Mann räkelt und die Beine breit macht.

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Weiter in deinem offenen Brief machst du Nicki runter, indem du sie mit deiner Vorstellung von einer respektablen Frau vergleichst.

„Stell dir vor, wie es wäre, auf so eine Art wahrgenommen zu werden?“ schreibst du, „in der Art, die Lauren Hill, Queen Latifah und MC Lyte für ihre jeweiligen Communitys bedeutet haben? Ich weiß, die Zeiten haben sich geändert, aber eine Sache ist klar: Karrieren kommen und gehen. Dein Erbe bleibt aber für immer.“

Damit unterstellst du, dass Frauen nicht beides gleichzeitig sein können, offensiv sexuell und substantiell; dass sie entweder das eine oder das andere sein müssen. Diese Idee von „Die Heilige VS. Die Schlampe“ ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Damals in den 60ern war man entweder eine Marilyn Monroe oder eine Jackie Kennedy. Heute bist du entweder eine Beyoncé oder eine Rihanna—Heiratsmaterial oder Nutte.

Frauen sind nicht so eindimensional. Wir verfügen über die Kapazitäten, sexuell und talentiert zu sein. Wir können dazu auch noch etwas Wichtiges zu sagen haben und in manchen Fällen sind wir obendrein auch noch genial—es ist genau so, wie du es sehr wahrscheinlich über jeden Mann denkst. Auch deine Tochter wird, wenn sie „sich in eine junge Dame verwandelt“, an irgendeinem Punkt einen Orgasmus haben und ihr wird es gefallen. Vielleicht kommt sie sogar eines Tages auf die Idee, dass ihr gefällt, wie ihr Hintern in einem G-String aussieht, und das wird die ganzen schönen, genialen und wichtigen Teile ihrer Persönlichkeit, die sie ebenfalls über die Zeit mit ausgeprägt hat, keineswegs ausblenden oder überschreiben. Genau so wenig wird ein sexy Foto von Nicki Minaj das schaffen.

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Mit freundlichen Grüßen,

Vanessa Quilantan aka @pronailprincesa aka The Triple Diva aka The Pussy Poptimist

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