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Die teuersten Heavy Metal-Platten der Welt

Briefmarkensammeln für Metal-Mähnen könnte die Wertanlage für die Zukunft sein.

Wir schreiben das Jahr 2002. Ich bin 15 Jahre alt und dementsprechend naiv und besessen von einer Sache: Heavy Metal! Meine nicht ganz originelle Lieblingsband: Iron Maiden. Alle 12 Studioalben besitze ich längst, ein paar Singles, die letzten Best-Of's und Live-Scheiben ebenfalls. Doch das reicht nicht. Ich will mehr. Also gehe ich in den Outsider Shop.

Das Einkaufsmekka für Headbanger liegt zufälligerweise in Olten und so geht mein Essensgeld nicht nur für neue Platten von Saxon und Slayer drauf, sondern auch für VHS-Tapes, Live-Bootlegs und Picture Discs. Die wahren Schätze aber, ob die allererste Platte „The Soundhouse Tapes“, Test- und Falschpressungen, die Bootlegs aus den 80ern … Sie liegen weit ausserhalb von meinen finanziellen Möglichkeiten.

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Die wahren Schätze des Heavy Metals kosten viel Geld. Auch heute noch, trotz Downloads, Filesharing und permanenter Verfügbarkeit: „Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Qualitativ hochwertige Live-Mitschnitte kannst du heute gratis nur Stunden nach der Show runterladen. Gerade wegen dem Internet sind die Preise für wirkliche Raritäten zum Teil unglaublich in die Höhe geklettert.“

Das sagt der Plattendealer, zu dem ich früher mein Taschengeld brachte (und heute einen ordentlichen Teil meines Lohnes), René „Fribi“ Freiburghaus, Besitzer des Outsider Shops und selber Sammler. „Wenn heute eine wirklich wertvolle Platte auf ebay oder Spezialplattformen wie Discogs oder Popsyke erscheint, weiss es bald jeder, der sich dafür interessiert. Wenn ich dieselbe Scheibe hier im Laden hinstellen würde, könnte es 10 Jahre dauern, bis einer vorbeikommt, der dafür was ausgeben will.“

Die Rechnung ist denkbar einfach: Tausende besessene Menschen (vornehmlich Männer, wie überall, wenn es nerdig wird) wollen Scheiben, die es nur 15-mal auf der Welt gibt, etwa die 3-Track-Single „City Beneath The Surface“ der US-Power Metal-Band Avatar in gelbem Vinyl. Und weil man sich in der zivilisierten Welt für Schätze nicht mehr die Köpfe einschlägt, zahlt man entsprechend. Wie viel? „Für die gelbe Avatar blätterst du heute gut und gerne 3000 Stutz hin.

Ich bezeichne mich selber als Sammler, hab sicher 1500 CDs und 1000 Platten zuhause. Alphabetisch geordnet, versteht sich. Doch schon bei einem 100er für ein Album überlege ich's mir dreimal, ob es das wirklich wert ist, denn damit könnte ich mir auch drei neue Scheiben kaufen.

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Was sind das für Menschen, die einen Monatslohn für drei Songs (Avatar, Milita) ausgeben? „Wir sind Freaks, Süchtige, Getriebene. Du willst halt einfach immer rarere Sachen. Und wenn du dann das Wichtige hast, wird es immer obskurer. Dann kaufst du plötzlich Singles von irgendwelchen DDR- oder Russen-Bands, für die du dich in den 80ern gar nicht interessiert hast. Einfach, weil es nicht aufhören darf“, sagt Fribi.

Doch ganz so romantisch ist die Sache nicht. Mit der Sammelwut der Kuttenträger liess und lässt sich gutes Geld verdienen, auch und gerade, wenn man nicht ganz sauber spielt. Mit „Counterfeits“, Fälschungen und illegalen Nachpressungen vergriffener Scheiben, von den Originalen nur durch Experten zu unterscheiden, verdienten in den 90ern vor allem Presswerke in den ehemaligen Sowjet-Staaten gutes Geld.

Heute sind es die Plattenlabels selber, die mit der Besessenheit der Musikfans versuchen, die Verluste im Massenverkauf zu kompensieren. Gab es früher die reguläre Version und vielleicht eine limitierte Special Edition, wirft ein Label heute gleich vier, fünf verschiedene Varianten auf den Markt. Schwarzes, weisses, goldenes, blutiges Splatter-Vinyl oder als Digipack, Digibook oder Holzkiste verpackt. Jeweils auf 500 Stück limitiert, versteht sich.

Wirklich wertvoll würde das heute aber nicht mehr, wende ich ein, das wirklich wertvolle Zeug stamme aus den 80ern. „Natürlich weiss man nie, bei welcher Band sich das lohnt, aber teuer werden kann eine Platte heute immer noch. Schau dir doch nur mal Ghost an.“ Ghost, wegen Namensrechten in den USA als Ghost B.C. bekannt, sind eine schwedische Occult Rock-Band, gegründet gerade mal vor sechs Jahren, deren erste Single heute schon kaum mehr zu haben ist und wenn, dann für ein paar Hunderter.

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Heavy Metal als Wertanlage? Fribi zuckt mit den Schultern. „Wie sich das Ganze entwickelt, kann man heute schwer sagen. Vielleicht steigen die Preise weiter. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass wir bald den Peak erreicht haben. Wir wahren Sammler sterben langsam aus, wie die Briefmarkensammler auch. Vielleicht interessiert sich in 20, 30 Jahren, wenn wir ins Altersheim kommen, kein Schwein mehr dafür.“

Als ich beim Gehen nochmal beim Regal mit den raren Platten Halt mache, springt mir eine Version von Iron Maidens erster Live-EP „Maiden Japan“ ins Auge. Das Cover ist ein anderes, als das mir bekannte. „Eine Originalpressung von '81 aus Chile“, erklärt mir Fribi, „600 Franken“. „Lieber neue Scheiben kaufen“, denke ich auch an diesem Tag und gehe an die Kasse und bezahle meine vier 7''-Singles und fünf LPs.

Die Top 7 der Heavy Metal Schätze (Angaben ohne Gewähr):

1. Milita—The Sybling
veröffentlicht: 1985
Geschätzte Auflage weltweit: 150
aktueller Wert: ca. 3500.- CHF

2. Avatar—City Beneath Surface (yellow vinyl)
veröffentlicht: 1982
Auflage weltweit: 15
aktueller Wert: über 3000 CHF

3. Warzwulf—Valley Of The Shadows
veröffentlicht: 1987
Auflage unbekannt (Eigenpressung)
aktueller Wert: ca. 2500 CHF

4. Jag Panzer—Ample Destruction (red vinyl)
veröffentlicht: 1984
Auflage weltweit: 20
aktueller Wert: ca. 2500 CHF

5. Leather Nunn—Take The Night
veröffentlicht: 1986
Auflage weltweit: 500
aktueller Wert: ca. 2000 CHF

6. Amethyst—Outside Of Nowhere
veröffentlicht: 1984
Auflage weltweit: 100
aktueller Wert: ca. 2000.- CHF

7. Savatage—Sirens (blue vinyl)
veröffentlicht: 1983
Auflage weltweit: unbekannt
aktueller Wert: ca. 2000 CHF