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Noisey Blog

Die sinnlosesten Bühnen-Ansagen

Das geht auch origineller.

Foto: Katrin Ingwesen

Du bist mit deiner Band monatelang auf Tour, reist durch Länder, die du nur aus dem Reisekatalog kennst, spielst in Städten, deren Namen du nicht einmal korrekt aussprechen kannst. Neue Farben, Gerüche und Geräusche prasseln jeden verfluchten Tag unbarmherzig auf dich ein. Am Abend stehst du wieder auf der Bühne und bist froh, wenn du überhaupt weißt, in welcher dieser Kauderwelsch-Städte du da gerade spielst. So stellst du dich den Massen, trittst ins Scheinwerferlicht und ziehst routiniert die Show durch. Ziemlich nachvollziehbar, dass dein Verstand bei all diesen zu verarbeitenden Eindrücken nicht hinterherkommt und du dich an Formulierungen festhältst, die dir dein Live-Performance-Coach eingeprügelt hat. Aber scheiße ist das trotzdem. Schließlich wollen wir doch etwas von dem Konzert mitnehmen und nicht bloß generische Fastfood-Ansagen konsumieren, die zwar für den Moment ganz gut klingen, aber wenig später doch nur ein übles Gefühl im Magen verursachen. Bitte liebe Frontfrauen und Frontmänner dieser Welt, die folgenden Ansagen wollen und können wir echt nicht mehr hören.

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Die „Heute ist der beste Abend der Tour“-Ansage

Laut dem Sozialpsychologen Le Bon verhielten sich Menschen als Teil einer Masse nicht gerade schlau. Ganz im Gegenteil, sie seien ziemlich beeinflussbar und vor allem leichtgläubig. Anders ist auch nicht zu erklären, warum jedes Mal eine mächtige Welle des Jubels aufbrandet, wenn der Sänger prophetengleich verkündet, dass das heute der „absolut beste Abend der Tour“ war. Abgesehen davon, dass eigentlich niemand offensichtlich lügende Schleimer leiden kann, ist das die absolut einfachste Methode, den Massen ein positives Feedback zu entlocken. Wer freut sich auch nicht, wenn er von seinem Idol gelobt wird? Unter unserer sorgsam gepflegten Erwachsenen-Schale sind wir eben doch nur kleine Kinder, die sich nach dem Lob der Großen sehnen, wenn wir endlich mal selbstständig ins Töpfchen scheißen. Wer sich den Luxus gönnt und die Band am nächsten Abend in einer anderen Stadt bewundert, wird sich doppelt freuen, denn auch hier ist es natürlich der „absolut beste Abend der Tour“. Selbst wenn der Saal nur halb gefüllt ist und die Leute hier eigentlich nur wegen der Vorband gekommen sind.

Die „Wir wollen was probieren“-Ansage

Die absoluten Hohepunkte eines jeden Konzerts sind die krass spontanen Aufforderungen, heute Abend mal etwas ganz Besonderes zu probieren. Von „Setzt euch alle mal hin und auf mein Zeichen springt ihr alle hoch!“ bis „Ich singe die Hook vor und ihr singt sie nach, ist ganz einfach!“ zaubern die Mikroschwinger allerhand toller Ideen aus der schwitzenden Hinterhand, um die Stimmung aufzuheizen. Gute Stimmung ist bei einem Konzert ja nicht gerade unwichtig. Schwierig wird es, wenn sie mit dem unbarmherzigen Mitmach-Holzhammer erprügelt wird. Dann ist es in etwa so: Du kannst einen guten Abend mit deinen Freunden haben, wenn ihr ein paar Bier trinkt. Wenn ihr aber irgendwie alle scheiße drauf seid und das mit unzähligen Shots kompensiert, habt ihr vielleicht auch einen guten Abend, aber irgendwie fühlt sich euer Endorphinhaushalt vergewaltigt. C'mon, das geht auch klüger, beispielsweise mit einer persönlichen Rede, einem intimen Einblick darauf, was dir der nächste Song bedeutet. Erleuchtet von deiner Offenheit wird das Publikum umso lauter mitsingen. Aber bitte übertreibe es nicht und halte zehnminütige Monologe, während deine Mitmusiker ungeduldig auf ihre Instrumente klopfen und Teile des Publikums zur Bar gehen, um unzählige Shots zu kippen.

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Die „Im Takt klatschen“-Ansage

Gewagte These: So ziemlich jeder, für den Beige eine unakzeptable Farbe für sein Outfit ist, der den Abend nicht an der nächsten Tankstelle verbringt und geistig noch lange nicht mit einem Thrombose-Strumpf im Kirschholzsarg steht, findet Schlager ziemlich kacke. Und zwar alles daran: Die grenzdebilen Texte, die Volksfest-Beats, die fiesen Visagen und die selig klatschenden, sanft schunkelnde Meute im ZDF-Fernsehgarten. Wurde Rockmusik nicht erfunden, um sich genau davon abzugrenzen? Warum steht dann der Typ früher oder später immer wie ein aufziehbares Becken-Äffchen da und animiert das willige Publikum mit einem pfiffigen „Clap your hands!“ zum Klatschen? Weil es wahrscheinlich geil klingt, wenn tausende Vollidioten gekonnt neben dem Takt klatschen und dabei ihre fiesen Visagen selig grinsen lassen. Oder um sich schon einmal warm zu klatschen, damit der Applaus nach dem Song umso gewaltiger ausfällt. Schließlich durften sie ja mitspielen und können sich jetzt berechtigt selbst feiern. Danke, aufziehbares Äffchen.

Die „Immer dieses verrückte Publikum“-Ansage

Ähnlich wie die freche Lüge, dass heute der beste Abend der Tour sei, ist die Ansage eines sichtlich gelangweilten und/oder komplett dichten Typen, der sein Publikum für „total ausgeflippt“ erklärt. Voll abgedreht, dass die Leute Eintritt für eine geliebte Band bezahlen und dann laut mitsingen und jubeln. Nachher lässt sich noch jemand auf den Händen tragen! Diese Irren! Natürlich meint der das nicht ernst, die Worte werden unbewusst ausgespuckt. Was soll er auch sonst sagen? Dass die Leute ziemlich lahm sind, die Band eigentlich Besseres gewohnt ist und sich jetzt am liebsten den Abend mit unzähligen Tüten und Ghostbusters im Tourbus versüßen würde? Okay, so eine Ansage wäre eigentlich ziemlich cool. Denn wenn du dir jemand ein Mikrofon in die Hand drückt und du vor tausenden dich verehrenden Menschen stehst, fällt dir doch sicher etwas Besseres ein, als ein genuscheltes „You’re crazy, Hamburg!“

Die „Endlich wird die Band vorgestellt“-Ansage

Das Set nähert sich dem Ende, bald verlässt du zusammen mit deinen Bandkollegen die Bühne, nippst an einem Bier und gehst schnell pinkeln, um dann wieder rauszuschreiten und eben die Songs zu spielen, denen ihr überhaupt die ganze Aufmerksamkeit zu verdanken habt. Das macht auch Sinn, ein dramatischer Aufbau mit würdigem Höhepunkt schadet einem guten Set genauso wenig wie einer Runde Sex. Wenn der vorerst letzte Song ewig in die Länge gezogen wird, damit du den unglaublich virtuosen Leadgitarristen, Drummer, Rhythmusgitarristen und mit etwas Glück auch Basser namentlich vorstellst, die daraufhin jeweils siegessicher ein kurzes Solo einlegen, kann das ein echter Stimmungskiller sein. Du knetest ja auch nicht minutenlang ihre Brüste, um dann Applaus für deine Hände einzufordern, die daraufhin wie besessen rumzucken. Das Publikum dankt der Band doch sowieso nach jedem Song mit lautem Klatschen und Gejohle. Vielleicht will der im lauten Jubel badende Frontmann auch nur seinen unwürdigen Kollegen zeigen, dass er vom Publikum am meisten geliebt wird und sie nur seine unfähigen Marionetten sind.

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