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Die Evolution der M.I.A.

Nach ihren Anfängen in einer Kleinstadt wurde sie zu einer weltweit dominierend Kraft der Kreativität. So ist alles passiert.

Erinnerst du dich noch daran, als „Paper Planes“ die Trailer von Kiffer-Komödien und Sport-Zusammenfassungen musikalisch untermalte? Jeder hat M.I.A. behandelt, als wäre sie das neue Ding, das plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht ist, anstatt einer totemistischen, kulturellen Persönlichkeit, die mehr als ein Jahrzehnt damit verbracht hat, sich durch Kriegsgebiete, gutbürgerliche Musikkreise, Boulevard-Schlachten und politisches Exil zu arbeiten. Ihr persönlicher Werdegang soll auf keinen Fall zu kurz kommen, also machen wir uns auf die Spuren der Evolution von M.I.A.—von den Anfängen in der Kleinstadt bis zum Status als unwirkliche globale Ikone: Ein Popstar, verantwortlich für Radiohits; eine Anti-Stil-Ikone mit Bewusstsein; eine Terrorismus-Relativistin; eine treibende, transglobale Kraft der Kreativität. M.I.A. hat Mittelamerika den Mittelfinger gezeigt, WikiLeaks unterstützt, Hosen getragen, die epileptische Anfälle hätten auslösen können, und mit einigen der innovativsten Künstlern des internationalen Undergrounds zusammengearbeitet. Vor all dem war sie aber einfach Mathangi „Maya“ Arulpragasam.

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Aufgewachsen auf der ganzen Welt

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Es ist kein Geheimnis, dass Mayas Vater die Tamilen auf Sri Lanka unterstützt hat und Gründer der Gruppe EROS war, die sich in den 70ern und 80ern für einen eigenen Staat der Tamilen einsetzte. Maya wurde in Großbritannien geboren, aber der Vater nahm die ganze Familie mit zurück nach Sri Lanka, als sie nur sechs Monate alt war, um dort für die tamilische Unabhängigkeit zu kämpfen. Die Stofffetzen unter dem Nähtisch ihrer Mutter einsammelnd—„denn alles, was auf den Boden fiel, gehörte mir“—und umgeben von den verirrten Kugeln des Bürgerkriegs, fingen die markantesten Bestandteile von M.I.A.s zukünftigem Output an, sich zu formen.

Im Laufe ihrer Karriere hat sie immer wieder gegen die Regierung Sri Lankas protestiert, sie immer wieder auf deren Fehlverhalten hingewiesen und sie des Völkermordes an den Tamilen beschuldigt. Während ihres Auftritts beim Glastonbury 2014 trug sie T-Shirts, mit denen gegen die Deportation von Tamilen protestiert wurde. Obwohl sie das gleiche Anliegen teilen, hat sie mit ihrem Vater seit ihrer Kindheit nicht mehr viel gesprochen—seit sein Mitwirken bei der separatistischen Organisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) die Familie 1986 dazu zwang, von Sri Lanka nach London zu fliehen, wo diese dann in Übergangswohnungen, Jugendherbergen und Sozialwohnungen lebte. Die Arulpragasams waren mit nur einem Elternteil nach Großbritannien zurückgekehrt und fanden sich schon bald mitten in einer irisch-jamaikanischen Sozialsiedlung wieder.

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Time Out gegenüber sagte sie:

„Ich war zehn Jahre alt und ich wusste nichts über Punk oder HipHop. Die einzigen englischen Worte, die ich kannte, waren „Dance“ und „Michael Jackson“. Wir wurden in eine Wohnung in Mitchum gesteckt und der Bezirk gab uns Secondhand-Möbel, Secondhand-Klamotten und ein Secondhand-Radio, das ich jede Nacht mit ins Bett nahm. Auf der einen Seite wohnte eine schwarze Familie und auf der anderen eine irische. Durch sie und das Radio lernte ich London Posse kennen. Das war die beste britische HipHop-Crew und sie hatten einen wirklich originellen Flow und coole Beats, die mir gute Laune machten. Und dann gab es natürlich The Clash, die auch sehr wichtig für mich und für London waren. Aber dann hat die irische Familie mein Radio geklaut, als ich in der Schule war.“

The Clashs „Straight To Hell“ wurde später in „Paper Planes“ gesampelt

Maya wollte unbedingt die renommierte Design-Hochschule Central St. Martins besuchen, verfügte aber nicht über die richtigen Qualifikationen. Sie drohte, dass sie „eine weitere Hure in King’s Cross werde und darüber einen Film drehe. Dann drei Jahre später zurückkomme und sagen werde: ‚Das ist mir passiert, als ich vom Saint Martins abgewiesen wurde.’“ Erstaunlicherweise schien das zu helfen, ihr Studium finanzierte sie sich dann mit der Arbeit in einem Callcenter.

Saint Martins und der kulturelle Einfluss seiner Partykids hat ihr Leben verändert. Maya verkehrte schon bald regelmäßig in der damals blühenden Warehouse-Partyszene. In ihrem Interview mit Time Out erinnert sie sich an eine ganz besondere Nacht:

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„Als wir ankamen, fanden wir dieses Portemonnaie. Es war wie im Film: kein Ausweis, nur Unmengen an Geld und Unmengen an Drogen—wirklich jede bunte Pille, die man sich vorstellen kann. Und ich mag ja Farben! Es war, als hätten wir eine Tasche voller Perlen gefunden. Wir nahmen also ein paar, dachten aber, dass sie nicht wirken und probierten dann einfach die ganzen Farben durch. Dann passierte plötzlich alles auf einmal. Am nächsten Tag konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Ich weiß nur noch, wie ich in einem Haus auf der Caledonian Road aufgewacht bin und dass meine Schuhe keine Absätze mehr hatten. Es war so ausschweifend.“

M.I.A.s künstlerische Ader wurde schon früh erkannt, vor allem ihre grellpinken Graffiti-Stencils, die die Aufstände in Sri Lanka darstellten. Diese fielen Justine Frischmann auf, die jemanden suchte, der Elastica bei ihrer Transformation von Britpop Babes zu Punks des neuen Jahrtausend begleitete. 2001 war M.I.A. dann quasi vollständig für die visuelle Erscheinung von Elastica verantwortlich und zeigte in dem Musikvideo zu „Mad Dog God Dam“ stolz frühe Formen ihres charakteristischen Stils. Ihre Bemühungen wurden von Stuart Berman in einem Pitchfork-Artikel ganz treffend als „zwischen Rockstar-Pomp und Street-Level-Gewühl vermittelnd“ beschrieben und sind ein frühes Moodboard des Copy-and-Paste-DIY-Ansatzes, der schon bald ihr Markenzeichen werden sollte. Als Elastica in Kanada auf Tour waren, landeten eines Abends alle auf einer Peaches-Show. Peaches beendete damals schon ihre Auftritte mit dem zukünftigen Hit „Fuck The Pain Away“ und ließ dabei während des Refrains das Mikro in der Menge rumgehen. An diesem Abend schnappte sich Maya das Teil und fing an, Schimpfwörter hineinzuschreien. Das war ihr erster öffentlicher Auftritt.

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Elastica—„Mad Dog God Dam“

Als Elastica sich auflösten, ermutigte die Sängerin der Band, Justine Frischmann, M.I.A dazu, ihre eigenen Beats auf einer Roland MC 505 Groovebox zu machen, die Frischmann bei ihrem Urlaub in der Karibik erstanden hatte. „Die Leute sagten immer: ‚Du siehst aus, als könntest du Musik machen, du tanzt, als könntest du es, aber es liegt auf der Hand, dass du total unmusikalisch bist’“, sagte Maya 2008 dem Spin Magazin. Sie nahm sich also Justines Rat zu Herzen, ignorierte den der anderen und fing an, in ihren eigenen vier Wänden etwas herumzuexperimentieren. Das Ergebnis? Ein Demo mit sechs Tracks, einer davon war „Galang“, der Track, der von vielen als M.I.As überraschender Einstieg in die Musikindustrie angesehen wurde und der ihr half, einen Vertrag bei dem legendären Label XL Recordings zu bekommen.

Die Beziehung zu Diplo, Mixtapes und das Debüt-Album

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Der M.I.A.-Sound war eine Verschmelzung aus London-typischem Slang mit den politischen Aussagen der Straßenklänge tausender verschiedener Entwicklungsländer. M.I.A. passte einfach nicht so richtig in eine Musikszene, die noch immer damit beschäftigt war, ihren Kater vom Jahrtausendwechsel auszukurieren, also suchte sie einen Gleichgesinnten und fand ihn in Diplo. Physisch gesehen war er das absolute Gegenteil, aber kreativ waren sie genau auf einer Wellenlänge. Thomas Wesley Pentz war die Person mit dem Weltblick, die Maya gesucht hatte.

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„Abgesehen davon, dass ich ein weißer Typ aus Florida bin und sie ein Sri-Lankisches Mädchen in England, war sonst alles gleich: [Wir waren beide] Absolventen der Filmhochschule, [hörten] die gleiche Musik, als wir klein waren, und bewegten uns jetzt musikalisch in die gleiche Richtung. Es war einfach toll“, sagte er 2005 gegenüber Pitchfork.

Das Paar hatte sich im Londoner Nachtclub Fabric kennengelernt, in dem Diplo zufällig vor einer Horde verschwitzter Teenager „Galang“ spielte. Ein Mitarbeiter des i-D Magazins hatte ihm einen weiteren Track, „Fire Fire“, nahe gebracht, den er gerade spielte, als Maya in den Club kam. Die beiden bandelten schnell miteinander an und daraus entstand mehr als ein paar geteilte Momente in der Abgeschiedenheit der Nacht. Sie nahmen zusammen ein Mixtape mit dem Titel Piracy Funds Terrorism auf, das bei Liveshows und im Internet zu erstehen war—und das als Vorgeschmack auf die frühen Internethypes diente. Piracy Funds Terrorism machte sich eine Online-Community zunutze, die Diplo schon lange mit seiner Mitwirkung am Hollerboard, einem Vorläufer von Facebook für Musiksnobs, umworben hatte. Auf dem Tape legte Maya ihre Vocals über Samples von Madonna, Kraftwerk und den Eurythmics; dies sollte das Vorspiel zu Arular sein, ihrem langerwarteten Debütalbum, und stellte einen interessanten, wenn auch leicht unbefriedigenden ersten Versuch dar.

Während sich die Musikblogger noch an ihrem sorglosen Sampling und den soziopolitischen Untertönen ergötzten, veröffentlichte M.I.A. im März 2005 Arular über XL Recordings. Sie hatte das Album nach dem tamilischen Decknamen ihres Vaters benannt, in der Hoffnung, dass er sich eines Tages googeln und den kreativen Opus seiner Tochter entdecken würde (das tat er auch und Maya sagte später gegenüber dem Guardian: „Ich finde es schon komisch, dass ich ihm so viel Aufmerksamkeit schenke, obwohl er mit meinem Leben so wenig zu tun hatte“). Das Album hat ein ganzes Leben an Inspirationen zusammengefügt. Sein DIY-Ethos erinnerte an Punk, seine Bhangra-Samples und von Dancehall durchtränkten Beats verankerten es jedoch fest im 21. Jahrhundert. Selbst heute hat das Album noch mehr Wucht als die Beats der ganzen „Bedroom Producer“, die ständigen Zugang zum Internet und zu SoundCloud haben.

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Der transatlantische Erfolg und die Mühen internationalen Ruhms

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Diplo konnte mit dem weltweiten Erfolg von Arular nicht mithalten, worunter auch ihre Beziehung litt. Erst kürzlich sagte M.I.A. in einem Interview mit dem Rolling Stone: „Missy Elliott rief mich 2005 zum ersten Mal an, damit ich bei ihrem Album mitarbeite, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns deswegen heftig gestritten haben… Ich wünschte, ich hätte das damals mehr genossen. Ich hatte nämlich die ganze Zeit diese Person auf meiner Schulter sitzen, die ständig sagte: ‚Das ist scheiße, das ist scheiße, das ist scheiße. Du solltest nicht in den Charts sein.’“ Es schien also einer dieser Fälle zu sein, bei dem der unterstützende Freund beschützend, eifersüchtig und verunsichert wird, sobald die Freundin plötzlich im Mittelpunkt steht. Wie wir alle wissen, hat Diplo sich in seiner Karriere immer vom Mainstream ferngehalten, ist total underground geblieben und hat nicht ein einziges Mal mit chartfreundlichen Produktionen geliebäugelt.

Nachdem sie den Sommer damit verbracht hatte, auf Festivals zu spielen—bei dem ihr eine seltene Zugabe auf dem Coachella-Festival gewährt worden war—und mit Acts wie Gwen Stefani und LCD Soundsystem zu touren, hat M.I.A sich schnell an Kala gemacht, ihre zweite Platte. Mittlerweile war sie in den USA bei Interscope unter Vertrag und Kala, benannt nach Mayas Mutter, sollte zu einem ziemlich internationalen Unterfangen werden. Da sie aufgrund von Visa-Komplikationen zwischenzeitlich nicht in die Vereinigten Staaten einreisen durfte, nahm sie das Album stattdessen in Indien, Liberia und Trinidad auf.

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„Wenn ich mit den Aufnahmen zu einem Song, sagen wir ‚Boyz’, in Indien angefangen habe, haben wir dort die Drums aufgenommen; dann hatte ich die Dateien in Trinidad. Wir haben alles zusammengesetzt und den Gesang habe ich dann in Trinidad aufgenommen, dann haben wir in Brooklyn noch ein paar Extrageschichten gemacht und gingen zurück nach Indien, wo wir noch mal Extra-Extra-Arbeit gemacht haben“, sagte sie 2007 gegenüber The Village Voice. „Boyz“, eine Dreifaltigkeit der Einflüsse, wurde umgehend zu einem Dance-Klassiker. Das grellbunte Video dazu wurde von der Patin der New Rave Fashion, Cassette Playa, persönlich gestaltet. Gefilmt wurde auf Jamaika, nachdem der Track schon als Clubtrack in Kingston einige Popularität erlangt hatte.

„Boyz“

Die Verbindung von britischer Mode, jamaikanischen Tänzern und einem Vibe, der einfach nicht von dieser Welt zu stammen schien, machte „Boyz“ zu einem audiovisuellen Frontalangriff und sollte noch tausende Nachahmer nach sich ziehen. Selbst Diplo warf später Rihanna vor, den Song „Rude Boy“ kopiert zu haben—um seine Argumente zu untermauern, fertigte er sogar einen neckischen Mashup an. M.I.A. war bahnbrechend.

Zum Ende ihrer Arbeit an Kala kehrte M.I.A. in die USA zurück. In einem Interview mit The Village Voice zeichnete sie ein glamouröses Bild der Meetings, die Interscope für sie organisiert hatte. „Will.i.am, Pharrell und Timbaland saßen alle in einem Raum und ich war gerade erst aus Indien zurückgekehrt, wo ich in einem winzigen Studio voll mit Kakerlaken gearbeitet hatte, während die Kinder mit meinen CD-Rohlingen Frisbee spielten und so. Dann saß ich plötzlich in diesem millionenschweren Studio mit T.I. und Britney nebenan.“

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Zum Glück schafften es weder Pharrell noch will.i.am auf das Album. Timbaland jedoch legte Hand an „Come Around“, einen Bonustrack, der dem Gewicht der hohen Erwartungen nicht standhielt. Maya erklärte später, warum es die an einem Tag und eindeutig unter Timbs Regie entstandene Zusammenarbeit nur zu einer Fußnote schaffte. „Als sich unsere Wege kreuzten, war Timbaland schon lange Timbaland gewesen und hatte bereits diesen ganzen coolen, abgedrehten Scheiß gemacht. Er hatte Babys, Kühe und anderes Zeug gesampelt und ich machte gerade Tracks, in denen ich Hühner sampelte. Er meinte nur: ‚Ich bin durch damit, cool zu sein—ich will mit Celine Dion zusammenarbeiten.’“

„Come Around"

„Boyz“ und „Come Around“ sind der Sound einer Evolution: Eine Künstlerin, die sich weiterentwickelt und verschiedenste Gelegenheiten wahrnimmt, um ein weiteres vielgelobtes und kommerziell erfolgreiches Album zu machen, ohne dabei die DNA zu verlieren, die aus Maya Arulpragasam M.I.A. machte. In einem frühen Film von VBS Creative Director Spike Jonze geht dieser mit M.I.A. auf eine Tour durch London, sie treffen dabei Freunde und Kollaborationspartner kurz nach der Veröffentlichung von Kala. Sie analysiert ihre eigenen Tracks, darunter auch „Paper Planes“, während sie durch die Sozialwohnung ihres Schützlings Afrikan Boy tanzt. Sie sagt Jonze, dass es nur darum geht, „Visas zu bekommen“, während sie und Afrikan Boy in der kleinen Wohnung rumhüpfen. Damals wusste noch niemand, was noch alles passieren sollte.

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Der internationale Superstar

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Nach der Veröffentlichung von Kala wurde „Paper Planes“ von den größten Instanzen überhaupt aufgegriffen: Hollywood und Kanye West. Durch seine Verwendung in James Francos Kiffer-Epos, Ananas Express, und dann in dem von Kanye produzierten Blockbuster-Track „Swagga Like Us“ mit Jay Z, Lil Wayne und T.I. führte einfach kein Weg mehr um „Paper Planes“ vorbei.

Der Song wurde 2009 für den Grammy nominiert und die hochschwangere M.I.A. hat ihn zusammen mit Kanye und Freunden live bei der Verleihung dargeboten. Sie trat in einem Kleid von Henry Holland auf, das nichts der Fantasie überließ, und so wurde 2008 das Jahr, in dem Maya offiziell die Welt erobert hat. Sie wurde zur ersten Person überhaupt, die für einen Mercury Prize, einen Brit-Award, einen Grammy und einen Oscar nominiert wurde. Aus der Performance bei den Oscars wurde aufgrund der Geburt ihres Sohnes mit ihrem damaligen Verlobten, Ben Bronfman, allerdings nichts.

Durch diese ganzen Nominierungen und Millionen an weltweit verkauften Platten hatte sich Mayas Lebensstil signifikant verändert. Vorbei waren die Zeiten, in denen sie in verschiedene Länder geflogen ist, um in Studios aufzunehmen, vor denen die Kinder im Dreck spielen. Ihr drittes Album hat sie in ihrem Zuhause in L.A. aufgenommen, das sie sich mit Bronfman teilte, einem Musiker, dessen Familie die Schlüsselgewalt über die Warner Music Group hat.

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Es war unausweichlich, dass ihr kreativer Prozess sich ändert, obwohl sie sich geweigert hat, auf einer Welle zu schwimmen, die sie leicht ins Reich der emotionslosen Hits hätte spülen können. Stattdessen hat sie Zeit in ihr Plattenlabel N.E.E.T Music investiert und den visuellen Künstler Jaime Martinez unter Vertrag genommen, mit dem sie eine frühe Erscheinungsform des GIFs erschaffen hat—mit treffendem Artwork anstatt dem heutigen Arrangement aus Fernsehsendungen der Netflix-Ära samt zitierfähiger Textzeile.

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M.I.A.s frühes GIF

Nach der Geburt ihres Sohnes hat sie die meiste Zeit in L.A. verbracht. Das Entdecken von Ländern wurde dadurch ersetzt, über sie im Internet zu lesen. Ein Werkzeug, das einmal eine große Hilfe war, wurde ihr zum Nachteil—ihre politischen Verbindungen waren für die Öffentlichkeit sichtbar. Das Aufkommen von Twitter wurde zum Fluch, da Maya und ihr Sohn Todesdrohungen von Sri Lankischen Sympathisanten bekamen, die sie als Terroristin gebrandmarkt haben. Sie hat zurückgeschlagen und Videos von unrechtmäßigen Tötungen tamilischer Separatisten auf ihrem Profil gepostet. Sie hat online Feuer mit Feuer bekämpft und im April 2010 ist die Situation mit der Veröffentlichung von „Born Free“ mit Glanz und Gloria explodiert.

Völkermord an Rothaarigen, Telefonnummern twittern und den Mittelfinger zeigen

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M.I.A. wurde eine offiziell kontroverse Person, nachdem sie sich entschieden hatte, mit dem französischen Regisseur Romain Gavras für „Born Free“ zusammenzuarbeiten. Es war ihr sichtbarster Versuch, das Unaussprechliche deutlich zu machen. Im Video, das neun Minuten lang ist und in der Wüste gedreht wurde, wird die außergerichtliche Ermordung von tamilischen Männern dargestellt, die sie drei Monate zuvor über ihren Twitter-Feed verbreitet hatte, indem die Zusammentreibung und Ermordung einer Gruppe rothaariger Kinder durch eine bewaffnete Miliz gezeigt wird. Das Video wurde ohne das Wissen ihres Labels veröffentlicht, wurde sofort von YouTube und Fernsehsendern verbannt und hat sie zu einer Ikone der Kontroverse gemacht.

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„Born Free“ steht für verschiedene Dinge—den unausgesprochenen Genozid in Sri Lanka, Immigration in Arizona, die Misshandlung von Gefangenen im Ausland—und ist symbolisch für eine M.I.A., die sich der farbenfrohen Unbeschwertheit abgewandt und Gesprächsthemen zugewandt hat, die hinter die glitzernde Fassade blicken. Auf die Kritik an „Born Free“ hat sie damit geantwortet, dass sie auf breitere Gegebenheiten verweisen wolle und gesagt hat, wie „fasziniert“ sie von der Reaktion war. „Ich denke, es ist interessant, wie wir auf Fiktion reagieren und wie wir auf Realismus im Internet reagieren… das sind die Mainstream-Medien, ich wünschte, ich würde eher über Undeground-Theorien sprechen, aber das tue ich nicht, ich verarbeite nur das, was ich im Mainstream sehe“, hat sie MTV News gesagt. Das neue Justin Bieber-Video ist „viel eher ein Angriff auf meine Augen und Sinne, als das, was ich gemacht habe“, sagte sie später NME.

„XXXO“

Obwohl Romain Gavras die Thematik des Rothaar-Genozids in seinem Film Our Day Will Come weiter verfolgt hat, schien die digitale Welt nicht mehr zu M.I.A.s Gunsten zu funktionieren. Ihr Misstrauen wurde das Thema von /\/\ /\ Y /\, ihrem dritten Album. Die Platte wurde zu einem nicht googelbarem Konzept stilisiert (versuch mal, danach zu suchen) und klingt gefangen, während ihre Vorgänger frei sind. Sie ist klaustrophobisch und intensiv, mit Tracks, die sich durch CAPS LOCK aufdrängen. Durch den industriellen und gefesselten Sound ist sogar /\/\ /\ Y /\s Versuch einer Pop-Persiflage mit „XXXO“ überzogen von Zynismus.

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Die Platte wurde gut angenommen, das Misstrauens-Thema war so faszinierend, wie es von so einer forschen Künstlerin zu erwarten war, auch wenn sie nicht so gute Kritiken bekommen hat wie die Vorgänger. Vermeintliche Fans wurden wahrscheinlich von einem mittlerweile berüchtigten Interview mit der New York Times abgeschreckt, in dem Mayas wankelmütige Politik und Geschmäcker anprangert wurden, die nicht zur vorgefertigten Vorstellung eines „Freiheitskämpfers“ des Autors zu passen schienen. Mayas Antwort auf den Artikel war, die Telefonnummer des Journalisten zu twittern. Das Magazin hat Zitate zurückgezogen und zugegeben, dass einige davon aus dem Kontext genommen wurden, aber der Schaden war bereits angerichtet. M.I.A. war nun zuerst eine kontroverse Berühmtheit und erst danach eine Künstlerin und sie würde eine Menge anstellen müssen, um dies zu ändern. Und da das Interview mit der New York Times in jedem zweiten Atemzug genannt wurde, hat M.I.A. sich nur mit ihrem Mittelfinger vergnügt ihr eigenes Grab geschaufelt.

Dafür, dass sie während ihres Auftritts beim Super Bowl 2010, anstatt das Wort „Shit“ zu sagen, ihren Mittelfinger gezeigt hat, hatte sie eine Millionen Dollar schwere Klage am Hals. Sie hatte Madonna, den Super Bowl und die Familienwerte liebende Bevölkerung der USA verärgert, dessen alljährliche Unterstützung von überteuerter Selbstdarstellung durch einen geschickt platzierten Mittelfinger ersetzt wurde. Die Musik trat in den Hintergrund, denn in den folgenden drei Jahren sollte ein Mixtape namens Vicki Leekx, das Silvester 2010 erschienen ist, die einzige Veröffentlichung bleiben. Es war der letztes Seufzer des Jahres 2010, ein Mittelfinger in die Fresse eines Jahres, das sie zu nicht mehr als einer Unruhestifterin degradiert hat.

Die Wiedergeburt von Matangi und die Zukunft

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M.I.A.s neueste Platte, Matangi, besinnt sich wieder auf die Inspiration. Sie wurde aufgenommen, nachdem M.I.A. sich in Indien aus ihrem Inspirationssumpf befreit und sich an treue alte Weggefährten wie Switch gewandt hatte, um ihr bei den Aufnahmen zu helfen. Sie ist wieder nach Indien gefahren, um zu forschen und sich neu zu erfinden. Nach der hinduistischen Göttin der Musik und des Lernens sowie nach ihrem eigenen Namen benannt, bringt Matangi eine Leichtigkeit mit sich, die in der klaustrophobischen Verschleierung von /\/\ /\ Y /\ verloren gegangen war. Es bot etwas Ruhe nach dem Sturm, ihr Gesicht prangte auf dem Cover: M.I.A. war wieder da.

Die Lead-Single des Albums „Bad Girls“ ist ein starkes Comeback. Den Song konnte man bereits auf Vicki Leekx hören, Maya hat jedoch zwei Jahre gewartet, bis sie ihn richtig veröffentlicht hat und als er 2012 erschien, kam er mit einem Video, das sie nachdrücklich als eine der originellsten visuellen Künstlerinnen des 21. Jahrhunderts zurück in die öffentliche Wahrnehmung gebracht hat. Ich meine so richtig. Im Video sieht man M.I.A., wie sie auf einem Auto liegend rappt, das auf nur zwei Rädern durch den mittleren Osten fährt. Was kannst du dir mehr wünschen?

Maya hat Matangi als Krönung ihrer ersten drei Alben beschrieben. In einem mühsamen Interview mit Hot 97 spricht sie darüber, wie es „viele Konzepte vereint“ und setzt damit ein Puzzle der Selbstentdeckung zusammen, das sie zu einer Frau gemacht hat, die in der Lage ist, mit den aufgeblähten Fragen fertig zu werden, die ihr von Leuten wie Peter Rosenberg entgegengebracht werden. Sie ist unglaublich bewusst, macht aber immer noch das, was sie will und ist als erwachsene Frau den 2000ern entstiegen.

Es waren zwei ruhige Jahre seit sie Matangi veröffentlicht hat. Letzten Monat hat sie ihr erstes Solo-Material seit 2013 veröffentlicht. „Can See Can Do“ ist ohne Zweifel der Vorbote neuen Materials—vielleicht sehen wir im Sommer die fünfte Welle von M.I.A. Lasst uns darauf hoffen. Bis dahin spiele ich „Galang“ rauf und runter, bis meine Ohren in Regenbogenfarben bluten.

Tamara Roper ist bei Twitter: @TamaraRoper

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