FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Die deutsche Musikszene ist großartig, du schaust nur in den falschen Ecken

Wir haben uns die Freiheit genommen, alle wichtigen Newcomer aus Deutschland zusammenzutragen.

Egal wie selbstfixiert die Deutschen auch sein mögen, wenn es um neue Musik geht, geht der Blick immer hin nach Skandinavien, Amerika oder UK. Auch wir blicken dort gerne hin, haben wir uns vor Kurzem doch ausführlich mit der gerade überkochenden Newcomer-Szene in Großbritannien beschäftigt. Wendet man den Fokus doch mal auf Deutschland, wird man schnell merken, dass es gar keinen Grund gibt, neidisch auf die Insel zu blicken. Auch in Deutschland lassen sich die Neuankömmlinge in der Musikszene einiges einfallen, um musikalisch nicht unbedingt in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu treten und vielleicht sogar in der internationalen Liga mitspielen zu können.

Anzeige

Jetzt, wo die Deutschen Fußball-Weltmeister sind und einen Ego-Boost bekommen haben, kann man getrost einen Blick auf das Können der jungen Musikelite in Deutschland werfen und ein paar Perlen aus der Schmuckkiste wühlen. Denn wenn du in die richtigen Ecken schaust, wirst du sehen, dass die deutsche Musikszene ganz großartig ist.

Erster Stop: Köln—die heimliche Musik-Haupstadt Deutschlands. Während in Berlin immer mehr internationale Bands Vorlieb nehmen und jeder Gefahr läuft, in einem einzigen Einheitsbrei zu versinken, stechen in Köln besonders elektronische Projekte und Indiebands immer mehr heraus. Das beste Beispiel dafür sind die Jungs von Vimes, bei denen wir stets einen fast schon unprofessionell verliebten Ton einschlagen, die aber auch schon Chilly Gonzales oder The Notwist von sich überzeugen konnten. Chilly Gonzales—the musical genius—wohnt im Übrigen auch in Köln, was diese Theorie nur bekräftigen sollte.

Während die beiden Jungs von Vimes noch an ihrem Debüt arbeiten und uns mit Mixen bei Laune halten, haben andere Kollegen im elektronischen Bereich schon abgeliefert, COMA zum Beispiel (auch aus Köln) oder der Künstler Helmut aus der Hauptstadt, der sein Album Polymono in dem Studio der einen Hälfte des eben erwähnten COMA-Duos aufgenommen hat und das mit seinen unaufgeregten Melodien und schwerelosem Gesang auf deiner Zu-hören-Liste stehen sollte.

Dennoch bleibt Köln nur die heimliche Hauptstadt. Berlin hat nach wie vor natürlich national und international ein Standing, besonders in elektronischer Musik. Hier ansässige Labels bringen konstant gute neue Künstler hervor, bei Suol erschien erst letztens das Debüt der House-Produzenten Tender Games, Modeselektors Hauslabels Monkeytown und 50 Weapons releasen Tracks von Fjaak, einem jungen Berliner Techno-Trio, das auch in der letzten BBC Radioshow mit Jamie XX zu hören war. Auch in anderen Städten gibt es Labels, die auf neue Künstler setzen, in Leipzig O_RS oder Riotvan, und auch in München tut sich ab und an mal was, wenn auch fast ausschließlich im elektronischen Bereich. So wird das hier wohl nicht das letzte Mal sein, dass wir was von Occupanther, VELI oder Cocolores gehört haben.

Anzeige

Für seine elektronische Seite ist Deutschland wohl am bekanntesten, alle neuen vielversprechenden Künstler hier aufzuzählen, wäre natürlich unmöglich. So wurden zum Beispiel Palms Trax und Xosar gerade in die Red Bull Music Academy eingeladen. In Sachen Elektropop gibt es allerdings eine interessante Entwicklung, die ein paar Duos geschuldet ist, die sich gerade auch als Live-Acts einen Namen machen. Nod One’s Head aus Berlin, das Ehepaar UMA (mit dem ehemaligen Mediengruppe Telekommander-Mitglied Florian Zwietnig) oder CHPLN, die inzwischen in London leben.

Während die elektronische Musik in Deutschland zum Exportgut wird, gibt es andere Musikrichtungen, die exklusiv für das Heimatland bleiben: in erster Linie HipHop. Es zeichnet sich schon seit einigen Jahren ab, dass sich die HipHop-Gefolgschaft immer weiter ausbreitet und vermehrt, was davon ausgeht und darin resultiert, dass es immer mehr neue Rapper gibt. Dabei sind Künstler à la Alligatoah oder Cro, die ihre Hooks auch mal singen und die Schnittstelle von Pop und HipHop füllen (Sierra Kidd, Olson, Ahzumjot, Errdeka) bei Weitem nicht das Spannendste. Viel bemerkenswerter ist die Rückkehr von Straßenrap, der mit Zugezogen Maskulin oder Frankfurtern wie Olexesh und Credibil die Angst davor, dass die Rap-Hochphase schon bald vorbei sein könnte, sofort verfliegen lassen.

Deutscher HipHop hat nebenbei aufgehört, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen und vielleicht sogar, sich zu ernst zu nehmen. Auch wenn die Kommentare unter diesem Artikel über all die vergessenen Rapper diese Aussage wohl wieder entkräften werden, ist die Entwicklung in Richtung Punchline-Rap, betont unseriösen und witzigen Themen und etwas mehr Spaß in der Musik neben dem Straßenrap-Boost das Beste, was passieren kann. Der Auftritt von Karate Andi beim diesjährigen Splash Festival hat eindeutig gezeigt, dass der Boss vom Hinterhof noch groß werden wird. Ein gewisser Einfluss von den Königen von Deutschland, K.I.Z., ist wohl nicht von der Hand zu weisen, was durchweg positiv gemeint ist.

Anzeige

Auch Fatoni und Edgar Wasser aus München haben mit ihren bisherigen Releases schon einige Wellen geschlagen, ihre Mixtapes strotzen nur so vor absurdem Humor und haben sogar die Aufmerksamkeit von Fettes Brot auf sich gezogen. Wir setzen auf eine ausgiebige Post-K.I.Z.-Ära und darauf, dass die Zeit nicht alle Hypes heilt.

Und auch wenn man es kaum glauben mag, selbst die deutschsprachige Indiemusik gibt momentan wieder ein paar Laute von sich, die gar nicht so verkehrt klingen. So hat es zum Beispiel das westfälische Duo Schafe & Wölfe, das mit rotziger Stimme auf Elektropunk-Beats trällert, via Online-Voting zum diesjährigen Melt! Festival geschafft.

Auch Labels mit anderen Ausrichtungen orientieren sich zunehmend in Richtung Singer/Songwriter oder Pop, im Grunde ist diese Entwicklung nach den Pop-Rappern wie Marteria oder auch Kraftklub auch nur logisch. Zu sehen ist das nicht nur an Olson oder Sierra Kidd, sondern auch an Label-Divisionen von beispielsweise Chimperator, der Heimat von Cro und den Orsons, die im Reportoire inzwischen auch Künstler haben, die keine Rapper sind. Vielversprechend könnte auch das neueste Signing von Chimperater sein: Lot, ein Leipziger Singer/Songwriter, der gerade an seinem Debüt sitzt.

Und wo wir gerade bei deutschsprachiger Musik sind, die Jungs von Bilderbuch kommen zwar aus Österreich, sind aber so auf dem Vormarsch, dass sie mit Sicherheit einige Entwicklungen und Inspirationen lostreten können. Da soll nochmal jemand sagen, deutschsprachige Indiebands wären nicht cool.

Anzeige

Genau, wo ist eigentlich die Euphorie?

Etwas rebellischer und härter sind dann schon Messer unterwegs, die zwar bereits zwei Alben veröffentlicht haben, aber gefühlsmäßig hier erwähnt werden müssen. Wirklich frisch aus dem Ei gepellt sind dagegen Trümmer, die im August ihr Debütalbum bei Pias veröffentlichen. Oben seht ihr das neueste Video der Hamburger.

Aber auch englischsprachige Indiebands lassen sich in Deutschland blicken. So hat es die Hamburger Band Pool schon zur Band of the day im britischen Guardian geschafft, Still Parade bekommen für einen Song auch mal über eine halbe Millionen Plays und auch in Mönchegladbach geht im Supermutant-Umfeld einiges, wie das Projekt Chai Kat überzeugend beweist.

Dem Deutschpunk haben wir bereits einen ganzen Artikel gewidmet, er ist wohl das deutsche Genre, das sich am konstantesten fortführt, wenn auch zum größten Teil außerhalb der Wahrnehmung der Masse—es ist eben Punk.

Die deutsche Musikszene blüht momentan wieder richtig auf und auch wenn wir hier nicht jede Sparte und jeden vielversprechenden Künstler erwähnen konnten, passiert gerade wirklich einiges und es lohnt sich, in den Ecken zu kratzen.

Viola ist auf Twitter: @ville_vallo

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.


MEHR VON NOISEY

Der unaufhaltsame Aufstieg des Karate Andi

Andi hat diese Woche erst das Splash zerstört und dann bei Selfmade unterschrieben. Zwei von einer Menge Gründen, warum er der neue Shit sein wird.

Anzeige

6 Dinge, die wir jetzt schon über Drakes neues Album wissen

Hier sind 6 Fakten über Drakes kommendes Album „Views From The 6“ , die vielleicht sogar stimmen.

Catey Shaw ist die Rebecca Black der Gentrifizierung

Das war's mit Brooklyn.