„Die Clubstruktur wird sich in Richtung Dezentralisierung bewegen.“
Foto: Amelie Kahn-Ackermann

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„Die Clubstruktur wird sich in Richtung Dezentralisierung bewegen.“

Im Berliner Stadtteil Oberschöneweide eröffnet am Wochenende mit dem Weyde³ ein neuer Club. Wir waren kurz vor den letzten Schliffen zu Besuch und haben exklusive Fotos gemacht.

Der (fast fertige) Mainfloor. Foto: Amelie Kahn-Ackermann

„Entsteht in Oberschöneweide das nächste Berghain?", fragte sich die Berliner Zeitung im Dezember 2015 in einem Bericht über das Weyde³, einem neuen Club, der am 13. Februar seine offizielle Eröffnung feiert. Auf die Idee, dass nicht jeder Club das neue Berghain sein will (oder kann), kam die Autorin nicht. Zwar standen die Architekten vom Studio Karhard, die auch das Berghain gestalteten, beratend zur Seite. Allerdings folgt daraus nicht, dass man wie der Techno-Tempel am Ostbahnhof sein will. „Die Architekten des Berghains waren zunächst nicht eingeplant, haben es sich dann aber mal angeguckt und so gute Ideen gehabt, was die Raumaufteilung und die Funktionalität angeht, dass wir sie übernommen haben. Sie haben uns sehr geholfen." Für die Lichtgestaltung waren die gleichen Designer verantwortlich, die auch schon das Watergate in ein Meer von Glühbirnen verwandelten. Dennoch sei man weit davon entfernt, dem Berghain oder Watergate nachzueifern

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Warum aber genau in Oberschöneweide? „Der Standort hat eher mich gefunden als ich ihn.", erzählt Martin Koch, Geschäftsführer und Betreiber des Weyde³. Die Eigentümer der Spreehöfe, in den der Club liegt, wollten das Gebäude, in dem vorher eine klassische Diskothek war, neu beleben. Dazu betrieb man eine intensive Recherche über die zukünftige Entwicklung der Bezirke und Clubs in Berlin, mit dem Ergebnis, dass „die Clubstruktur sich in Richtung Dezentralisierung bewegen wird." Das heißt konkret erstens, dass sich der Lebensmittelpunkt vieler Berliner sich zunehmend weiter weg von dem bisherigen Zentrum bewegen wird. Zweitens werden die Clubs denselben Weg gehen wie ein großer Teil der Bevölkerung. Zum einen, weil es schwer wird, innerhalb des S-Bahn-Rings neue Läden, neben den bereits etablierten, dauerhaft zu halten. Zum anderen werden sich die Möglichkeiten für Clubs in der Peripherie mehr als bisher erweitern, wenn dort Stadtteile aufgewertet werden und sich das gängige Zielpublikum entschließt, dort zu leben.

Der zweite Floor. Foto: Amelie Kahn-Ackermann

Zu dieser Zielgruppe gehören zum Beispiel Studenten. Nur unweit vom Weyde, ebenfalls in der Wilhelminenhofstraße, hat die „Hochschule für Technik und Wissenschaft" mittlerweile einen Standort mit 10.000 Studierenden, was bereits bei den damaligen Überlegungen zum Standort eine Rolle gespielt hat. Die allgemeine Entwicklung in Berlin und besonders in Schöneweide werde sich laut Koch positiv auf den Club auswirken. Also will man vor allem Locals in den Club holen? Das Einzugsgebiet des Clubs soll zwar die unmittelbare Umgebung und das angrenzende Adlershof sein, allerdings habe man alles qualitativ so hochwertig konzipiert, dass er auch für Besucher aus den anderen Stadtteilen attraktiv sei, so Koch. Die Entwicklung des Clubs hänge dabei eng mit der des gesamten Areals zusammen. Das Weyde³ ist also Teil eines stadtpolitischen Konzepts, das versucht, den Bezirk nicht nur für die bereits dort lebenden interessanter und vielfältiger zu machen, sondern auch für diejenigen eine Option zu sein, die aufgrund steigender Mieten nicht mehr in den Kiezen innerhalb des S-Bahn-Ringes wohnen können oder wollen. Die bisherige Berliner Club-Struktur ist ja im internationalen Vergleich durchaus ein Luxus, in vielen Städten ist der Weg zu den Locations deutlich länger.

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Blick von der Garderobe aus. Rechts kommen die Gäste rein, links geht es zum Mainfloor. Foto: Amelie Kahn-Ackermann

Aber: Neuer Club in einem Bezirk außerhalb das Rings? Das kommt dem informierten Leser hiesiger Magazine über Club-Kultur bekannt vor. Richtig erinnert. Das Kiki Blofeld machte im Frühjahr 2014 unter allgemeiner Euphorie, nach seiner Vertreibung aus Kreuzberg, in Oberschöneweide neu auf, nur um Ende des Jahres wieder schließen zu müssen. Der Betreiber machte damals die Behörden und den Vermieter für das Scheitern verantwortlich. Die Bürokratie habe die Einhaltung der Auflagen erschwert und der Vermieter nur kurzfristige Pläne mit dem Club gehabt. Um einen solchen Ausgang zu vermeiden ist das Weyde eine langfristige Partnerschaft mit den Eigentümern und Vermietern eingegangen. Ebenso habe man bereits alle behördlichen Auflagen rechtzeitig erfüllt, so dass man davon ausgeht, nicht die gleichen Probleme zu bekommen wie das Kiki Blofeld.

Links geht es um zum Spree-Floor. Außerdem gibt es an der Theke die Möglichkeit, Essen anzubieten. Foto: Amelie Kahn-Ackermann

Bei unserem Besuch wenige Tage vor der Eröffnung ist noch nicht alles so weit, wie erwartet, dennoch lässt sich leicht erahnen, wie es hier in Zukunft aussehen wird. Auf drei Floors werden insgesamt 1000 Leute Platz haben. Damit die Laufwege kurz sind, gibt es ein ausgefeiltes System aus Schiebetüren und Durchgängen. Die drei Tanzflächen werden von zwei Function-One-Anlagen und einem Kirsch-Audio-System beschallt. Einer der Floors hat eine Fensterreihe mit Blick auf die Spree. Musikalisch soll der Fokus auf elektronischer Musik jeder Art, besonders auf allen Formen von Techno und House liegen. Für das Booking ist Max F. zuständig. „Wir wollen DJs buchen, die musikalisch für den Sound aus Detroit, Chicago und Großbritannien stehen. Auch Künstler aus dem Bereich French House sollen bei uns ihren Platz haben." Die Headliner sollen bekannte Größen aus der elektronische Musik sein, die allerdings selten oder gar nicht in Berlin spielen. Dadurch soll der Club im Gewusel des Party-Angebots herausstechen. Es sollen auch unbekannte DJs und Produzenten gebucht werden, wenn diese musikalisch zum Headliner passen. Der Floor mit Spreeblick soll dabei vor allem dem House-Sound verschrieben sein.

Für die Eröffnung hat man Ben Pearce und Tevo Howard mit einem Live-Set gewinnen können. Auch in Sachen Türpolitik will man nicht dem Berghain mit der (angeblich) härtesten Tür Berlins nacheifern. Eine gewisse Selektion soll stattfinden, allerdings basiere diese darauf, ob Leute sich wie betrunkene Idioten verhalten. Wichtig sei der Vibe, also ein friedliches Miteinander von Leuten, die sich für die Musik begeistern. Für die Zukunft ist einiges geplant: Vor dem Spree-Floor gibt es einen ungenutzten Bootsanleger, den man dazu verwenden möchte, Gäste in den Club zu bringen. Neben dem Weyde³ gib es ein Parkhaus, dessen oberstes Deck ebenfalls ungenutzt ist, was jedoch nicht so bleiben soll. Es gibt bereits Festival-Anfragen, auch das Außen-Areal soll genutzt werden. Jeder, der sich für Clubkultur und elektronische Musik interessiert, sollte dieses spannende Projekt verfolgen, es könnte wegweisend für die Zukunft sein.

Der Floor mit Blick auf die Spree. Die Stühle werden im Club-Betrieb nicht dort stehen. Foto: Amelie Kahn-Ackermann