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Der unaufhaltsame Aufstieg des Karate Andi

Andi hat diese Woche erst das Splash zerstört und dann bei Selfmade unterschrieben. Zwei von einer Menge Gründen, warum er der neue Shit sein wird.

Karate Andi zieht sein Ding durch. Keine Ahnung, wie häufig sich in den Battles beim Rap am Mittwoch irgendwelche Gegner darüber lustig gemacht haben, wie er seine Cap trägt oder dass er nicht aussieht, wie ein Türsteher am Fightclub, sondern eher wie ein versoffener Hipster mit abgebrochenem Germanistikstudium—an Karate perlt das ab. Er trägt seine Cap noch ein Stück weiter oben, fickt deine behaarte Mutter, tickt Kilos auf Augenmaß und strahlt dabei mehr Coolness aus als deine komplette Crew. Wenn du ihn nicht ernst nimmst, pusht ihn das erst recht.

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Beitrag von Karate Andi- der boss vom Hinterhof.

Genau so ist er auch erst an den Punkt gekommen, an dem er jetzt ist. An diesem Punkt, an dem er stolz ein Signing bei Selfmade Records verkünden kann, nur vier Tage nach seinem ersten Splash-Auftritt, der gleich einer der besten Gigs am ganzen Wochenende war. Aber dazu kommen wir noch. Fangen wir vorne an.

Eines schönen Mittwochs im Herbst des Jahres 2012, so beginnt die Legende, hing ein—naturgemäß ziemlich betrunkener—Karate Andi mit seinen Kumpels bei der Berliner Battlereihe Rap Am Mittwoch ab. Eigentlich wollte er nur zusehen, aber seine Homies brachten ihn irgendwie dazu, die Bühne zu besteigen und damit begann die Rap-Karriere von Karate Andi Fahrt aufzunehmen.

An diesem Abend entstand auch der Name, wobei entstehen nicht das richtige Verb ist, eher festlegen. Denn „Karate Andi“ war schon länger eines von vielen Rap-Pseudonymen, die der aus Göttingen stammende Neuköllner verwendet. Als er auf der Bühne von Rap am Mittwoch stand und der MC Ben Salomo nach seinem Namen fragte, war es der erste, der ihm durch den Kopf ging. Bingo. In der Zwischenzeit musste sich ständig dafür erklären, dabei funktioniert Karate Andi in erster Linie über den Klang, die Verweise zum berühmten Neuköllner Zuhälter Andreas „Karate Andi“ Marquardt spielt faktisch keine Rolle. Rapper nennen sich nun mal gern nach Gangstern, ist im Grunde alles, was Andi dazu sagt.

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In seiner Göttinger Heimat hatte er sich noch als Monty Burns einen Namen gemacht. Aus der Zeit stammt auch die gern erwähnte Liebe zum Breakdance-Battle und—noch wichtiger—die Beschäftigung mit Bier, Schnaps und Amphetaminen. Themen, die sehr viel besser nach Neukölln passen als die in die niedersächsische Universitätsstadt, über die Andi heute sagt, dass es zwar eine kleine Rapszene gab, deren Mitglieder auch nette Jungs waren, von denen aber niemand mit ihm mithalten konnte. Außer vielleicht sein Freund Gustav, der bis heute sein Backup bei Livegigs ist und auch auf dem Album mehrfach auftaucht.

Der Umzug von Göttingen nach Neukölln war also sowas wie sein Schicksal, wenn sich der Umzug in die Hauptstadt auch erstmal negativ ausgewirkt hat. Denn Andi ist, das kann man wohl ohne ihm allzu nahe zu treten, dem Schicksal so vieler Neu-Berliner verfallen und erstmal mächtig versumpft. An der Hartz IV-Karriere ist weniger dran, als er selbst in seinen Texten behauptet, aber beschissene Nebenjobs, wenig Kohle und Pennerbier haben den Lifestyle geliefert, von dem er so gern berichtet. Die Rapkarriere lag auch da nieder, Karate wusste, was er kann, allerdings war er—mit Ausnahme vielleicht von seinem Freundeskreis—leider auch der einzige, der sich für sein Talent interessierte. Wenn du in Berlin als Rapper Aufmerksamkeit willst, musst du dich schon selbst pushen.

Es kam der Schicksalstag beim Rap am Mittwoch. Anfangs präsentierte sich Andi noch leicht verschüchtert und ungeübt, aber im Laufe der Saison zerstörte er dank seiner beeindruckenden Schlagfertigkeit einen Gegner nach dem anderen und hatte so gut wie immer das Publikum auf seiner Seite, selbst bei eher mittelmäßigen Performances.

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Wahrscheinlich ist das das größte Talent dieses Kerls: sein Charme. Das klingt vielleicht seltsam, aber Karate Andi hat etwas, das Menschen in seinen Bann zieht. Diese Mischung aus Lockerheit, Selbstbewusstsein, Style, Coolness und Humor machen ihn zu einem sehr guten Entertainer. Andi schaut man sich gern an (live), Andi hört man gern zu (in Interviews und Texten), Andi bringt einen zum Lachen (immer), Andi trägt coole Klamotten von Dekor, dem Label seines Mitbewohners, der auch das Pilsator Platin-Cover designt hat.

All diese Eigenschaften sind im Endeffekt wichtiger als Rapskills, Inhalt oder Beats.

Dabei fehlt es daran ja auch nicht, und das ist der Grund, warum Andi wirklich viel zuzutrauen ist. Rappen kann er wirklich gut, man merkt, dass er Bühnen-Erfahrung hat, dass er Freestyles übt, dass er spontan ist und dass er die Technik beherrscht. Sein erster Splash-Auftritt am letzten Samstag war ohne Frage einer der Höhepunkte des kompletten Wochenendes. Obwohl Karate um 17 Uhr nachmittags gespielt hat, war die zweigrößte Bühne rappelvoll und ungelogen JEDER hat mitgerappt.

Das ist durchaus beeindruckend. Schließlich ist Andi ein ziemlicher Newcomer. Er hat keine mehreren hunderttausend Facebook-Likes, sondern diese Woche gerade mal die 30.000 geknackt. Sein im Februar erschienenes Album Pilsator Platin ist wohl eher ein Underground-Hit als ein Kassenschlager. Und trotzdem kann das halbe Splash das Album auswendig.

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Das dürfte zum einen an den Beats liegen, die verdammt dank dem Produzenten 7inch richtig gut sind und den Ohrwurm-Charakter diverser Pilsator Platin-Songs von „Generation Andi“ über „Kindergeld“ bis „Morgen hör ich auf“ massiv befeuern. Das zweite ist die extreme Punchline-Dichte auf dem Album. Karate Andis Song bestehen im Grunde aus nicht viel mehr als anneinander gereihten Zweizeilern. Da er außerdem ein Faible für Reime hat, bleiben diese Punchlines hängen wie nichts. Wer zu viel Karate Andi hört, wirft ständig mit Zitaten um sich, womit man allerdings vorsichtig sein sollte, denn nicht jeder Neuköllner reagiert so entspannt wie dein bester Kumpel, wenn du ihn mit „Gib mir dein Pausenbrot, sonst erstech ich dich!“ begrüßt.

Die Songtexte sind allerdings auch die größte Schwachstelle von Karate Andi. Denn bei aller Begeisterung für das Punchline-Geballer muss man doch feststellen, dass das Debütalbum inhaltlich sehr wenig liefert. Die einzige Geschichte, die Andi in zwölf Tracks erzählt, handelt von seiner Karriere als Schwarzfahrer und der daraus resultierenden Freundschaft mit den Berliner Verkehrsbetrieben. Ansonsten geht es um jede Menge günstiges Bier, Kneipennachmittag, Konzerte in SS-Uniformen, Crack, Amphetaminen und Psychotherapien. Allerdings ohne irgendwie aufeinander aufzubauen. Die meisten Punchlines stammen eins zu eins aus Rap am Mittwoch-Battles, wer sich die Videos mit Karate ansieht, wird jede Menge „Albumtexte“ wiederfinden.

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Nachdem Karate Andi diese Woche bei Selfmade Records unterschrieben hat, steht ihm natürlich die Welt offen. Mit einem authentischen Streetrap-Label im Rücken und dank Universal mit der Schlagkraft eines Majorlabels, dürfte Karate Andis Aufstieg kaum noch zu verhindern sein. Inhaltlich und vom humorigen Ansatz befindet er sich kurz vor dem Aufsteig in die Liga von K.I.Z. Das Potenzial ähnlich groß zu werden, hat er.

Noch dieses Jahr will er ein weiteres Album rausbringen, ob das tatsächlich passiert, bleibt abzuwarten, denn ab jetzt werden ein paar neue Leute mitreden. Definitiv wird er dieses Mal keine alten Reime aufwärmen, sondern Neues liefern. Sollte er sein Versprechen einhalten, wird Karate Andi sehr bald die Mütter des ganzen Landes ficken. Hoffen wir’s.

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