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Der Noisey Guide to Beziehungen mit Musikern

Angefangen vom Fragen nach der Nummer bis zum Ende, wo du verheult zu den Songs, die er/sie über dich geschrieben hat, selber an dir rumspielst.
Emma Garland
London, GB

Wenn sie schweißgebadet auf der Bühne stehen, können Musiker unwiderstehlich sein. Es gibt da einfach dieses gewisse Etwas an einem Menschen, der ein Instrument bearbeitet und zeigt, was er so alles mit seinen Fingern anstellen kann, das in einem das dringende Verlangen aufkommen lässt, sich auf sein Gesicht setzen zu wollen. Jeder Musikfan, der regelmäßig auf Konzerte geht, hat sich schon mal in einen launischen Bassisten verschaut – vielleicht lag es an den Rundungen seines Schlüsselbeins oder seinen Songwriting-Fähigkeiten, die man als die langersehnte Antwort auf die staubtrockene Wüste moderner Romantik empfand. Dabei handelt es sich aber um den Blick durch die rosarote und biergetränkte Brille des hingebungsvollen Fans.

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Ernsthaft, hast du jemals versucht, eine Beziehung mit jemandem zu führen, der Musik macht? Die Präsenz dieser Personen ist abseits der Bühne allzu oft nicht nur unglaublich enttäuschend, sondern sie gehören auch noch zu den egoistischsten und unzuverlässigsten Entitäten auf diesem Planeten – nur übertroffen von Hauskatzen und dem Busfahrplan. Musiker sind richtig scheiße.

Wenn es darum geht, eine Beziehung mit Bandmitgliedern zu führen, wäre der beste Rat wahrscheinlich, es einfach sein zu lassen. Aber wenn du unbedingt auf den Typen oder das Mädel reinfallen musst, der oder die sich mit seinen/ihren Keytar-Künsten in dein Herz gedudelt hat – und das wirst du, denn Liebe kennt bekanntlich keine Grenzen – dann ist hier der Guide, der dich durch die einzelnen Phasen der Beziehung führt: vom Fragen nach der Nummer, bis hin zu dem Punkt, an dem du dich nur noch fragst, ab wann es eigentlich bergab ging und du verheult zu den Songs, die er/sie über dich geschrieben hat, selber an dir rumspielst.

Die Kontaktaufnahme

Foto via Flickr | Krystian Olszanski | CC BY 2.0

Wenn du jemanden triffst, der in einer Band spielt und dazu auch noch Internet hat, dann reichen ein paar Minuten in der Toilettenkabine, um durch einen kurzen Blick auf den entsprechenden Twitter-Feed eine vage Vorstellung von den Interessen deines Gegenübers zu bekommen. Wenn du es besonders eilig damit hast, auf dich aufmerksam zu machen, dann lass ein paar aktuelle (aber nicht zu aktuelle) Referenzen vom Stapel, von denen du weißt, dass sie von deinem Gesprächspartner verstanden werden – "Oh mein Gott, hast du die Southpark-Folge gesehen, in der alle ihre Eier in die Mikrowelle packen, um an Gras zu kommen?" So etwas in der Art. Der Konversationszug ist nun bereit zur Abfahrt, erster Halt: Insiderwitz-Hausen.

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Was auch immer du machst, lass dich nicht einschüchtern. Die Mehrheit der Leute "On The Road" verbringen ihre Zeit damit, in billigen Hotelzimmern zu masturbieren, die sie sich mit Leuten teilen, neben denen sie schon den ganzen Tag über im stinkigen Van gesessen haben – dementsprechend sie sind also für so ziemlich alles zu haben.

Wenn du mehr möchtest, als nur eine Nacht voll verschwitztem Spaß, dann haben wir hier einen Profitipp für dich: Versuch über etwas anderes als Musik zu reden. Wenn dein Gegenüber Probleme hat, ein anderes Thema zu behandeln, dann brich die Unterhaltung besser sofort ab und verbuch das Ganze unter "aussichtsloser Fall". Es sei denn, die Vorstellung, jeden Tag für den Rest deines Lebens über das Gitarrenfeedback von Lou Reeds Metal Machine Music zu diskutieren, spricht dich ungemein an.

Der Sex

Foto via Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC BY 2.0

Die wahrscheinlich schwierigste Sache, mit der du klarkommen musst, wenn du mit einem Musiker zusammen bist, ist die, dass so ziemlich alles, was dieser Mensch bis jetzt geschrieben hat, von seinem oder seiner Ex handelt. All die nächtlichen Tinder-Bekanntschaften sind in Songs dokumentiert und von dir wird nicht nur erwartet, dass du diese ‚Kunst’ positiv unterstützt – denn das ist ab jetzt dein Job – du musst jetzt auch auf Konzerten mit dem Kopf dazu nicken – selbst zu Songs, die "Nobody's Ever Fucked Me Like You Did" heißen. Sex wird also zu einer überaus ernsten Angelegenheit. Du willst schließlich als eine Art erotischer Magier in Erinnerung bleiben und nicht als jemand, der der Person in den unbekleideten Schritt kotzte – während sie dabei an jemand anderes dachte.

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Die schöne Ironie von all dem ist, dass Musiker selbst dazu neigen, ziemliche miese Liebhaber zu sein. Sie tendieren dazu, viel zu viel Zeit damit zu vertrödeln, "stimmungsvolle" Musik rauszusuchen, und sie tendieren noch viel mehr dazu, das Instrument in der Ecke ihres Zimmers als Objekt der Verführung einzusetzen. Ich könnte ein ganzes Kapitel darüber schreiben, wie oft mir Letzteres passiert ist – und ich würde es Angst & Schrecken in meinem Uterus nennen. Musik sollte dort bleiben, wo sie hingehört: innerhalb der dafür vorgesehenen Spielorte, dem Broadway und in Kriegsdokus.

Klasse, ihr seid ein Paar! Stell dich am besten darauf ein, die Person nie zu sehen

Da niemand mehr Musik kauft, müssen die meisten Künstler ihr Geld damit verdienen (bzw. sicherstellen, dass sie etwas weniger verlieren), in einen kleinen Van oder einen Fernbus (Solokünstler) zu springen und Jutebeutel für 15 Euro zu verkaufen. Das passiert unglaublich oft im Jahr und diese Ausflüge können von einem Wochenendtrip nach Tirol bis zu einer zweimonatigen Tour am anderen Ende der Welt so ziemlich alles umfassen. Und was machst du dann? Fährst du mit und machst dich damit zur verzweifelten Projektionsfläche aller Feindseligkeiten – der deiner besseren Hälfte und der restlichen Band gleichermaßen? Oder bleibst du daheim und akzeptierst die Tatsache, dass du jede der folgenden 30 Nächte betrogen wirst, weil, "was in Innsbruck passiert, bleibt in Innsbruck"? Die richtige Antwort darauf ist tatsächlich die heimliche, dritte Variante: Scheiß drauf, hab einfach deinen eigenen Spaß ¯\_(ツ)_/¯

Und wenn doch, dann nur auf ihren beschissenen Shows

Foto via Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC BY 2.0

Du wirst auf hunderte Shows gehen und selten dabei Spaß haben. Es gibt aber ein paar Regeln, die es dir erleichtern, diese Pflichttermine relativ unbeschadet über die Bühne zu kriegen: Während die Band für gefühlte zehn Stunden beim Soundcheck ist, solltest du nicht wie die manisch-depressive Familienkatze beim Campingurlaub ziellos durch den Laden streunen. Lass dich stattdessen mit auf den Rider setzen und mach dich über den reich bestückten Backstage her. Wenn die Show losgeht, solltest du dich auch nicht wie eine von diesen grauenvollen Schönheitswettbewerbmuttis mitten vor die Bühne stellen und das Objekt deiner Begierde unablässig mit deiner Kamera fixieren. Sitz auch nicht mit einem langen Gesicht in der Ecke, wenn dein Schatz zu beschäftigt ist, um dir zwischen dem Ausladen, Show spielen, Einladen und dem Versuch, vom Promoter endlich das vereinbarte Geld zu bekommen, die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Du musst akzeptieren, dass du den Großteil des Abends alleine verbringen musst. Nimm ein Buch mit, erfrag das Wi-Fi-Passwort, besauf dich mit irgendjemandem. Ganz egal, mach irgendwas, womit du die Zeit besser rumbekommst.

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Sie werden dir deine ganzen Lieblingsbands kaputtmachen

Nimm dir einen Moment lang Zeit, um dich an all die Sachen zu erinnern, die dir momentan an Musik Spaß machen. Nach ein paar Monaten, in denen du dir mit einem Musiker das Bett geteilt hast, werden diese nämlich nach und nach dahinschwinden – wie das Selbstbewusstsein eines frisch Geschiedenen. Sei es das automatisierte Meckern über Popmusik zum bloßen Zeitvertreib, das Totreden der drei Alben, die dir mal wirklich etwas bedeutet haben: Sei darauf gefasst, alles zu opfern, was dir jemals an der großartigen Welt des Klangs lieb und teuer war. Es liegt in der Natur der Sache, dass ihre Meinungen und Einstellungen erdrückender sind als ein schwerer, bayrischer Dialekt. Lass sie aber nicht zu sehr das Sagen haben, sonst ist eure Beziehung sofort dem Untergang geweiht. Ich wurde ein ganzes Jahr lang von einem Musiker mit The National quasi zwangsernährt, was zur Folge hatte, dass ich, wenn auch nur kurzzeitig, eine große Vorliebe für Powerviolence entwickelte. Ich brauche wohl nicht noch extra zu erwähnen, dass wir dann aufgrund unseres unterschiedlichen Lifestyles getrennte Wege gingen.

Es geht bergab

Du hast es vielleicht geschafft, im ersten Beziehungsmonat die ungeteilte Aufmerksamkeit deines Lebensabschnittsgefährten zu erhaschen, aber danach wird noch nicht einmal vom Laptop aufgeschaut, wenn du den Raum betrittst. Er ist nämlich viel zu beschäftigt damit, irgendwas bei Garageband zu loopen und überhaupt geht er davon aus, dass du dein Leben um seine Studiozeiten herum organisierst. Der Großteil der rücksichtslosen Missachtung deiner Gefühle geschieht dabei noch nicht mal absichtlich – sie können einfach nicht anders. Die meisten Musiker haben sich der Sache, die sie machen, total verschrieben und das kann für alle Beteiligten Segen und Fluch gleichermaßen bedeuten. Letztendlich wird der Musiker immer die erste Rolle in eurer Beziehung spielen, dann kommt die Musik und dann kommst du. Da Musik aber keine körperliche Erscheinung ist, kannst du ihr leider noch nicht mal ein Getränk und wüste Beschimpfungen hinterherwerfen.

Andere bescheuerte Sachen, die sie machen werden

  • Einen Streit mit dir anfangen, nur um neues Songmaterial zu haben.
  • Mist fressen, in Bruchbuden leben, 900 Euro für die Viertgitarre ausgeben.
  • Dich darauf hinweisen, dass alle bei DSDS nichts draufhaben (was sie auch stimmt, aber gerade deswegen ist die Sendung ja auch so gut)
  • Sich weigern, auf Konzerte zu gehen, für die sie keinen Gästelistenplatz bekommen.
  • Dich an einem Sonntag mit zu einer Matinee Show in Buxtehude um 14 Uhr schleifen.
  • Über das ach so harte Musikerleben jammern.

Die Trennung

Screenshot via YouTube.com

Das Bild des "sensiblen" Songwriters eignet sich hervorragend als Projektionsfläche für die ganzen unrealistischen Vorstellungen von Romantik und Abenteuer, die im krassen Gegensatz zur harten Lebensrealität stehen. Nur weil sie sich kreativ ausdrücken können, heißt das nicht automatisch, dass sie die Gralshüter der Empathie und die Meister der zwischenmenschlichen Kommunikation sind. Nicht selten entstammt ihr Verständnis von Liebe und Beziehung den W.H. Auden Gedichten, aus denen sie sich schamlos für ihre Lyrics bedient haben, und weniger tatsächlich gemachten Erfahrungen, die sie in ihrem Leben gemacht haben. Wenn also nicht alles exakt so wird, wie du das erwartet hast, kann es sehr gut sein, dass du dich auf den unausweichlichen Untergang vorbereiten musst.

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Es gibt auch arme Schlucker, die mit wirklich berühmten Musikern zusammen sind. Das mag dir im ersten Moment wie die großartigste Sache vorkommen, die dir je passiert ist – bis dann alles vorbei ist. Die Heilung deiner emotionalen Wunden wird dann unablässig davon gestört, dass dich deine oder dein Ex jeden beschissenen Tag auf dem Weg zur Arbeit von Promopostern angrinst. Wo wir schon bei außergewöhnlichen Erfahrungen sind: Es muss unglaublich sein, einen großen Song inspiriert zu haben – auch wenn intime Details zur eigenen Person dann als Mitgröhlrefrain für einen Haufen Säufer beim Frequency Festival enden.

Vielleicht glätten sich am Ende die Wogen auch wieder, selbst wenn du eine ganze Woche lang ignoriert wurdest und du alle Presets auf seinem Keyboard mit Furzgeräuschen ersetzt hast.

Moment … du machst selber Musik und gehst mit einem Musiker aus?

Sollte dem so sein, dann kannst du den ganzen Kram da oben wieder vergessen. Entweder heben sich eure Egos gegenseitig auf und ihr lebt glücklich als dynamisches Powerpärchen bis an euer Lebensende oder eure beiden Karrieren werden durch ein Justin VS Britney-mäßiges Spiel des gegenseitigen Ausstechens angereichert. Wie auch immer: Nur zu!

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