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Der ESC ist krank und Elaiza sind das Symptom

Der Donnerstagabend war der endgültige Beweis dafür, dass der Eurovision Song Contest der größte Scheiß der Welt ist.

Donnerstagabend—die meisten haben es vermutlich gar nicht mitbekommen—wurde in der ARD basisdemokratisch entschieden, mit welchem Song unser doitsches Land beim diesjährigen Eurovision Song Contest antreten wird.

Wir erinnern uns: Deutschland hatte mal den Ruf, mehr oder weniger automatisch jährlich als Aspirant auf die vorderen Plätze anzutreten. Das geht auf ein paar Erfolge zurück, die aus Zeiten stammen, als der ESC noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß, die Fernsehlandschaft aus ganzen zwei Sendern bestand und Katja Ebstein als heißer Feger galt. Oder Ralph Siegel als cool.

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Vorbei. Spätestens zum Beginn der Nullerjahre stürzte sich die Veranstaltung selbst in die Krise, das öffentliche Interesse—vor allem in der Zielgruppe der unter 30-Jährigen—stürzte ins Bodenlose, die Qualität der Musik ebenso, ehemalige Ostblock-Staaten wählten sich ohne Rücksicht auf Geschmack gegenseitig und westeuropäische Länder wie Deutschland reagierten, indem sie ähnlich beschissene Musiker zum inzwischen supermodern betitelten Eurovision Song Contest schickten, oder sich subtil über die ganze Chose lustig machten, indem sie Stefan Raab im mit LED-Sternen beklebten Anzug einen Song namens „Waddehaddeduddeda“ singen ließen.

Irgendwann gingen den Verantwortlichen aufgrund der anhaltend schlechten Quoten vor allem beim nationalen Vorentscheid kollektiv der Arsch allerdings richtig auf Grundeis. Alles wurde reformiert, Raab mit ins Boot geholt, die Vorauswahl in Form einer monatelangen Castingshow getroffen und ein kleines Mädchen namens Lena gefunden, die zum Dank auch noch international gewann.

Nicht, dass wir Lena mögen würden oder gar ihren Song „Satellites“, aber was zur Hölle ist danach schief gelaufen? Warum wurde ein erwiesenermaßen erfolgreiches Konzept schon ein Jahr darauf wieder zerbombt, indem die Gewinnerin (wieder Lena) schon vor der Castingshow feststand und nur noch ein passender Song gesucht wurde? Das war das bekloppteste Castingshow-Konzept der Geschichte. Kein Wunder, dass es nicht erfolgreich war.

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Als Reaktion auf den Flop wurde ein Jahr später krampfhaft versucht, eine neue Lena zu finden. Leider fand man nur einen Roman, der so viel Langeweile ausstrahlte, dass wir schon einschlafen, wenn wir nur dran dennnnchrchrchr… Naja, immerhin schaffte es der Bubi aus Düsseldorf auf Platz 8. Aber statt das zumindest einigermaßen erfolgreiche Konzept beizubehalten, wurde wieder alles geändert. Als Folge landete 2013 eine in goldene Wurstpelle gepresste, blond gelockte Dame namens Cascada nicht mal mehr in den Top 20.

Am Donnerstag also die deutsche Vorauswahl für 2014. Die Quoten sagen im Grunde schon alles: Insgesamt verfolgten die gestrige Sendung in der ARD 3,95 Millionen Menschen, davon waren laut Meedia 1,5 Millionen zwischen 14 und 49 Jahren alt. Bedeutet im Umkehrschluss, die überwiegende Mehrheit war älter als 49. Sprich: alt.

Und so kommt es dann auch zu einer Entscheidung wie der, das Trio Elaiza zur Endrunde nach Kopenhagen zu schicken. Der ESC ist krank und Elaiza sind das Symptom. Diese Drei stehen exakt dafür, was beim ESC alles falsch läuft: Sie bezeichnen ihre Musik selbst als „osteuropäische Neo-Folklore“ (sic!), sehen aus wie Menschen, die meine Mutter als „fesch“ bezeichnen würde und machen im Grunde genau das, woran der ESC krankt: eingängigen, Gefühle vortäuschenden Schlager.

Das ist so völlig vorbei an dem, was tatsächlich moderne, aufregende oder gar wegweisende Musik ist, dass es über den Mini-Kosmos der Trash-Veranstaltung ESC gar nicht hinauskommen kann. Musiker, die wirklich von sich und ihrer Kunst überzeugt sind, halten sich davon mit aller Kraft fern.

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Und so kommt es, dass der geneigte Zuschauer die Wahl zwischen Unheilig, Santiano und Elaiza hat. Und so kommt es, dass der geneigte Zuschauer mit einem Durchschnittsalter von über 50 Jahren sich zwischen all dem Übel für das entscheidet, was er noch annähernd für international konkurrenzfähig hält. Was ihm als osteuropäischer Folk verkauft wird. Noch dazu wird eine herzerwärmende Underdog-Geschichte um diese drei nur dank einer Wildcard qualifizierten Damen gestrickt, die auch noch die letzte Oma zum Hörer greifen lässt—und zum Dank minutenlang der Frontfrau und „Rockröhre“ (Zitat: NDR) beim Heulen zusehen muss. Das ist das, was verkrustete öffentlich-rechtliche Fernsehmacher 2014 und Gefühlen verstehen.

Und nein, Akkordeon ist kein cooles Instrument.

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