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Könnt ihr bitte aufhören, Denis Cuspert einen „Rapper“ zu nennen?

Deso Dogg hier, Deso Dogg da—Denis Cuspert war nie ein ernstzunehmender Musiker, also hört auf, ihn als solchen zu bezeichnen.

Denis Cuspert 2011 © Jasmin Steigler | VICE

Vielen dürfte dieser Name inzwischen ein Begriff sein: Deso Dogg. Schließlich berichten Medien rund um die Welt über den „Berliner Ex-Rapper“ (Focus), den „IS-Rapper“ (Krone), den „deutschen Terror-Rapper“ (Bild), noch den „IS-Rapper (Blick), den „Berliner Rapper auf der Terroristenliste“ (N24), den „Gangsta-Rapper“ (Spiegel Online), den „rappende Fleischhauer des ISIS“ (NY Post), den „Rapper“, der ein „grausiger Posterboy des ISIS“ geworden ist (Fox News). Und so weiter und so fort, die Zitatenliste ließe sich bis in die Unendlichkeit fortführen.

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Aber kennt auch irgendjemand Denis Cuspert? Oder gar einen Herrn namens Abu Talha al-Almani? Weiß irgendwer da draußen, wer dieser Abou Maleeq ist? Wird schwer. Diese Namen, die alle denselben Mann bezeichnen, werden in den Medien—wenn überhaupt—meist nur in Klammern genannt. „Der Berliner Gangster-Rapper Deso Dogg (alias Denis Cuspert)“ ist ein klassischer Satz, der Schreibern, die vermutlich nie einen einzigen Song von Cuspert gehört haben, so locker über die Lippen geht, wie das „Mahlzeit“ in der Mittagspause der Axel-Springer-Cafeteria.

Es ist wichtig und richtig, dass über die Irrwege des Denis Cuspert berichtet wird. Die Anziehungskraft des IS ist erschreckend hoch und an der Bezeichnung „Posterboy des IS“ ist durchaus etwas dran. Denis Cuspert steht auf der amerikanischen Terrorliste, und das ist keine Auszeichnung, sondern ein Beweis dafür, wie gefährlich er ist.

Mit einer Sache hat all das allerdings sehr wenig zu tun: seinen Versuchen im Feld des Raps. Ja, dieser Mann hat Anfang der Nullerjahre gerappt. Damals war Berlin der neue heiße Scheiß, Rap von der Straße, vorgetragen von Straßenkids, bestenfalls mit Migrationshintergrund, inhaltlich immer höchst aggressiv, gegen das Establishment, gegen die Spießer, gegen alle und alles.

In dieser Zeit hat jeder gerappt, der auch nur im entferntesten mit der HipHop-Kultur in Berührung kam. Die Wahrscheinlichkeit als Kind einer zerrütteten Familie aus West-Berlin mit dieser Kultur in Berührung zu kommen, ist sehr, sehr hoch. Denis Cuspert—Sohn eine Ghanaers und einer deutschen Mutter, Stiefsohn eines GIs—identifizierte sich mit amerikanischen Rappern, doch musikalische Relevanz erreichte er nie. Der Name Deso Dogg war vielleicht ein paar sehr eingefleischten Rap-Fans ein Begriff, dieser Typ, der ständig Stress mit der Polizei und Staatsanwalt hatte, der regelmäßig im Knast war, seine Musik im offenen Verzug aufnahm—das roch nach Authentizität, nach Amerika, nach echtem Gangster-Lifestyle. Nach guter Musik roch es allerdings nie.

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Und genau das ist der Punkt. Ja, Denis Cuspert hat mal gerappt. Aber er war nie ein guter oder gar berühmter Rapper. Deso Dogg war im deutschen Rap irrelevant. Er war nur ein Kleinkrimineller aus West-Berlin, der optisch an Dr. Dre erinnerte, seinem Label Authentizität versprach und eine Zeitlang trauten ihm ein paar Menschen den Durchbruch zu, auch er selbst. Aber mit der Karriere war es 2007 vorbei, auch weil die Musik nie den Erfolg brachte, den Denis sich erhofft hatte.

Daher ergibt es inhaltlich überhaupt keinen Sinn, ihn ständig als Rapper zu bezeichnen—außer vielleicht diesen: zu suggerieren, dass Rap und Terrorismus irgendetwas miteinander zu tun hätten. Was immer wieder gern behauptet wird, weil es so schön reißerisch ist. Nein, liebe Springerpresse, Krone, BLick, Focus, Stern, Spiegel und alle anderen, es gibt diesen Zusammenhang nicht. Die Charlie Hebdo-Terroristen haben Rap gehört? JEDER hört Rap. Denis Cuspert hat mal gerappt? Ernsthaft: Der Verkäufer aus meinem Kiosk hat mal gerappt. Meine Putzfrau hat mal gerappt. Selbst ich habe mal gerappt. Keiner von uns ist ein Ex-Rapper.

Denis Cuspert hatte eine Zeit lang die Hoffnung, mit Rap bekannt zu werden. Diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht.

Die Enttäuschung spielt definitiv eine Rolle in der kaputten Biographie eines Mannes, der sich heute Abu Talha al-Almani nennt und mit abgetrennten Köpfen posiert. Allerdings ist hier kein Terrorist aus dem Gangster-Rap entstanden. Denis Cuspert hat sich nicht aus seinen Texten so weit radikalisiert, dass er heute Menschen tötet. Denis Cuspert ist als Rapper gescheitert. Er hat versagt. Wenn überhaupt, steckt in diesem Versagen der Grundstein für seine Radikalisierung. Nicht im Rap. Also hört bitte auf, ihn ständig als Rapper zu bezeichnen.

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