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Das Ende naht: Rapper haben jetzt Beef mit youtubenden Fitnessgurus

Endlich können wir Fitness-Rap in Richtung Youtuber-Szene abschieben!

Wenn nächste Woche Freitag das neue Album von Majoe erscheint, dann ist das alles andere als eine Zäsur für Deutschrap. Er ist weder als Typ, noch als Rapper eine sonderlich originelle Figur. Viel mehr erscheint er dem Rap-Hörer mit moderater Vorbildung wie das Kind einer Art geistiger und körperlicher Vereinigung seiner beiden Karriere-Väter Farid Bang und Kollegah. Für seinen tatsächlich erstaunlichen Erfolg lehnt er sich gewissermaßen an die Starken Schultern seiner Papas an. Ein Schelm, wer sich an dieser Stelle drei eingeölte, glätzende Muskelpakete vorstellt, die ihre Fetischisierung des männlichen Oberkörpers in romantischer Bromance-Vereinigung genießen.

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Körper sind ohnehin das richtige Stichwort. So dürfte im Falle Majoe vor allem sein Körper dafür verantwortlich sein, dass Breiter als 2 Türsteher mit ziemlicher Sicherheit hoch charten und damit einen Trend bestätigen wird, der eng mit den Muckis von Kolle, Farid und Majoe verbunden ist: Eine eindrucksvolle Muskulator steigert bei geschicktem Marketing die Albenverkäufe—und die Verachtung der HipHop-Szene. Immerhin: Parallel zu dieser Entwicklung sind Majoe und Farid heute ohnehin viel enger mit einer anderen Szene verbandelt: Heute haben sie kaum noch Beef mit anderen Rappern, sondern mehr mit der youtubenden Fitness-Guru-Szene.

Das wiederum lässt sich leicht begründen: Parallel zu der schon nun seit Jahren vorangetriebenen Fetischisierung eines möglichst maskulinen Körpers als ultimatives Statussymbol vieler Männer (noch vor dem dicken Benz) schwand die Relevanz der Musik der „Fitness-Rapper“. Eine qualitative oder gar inhaltliche Weiterentwicklung war nicht mehr zu erwarten—lyrisches Sparring machte man in gewissen Kreisen offensichtlich nicht mehr, weil man die Zeit brauchte, um die Brustmuskeln für die nächsten Oberkörper-frei-Fotos zu stählen. So verkaufen vor allem Farid Bang und Majoe schon seit langem nicht in erster Linie ihre Musik, sondern ihre Figur, was wiedeurm im doppelten Sinne zu verstehen ist. Natürlich ist da zum einen die gesamte Inszenierungsmaschinerie, die die jugendlichen Käufer über eine möglichst plakative Kunstfigur unterhalten soll. Zum anderen meinte es immer stärker den Adonis-Körper als idealtypisches Vorbild, dem leistungsorientierte Jugendliche nachrennen können.

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Die logische Konsequenz: Hersteller von Bodybuilder-Ernährung wie Zec Plus fingen an hochdotierte und für beide Seiten lukrative Sponsoring-Deals mit den Rappern abzuschließen. Mittlerweile geht diese Geschäftspraxis sogar so weit, dass selbst Bushido (der nicht gerade dafür bekannt ist, in der Öffentlichkeit seinen Bizeps zu zeigen) ab und an mal eine Dose L-Glutamin für Instagram abfotografiert. Der ehemals eher lauchige Kollegah verdient wiederum bereits seit einer Weile mit seiner Bosstransformation lässige Zusatz-Patte und Interview-Legende Fler hat in dieser Hinsicht mit Maskulin IP vor wenigen Wochen nachgezogen. Völlig selbstverständlich: Auch an dieser Front nutzen die Rapper das effektivste Publicity-Werkzeug in ihren Händen: Beef!

„Fler bringt Klarheit in den Konflikt mit Julian Zietlow“ und „SO pöbelt Farid Bang nun gegen Fitness-Guru Karl Ess los!“ sind nur zwei von zahlreichen News-Meldungen zum Thema „Fitness-Beef“. Da wir, wie vermutlich auch viele von euch, noch vor Kurzem keine Ahnung hatten, wer Zietlow und Ess überhaupt sind, ein kurzer Crashkurs: Julian Zietlow könnte man als Fitness-Youtuber (mehr als 100.000 Subscriber) bezeichnen. Eine Zeit lang trainierte er vor der Kamera mit Silla, einem von Flers ehemaligen Maskulin-Künstlern. Als diese fragile Beziehung irgendwann in die Brüche ging, benutzte Zietlow trotzdem Flers Musik in einem seiner Blogs. Wenig später fühlte dieser sich von Fler bedroht und ließ eine Klage wegen Bedrohung aufsetzen. Seitdem stänkert Fler öffentlichkeitswirksam und Headline-tauglich weiter gegen Zietlow.

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Karl Ess wiederum ist ebenfalls Fitness-Youtuber, aber in vielerlei Hinsicht die interessantere Figur, weswegen er auch über 360.000 Abonennten hat. Auf Facebook postet er gerne Populistisches, Albernes und Sexistisches. Auf Youtube geht es bei ihm manchmal um Sport, häufiger aber darum, zu erfahren, was Karl den lieben, langen Tag so macht und denkt. Natürlich hat er auch ein Youtube-Video als Antwort auf Farids Diss aufgenommen. Eigentlich ist er nicht großartig anders als Liont—nur hat er eben mehr Testosteron im Körper.

Im Angesicht der leicht messbaren Popularität dieser Video-bloggenden Fitnesstrainer ist es kein Wunder, dass Fler und Farid ihren Streit momentan nur auf Sparflamme halten. Der kleinen Haken hier und da muss natürlich sein, aber insgeheim wissen beide, dass ihre verbalen Slaps gegen den jeweils anderen keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken. Das ernsthaft an Rap interessierte Publikum und die ironischen TV Straßensound-Fans haben den ganzen Zirkus eh so langsam satt—also umwirbt man nun schon seit einigen Monaten in erster Linie die Fitnesswelt. In der kann man zwei mal im Jahr dasselbe Album veröffentlichen und es fällt keinem auf—so lange nur der Armumfang wächst. So haben Farid Bang und Fler offenbar aus reinster Verzweiflung darüber, dass die Rap-Welt das Interesse an ihrem Streit verliert, neue Ziele gesucht und Opfer gefunden, die sie am Ende des Tages noch weiter als ohnehin schon aus der HipHop-Szene hinaus katapultieren. Große Teile von Deutschrap dürften dies kaum bedauern und die Fitness-Szene wiederum darf sich über etwas mehr Krawall-Input und geballte Männlichkeit freuen. Alle gewinnen, alle freuen sich—perfekt.

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