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Interviews

Verbales Ping Pong mit Dan Auerbach

Der Frontmann der Black Keys und von The Arcs ist einer der unscheinbarsten Superstars der Rock-Welt. Ein Gespräch mit ihm zu führen, ist wie Tischtennis spielen.

Ein Gespräch mit Dan Auerbach zu führen, ist wie Tischtennis spielen. Egal welche Frage, der Black Keys-Kopf und The Arcs-Vorsteher gibt einem eine schön komprimierte Antwort. Eine halbe Stunde lnterview fühlt sich da schnell so an wie ein fieser, dreistündiger Ping-Pong-Marathon. Gern glaubt man dem Musikgenie, das schon zig Alben aufgenommen und produziert hat, wenn er sagt, er habe so richtig Bock auf das Musikerdasein. Schließlich nahm er mit seinen neuen Bandkollegen Leon Michels, Richards Swift, Homer Steinweiss, Nick Movshon, Kenny Vaughan und Mariachi Flor de Toloache über 70 Songs auf, mittlerweile soll sogar schon ein weiteres Album so gut wie fertig sein. Zwar macht er gerade außerdem auf dem ganzen Globus Promo, doch irgendwie lässt sich trotzdem das Gefühl nicht abschütteln, dass dieser Mann, der da im Hyatt Hotel in Berlin mit schwarzer Sonnenbrille, komplett schwarzem Rocker-Outfit und protzigen Totenkopfring tief in seinem Sessel versinkt, nur wenig Interesse daran hat seine Leidenschaft mit anderen zu teilen.

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Noisey: The Arcs ist eine Gruppe von Freunden, die gemeinsam ein Album aufgenommen hat. Was kam zuerst: die Musik oder die Freundschaft?
Auerbach: Wir haben zuerst zusammen Musik gemacht und dann wurden wir Freunde. Einige von den Jungs traf ich direkt im Studio und wir begannen sofort etwas aufzunehmen. Aber auch wenn über die Jahre eine Menge zusammengekommen ist, haben wir für das Album noch einmal an gänzlich neuen Songs gearbeitet. Mit ihnen ist es total einfach zu arbeiten, weil für uns alle Musik das Wichtigste auf der Welt ist.

Was macht für dich Teamwork aus?
Teamwork ist das Wichtigste. Nur dadurch entsteht eine besondere Magie im Studio. Mit The Arcs teile ich so eine spezielle Chemie. Wir können uns alles sagen, auch wenn man mal etwas nicht mag. Wir sind gut darin Sachen durchzusprechen, aber gleichzeitig können wir auch einfach nur spielen und es läuft gut.

Ihr seid also ganz frei, ohne jegliche Barrieren oder ein Konzept, ans Werk gegangen?
Ich wüsste nicht, wie man es anders machen sollte, geschweige denn, wie ich beschreiben würde, was nun durch unsere Arbeit entstanden ist. Wir haben einfach alle das gleiche Ziel gehabt. Wir wollten den Spirit jener Platten der 60er- und 70er-Jahre, die wir lieben, mit unserer Musik einfangen. Die Musik sollte neu und alt zugleich klingen.

Auf welches Album könnt ihr euch bandintern alle einigen?
Wahrscheinlich auf irgendetwas von Curtis Mayfield.

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Du bist generell eher der Studio-Typ, oder?
Schon. Im Studio musst du für niemanden performen. Aber jetzt freue ich mich auf die Shows. Denn mit den Typen von The Arcs fühle ich mich auf der Bühne wohl, weil sie so gut sind in dem, was sie tun. Sie sind meine liebsten Musiker.

Von deinen Lieblingsmusikern zu deinem Lieblingssport: Was fasziniert dich am Boxen?
Mein Cousin boxt, seitdem er zwölf Jahre alt ist. Er ist vor drei Jahren nach Nashville gezogen und hat mich mit seiner Leidenschaft angesteckt. Jetzt gucken wir uns oft zusammen Kämpfe an. Boxen ist etwas sehr Menschliches. Es reduziert alles auf einen Mann, der das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern trägt. Klar, er hat einen Coach und Leute, die ihn anfeuern—aber am Ende kommt es nur auf ihn und seine Vorbereitung an. Man kann nur ein Boxer sein, wenn man sich dem Sport zu hundert Prozent hingibt. Aber so ist es ja auch mit der Musik. Man tut es ganz oder lässt es lieber bleiben. Denn man muss aushalten können, dass sich erst einmal keiner für die Musik interessiert, die man macht. Und obwohl man ständig Schläge einsteckt, muss mann weitermachen.

Gehst du intuitiv oder analytisch an das Machen eines Albums heran?
Beides. Ich versuche so weit wie möglich zu kommen, indem ich mich meinem Unterbewusstsein hingebe. Aber am Ende bin ich nun mal ein Erwachsener, also denke ich natürlich über meine Taten nach.

Aber du hast schon einmal planloser, also kindlicher gearbeitet?
Absolut.

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Foto: Alysse Gafkjen

Liegt es also gar nicht in deinem Interesse auch mal mit einem naiveren, frischeren Blickwinkel an Sachen heranzugehen?
Nein. Denn ich bin nicht jung und frisch. Und ich will auch nicht die Zeit zurückdrehen. Man muss zufrieden damit sein, wer man ist.

Und du bist jetzt auf dem Höhepunkt der Zufriedenheit angelangt?
Ich lerne mit jedem Tag im Studio dazu. Es ist so wichtig, offen für neue Erlebnisse zu sein und nicht immer nur unsicher.

Das ist leichter gesagt als getan, oder?
Das unterscheidet den Hobby-Musiker von dem, der mit seiner Musik seinen Lebensunterhalt verdient. Man muss den Funken Selbstbewusstsein besitzen, mit dem man sich sagt: Mach es verdammt noch mal einfach! Selbst, wenn du dabei versagen wirst! Denn erst dann, wenn man auch Fehler zulässt, lernt man dazu. Da kann man noch so viel in seinem Schlafzimmer üben – es wird einen nicht auf die reale Welt vorbereiten. Aber ich will nicht lügen, ich hatte echt Glück. Ich habe jetzt die Freiheit die Musik machen zu können, auf die ich Lust habe. Aber den Punkt konnte ich nur erreichen, weil ich keine Angst davor hatte auch mal etwas falsch zu machen. Und darum geht es doch im Leben: Um das Versuchen, Lernen, Versauen und Aufstehen.

Bei dir klingt das so logisch und klar. Vielleicht hast du es noch nie richtig vermasselt.
Oh doch! Hör mir zu, ich habe es schon oft versaut. Aber ich akzeptiere, dass ich nicht der Smarteste bin.

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Schon mal darüber nachgedacht noch einen Uni-Abschluss zu machen?
(lacht) Nein, darüber denke ich ganz bestimmt nicht nach. Ich war schon in der Schule total schlecht und wollte nie Hausaufgaben machen. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich tun soll. Ich frage mich, wieso ich überhaupt zur Schule gegangen bin.

Hast du schon eine Antwort für dich gefunden?
Weil ich ein dummer Idiot war. Deshalb.

Du bist selbst Vater. Kannst du vor deinen Kindern so offen mit deiner Meinung hausieren gehen?
Ja, warum nicht? Ich wünschte, mir hätte jemand ehrlich erzählt wie es zum Beispiel am College zugeht. Ich finde Colleges nämlich ziemlich kriminell. Sie nehmen Geld von Kindern und bringen sie dazu extreme Schulden zu machen. Sie gehen direkt an die High Schools, um zu rekrutieren. Dort erzählen sie dann, dass es am College immer kostenlose Eiskrem in der Cafeteria gibt. Dabei wollen sie den nichtsahnenden Kids nur das Geld aus den Taschen ziehen. Ich finde das kriminell. Und wie am College mit Athleten umgegangen wird, ist auch unglaublich. Die sterben quasi auf dem Feld für ihr College. Ihre Knie und Gelenke gehen dabei langsam aber sicher kaputt. Doch während das College damit Milliarden einkassiert, ist es den Sportlern nicht erlaubt, bezahlt zu werden. Sie dürfen noch nicht einmal zur Belohnung zum Essen eingeladen werden.

Am Ende haben sie also nichts davon.
Naja, sie bekommen letztlich ein Stück Papier ausgehändigt, auf dem steht, dass sie einen College-Abschluss haben. Aber in Wahrheit konnten sie kaum etwas lernen, da sie ja rund um die Uhr Football spielen mussten. Um die für einen erfolgreichen Abschluss benötigten Punkte einzusammeln, erhalten sie so einen Fake-Unterricht. In den Staaten ist zum Beispiel gerade Swahili-Unterricht der letzte Schrei. Aber wenn man mal bei den Sportlern nachhakt, was sie da genau gelernt haben, können sie kein einziges Wort Swahili sprechen. Aber sie haben in dem Fach alle glatte Einsen bekommen, verstehst du? Das ist ein Milliarden-Geschäft! Denk mal darüber nach! Jede Woche verkaufen sie ein Stadion aus—als wären sie U2. Jede Woche! Und oben drauf verkaufen sie auch noch jede Menge Merchandise—so wie die Shirts der Spieler. Und die Athleten selbst haben gar nichts davon.

Da läuft also etwas mächtig schief. Aber nicht nur da…
…sondern auch in der Musikindustrie? (lacht)

Naja, du kannst doch tun und lassen was du willst.
Ja, aber nur weil The Black Keys auf Tour so erfolgreich sind. Nur mit dem Touren kann man wirklich noch Geld machen.

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