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„Was für Kampf der Kulturen? Da wird ein Bürgerkrieg angezettelt!"—Credibil zur Flüchtlingsdebatte

Wir haben kein Problem mit Flüchtlingen, wir haben ein Problem mit Männern, die sich nicht beherrschen können.

Foto via Facebook

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Seit vergangenen Sommer beherrscht ein großes Thema sämtliche deutschsprachigen Leitmedien: Die Flüchlingskrise aka die Asylpolitik aka die Flüchtlingsdebatte—ein großes, schreckenverbreitendes Monster, das viele Namen trägt und gleichzeitig so komplex wie simpel ist. Simpel, weil: Da geht es Leuten schlecht, uns geht es aber gut, also müssen wir denen helfen. Komplex, weil: Wie können wir denn eigentlich helfen? Leider gibt es auch das weniger rationale Andererseits: Was machen eigentlich die anderen, wer denkt denn an unsere Obdachlosen und überhaupt, die scheiß Amis und Israelis! Das sind wiederum Punkte, die die Diskussionen, die auch großflächig auf sozialen Netzwerken wie Facebook stattfinden, so problematisch machen und unsere Nerven strapazieren.

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Der Frankfurter Rapper Credibil hatte offensichtlich auch schon Kopfschmerzen vom vielen Augenrollen beim Lesen von Facebookkommentaren bekommen und veröffentlichte unter dem Hashtag #mundaufmachen im August ein Video, in dem er seine Meinung bezüglich des unsäglichen Flüchtlingsthemas mittels Freestyle klarmachte. In vielerlei Hinsicht ist Credibil näher an der Thematik dran, als viele studierte Soziologen, Journalisten und Polizeichefs, die diese Diskussion normalerweise anführen. Jugend im Frankfurter Bahnhofsviertel, Migrationshintergund und ein gesunder Menschenverstand qualifizieren Credibils Meinung dazu, mal genauer unter die Lupe genommen zu werden und sich anzuhören, was Deutschlands „Straßenrapper 4.0“ zu sagen hat.

Auch wenn die Qualität eines FaceTime-Telefonats oft so nervenaufreibend ist, wie die Diskussion über Europas Asylpolitik selbst, setzten wir uns mit Credibil vor den Bildschirm und diskutierten über Europas anstrengendstes, wenn auch wichtigstes aktuelles Streitthema.

Noisey: Du sagst in deinem Video, dass die Flüchtlingsdebatte ein Thema ist, dass dich schon sehr lange beschäftigt. Inwiefern setzt du dich mit dem Thema auseinander und wie lange ist sehr lange?
Credibil: Naja, das geht ja schon seit ein paar Jahren so, dass Flüchtlinge ins Land kommen. Das ist ja nicht erst seit letztem August so. Es konfrontiert einen ja jeden Tag. Ich beobachte.

Ist Facebook denn der richtige Raum, um politische Diskussionen zu führen?
Ich glaube, überall ist Raum für politische Diskussionen. Das hat nichts damit zu tun, dass man im Internet anonym ist oder Sachen sagen kann, die man sonst nicht sagen würde. Facebook ist jedenfalls ein Medium, das wir nutzen sollten, um eine differenzierte Meinung zu verbreiten. Aber nicht nur dort. Es ist wichtig, nicht nur auf Facebook, sondern sich auch im echten Leben über diese Themen auszutauschen.

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Wie schätzt du die Macht von sozialen Medien wie Facebook oder Twitter ein?
Wir sind hier in 2016. Wir sind in der Zukunft angekommen, Marty McFly ist gelandet. Die sozialen Medien üben riesen Einfluss aus. Was man früher in der Zeitung gelesen hat, liest man heute online und von irgendwem. Und leider verbreiten sich schlechte Nachrichten besser als gute. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Du hast einerseits die Meinungen aus erster Hand, ungefiltert, aber andereseits sind diese Meinungen halt manchmal von einem dummen, ungebildeten oder noch sehr jungen Menschen. Es ist gut, dass eine breite Masse die Möglichkiet hat, umgefiltert ihre Meinung auszutauschen. Aber leider ist eine breiter werdende Masse auch mit einem Verlust an Niveau verbunden. Bei vielen Sachen bin ich froh, dass die Asylanten nicht verstehen können, was da so geschrieben wird.

Zum Beispiel zum Thema Obergrenzen?
Zum Beispiel, aber da gibt es auch Abstufungen. Ich würde nicht sagen, dass jeder ein Nazi ist, der für eine Obergrenze an Flüchtligen ist. Ich habe auch Freunde und Bekannte, die für eine Obergrenze sind und die sind bestimmt keine Nazis. Ich denke aber, solange wir nicht auf einem Quadratmeter leben und niemand in meinem Wohnzimmer ist—und selbst da gibt es Leute, die da keine Abstriche machen—ist alles okay. So viel, wie wir da Rambazamba gemacht haben und Waffen exportieren … Ich finde, wir machen es uns sehr einfach, wenn wir unsere Verantwortung in dieser Situation übersehen und uns nur über die Konsequenzen beschweren.

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Eine vermeintlich weitere Konsequenz waren ja die Übergriffe an SIlvester in Köln, die jetzt seit Wochen die Medien dominieren. Da treffen gleich mehrere brenzlige Themen aufeinander: Flüchtlinge, Islam, Frauenrechte. Ein Video ging dazu auf Facebook viral, das wir gerne mit dir anschauen würden. Das war ein Interview im Sat1-Frühstücksfernsehen mit einem gewissen Herrn Claus Strunz.
Das ist aber nicht der Türsteher, der für RTL arbeitet, oder? Dieser eine, der in Köln in der Silvesternacht Security gemacht hat? Der arbeitet nebenbei auch bei RTL, der ist der Einzige, der da profitiert hat. Hast du das mitbekommen, das Video?

[Lache] Was? Nein, der ist Journalist. Ich glaube, Claus Strunz ist auch zu lauchig, um irgendwo als Türsteher durchzugehen.
[lacht] OK. Ich kenne das Video noch nicht. Ich spiele das jetzt einfach ab und unterbreche, wenn ich was dazu sagen will.

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Claus Strunz spricht Klartext zur Schande von Köln.

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SAT.1 Frühstücksfernsehen

on Mittwoch, 6. Januar 2016

[Bei Minute 02:08 schaltet sich Credibil, nachdem er bereits amüsiert bis ungläubig das Gespräch kopfschüttelnd verfolgt hat, schließlich ein und stoppt das Video.]

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Jedes Silvester passiert es, dass Mädchen angegraben werden. Jedes Silvester. Ich war noch nie auf dem Oktoberfest, aber ich kann mir vorstellen, was da so abgeht. Also erstens: Jedes Silvester werden Mädchen angegraben. Zweitens: Ich war selber in Köln, wenn auch nicht dort. Aber schau: Es ist Silvester, es sind junge Leute, von den 1000 Leuten, die dort auf dem Platz waren, gab es welche, die natürlich kontrolliert wurden, die einen Asylbewerberschein hatten, OK. Dann werden daraus 1000 Asylbewerber, und aus angrabschen wird vergewaltigen. Ich will hier auch mal sagen, dass angrabschen auch nicht in Ordnung ist, aber es ist was anderes, als Vergewaltigung. Und eine Woche später ist Pegida da und macht dort ihren Wahlkampf. Es tauchen nirgendwo Videos auf. Die sind am öffentlichsten Platz überhaupt—es gibt keinen öffentlicheren Platz, als einen Bahnhof. Und es gibt kein einziges Video, wo man sieht, wie 1000 Asylanten wie wild gewordene Affen auf die Frauen losrennen und sie vergewaltigen. Ich möchte nochmal sagen, dass das von keinerlei Sicht okay ist, was dort passiert ist. Aber der Hintergerund dessen, ist doch nicht die Asylfrage oder die Kanacken, sondern, dass das dumme, betrunkene Jungs waren. Und da ist es doch egal, wo der herkommt und das jetzt der ganze arabische Raum dafür herhalten muss, ist … ich bin echt sprachlos.

[Das Video wird fortgesetzt. Bei Strunz' Satz „Mir ist es egal, ob das in Köln Flüchtlinge waren. Die entscheidende Frage ist, waren es Menschen, die Frauen hassen? Und das ist ja wohl unstreitig, sonst macht man sowas ja nicht“, unterbricht Credibil das Video erneut.]

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Dicka, wenn jemand eine Frau angrabscht, dann bedeutet das nicht unbedingt, dass man die Frau hasst. Vielleicht liebt oder begehrt derjenige die Frau sogar—wenn auch auf falsche Art und Weise. Aber was hier doch der Punkt ist, ist dass das nicht aufgrund der „Schaffen wir das überhaupt“-Frage passiert oder weil wir eine Million Migranten aus Syrien aufgenommen haben. Das passiert JEDES Wochenende im Club. Von Männern generell.

Also haben Männer generell ein Problem?
Ja! Wenn wir eine Problematik in unserer Gesellschaft haben, dann eine mit Männern, die sich nicht beherrschen können. Wir haben eine Problematik mit Alkohol. Aber wir haben doch keine Problematik mit arabischen Männern. Das ist ganz schlimme Propaganda, was hier passiert.

Was sagst du zu seiner These, dass arabische Männer, wie er es nennt „anders sozialisiert" sind, Frauen „hassen“ und dazu erzogen werden, Frauen als Untergebene zu behandeln, die nicht gleichwertig sind?
Also ich als kurdisch-türkisch abstammender junger Mann kann nur für mich sprechen, denn ich bin kein Arab. Aber selbst bei den Arabern habe ich viele Freunde und bin deshalb wohl ein bisschen näher dran, als Claus Strunz. Ich kann dir sagen, da wo ich herkomme, ist die Frau der Chief. Die Männer respektieren die Meinung der Frau. Ich weiß nicht, wo dieser Mann war und diese Erfahrungen gesammelt hat, aber das war nicht dort, wo ich war.

Es ist aber schon so, dass es arabische Länder gibt, in denen Frauen nicht die gleichen Rechte zustehen, wie einem Mann. Klar haben sie vielleicht zuhause das Sagen. Gesellschaftlich sieht das aber anders aus.
Natürlich gibt es Länder, wie der Iran, in dem die Frauen nicht die gleichen Rechte haben. Aber im Iran werden auch Menschen gefoltert. Die haben generell ein Problem mit den Menschenrechten. Wir hier in Europa leben in einer Gesellschaft, in der die Frauen weniger verdienen als Männer. Warum? Weil eine Frau schwanger werden kann und der Arbeitsgeber dann neun Monate für sie zahlen muss. Ist das gerecht? Nein. Aber keiner sagt was, oder zumindest regt sich keiner in dem Fall ähnlich stark auf. Ich denke, es ist ein generelles Problem, dass die Frau leider Gottes in unserem Gesellschaftssystem—und das hat jetzt nichts mit dem arabischen Raum zu tun—nicht den gleichen Stellenwert habt wie der Mann. Auch hier in Europa nicht. Das ist das eigentliche Problem.

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Du meinst also, es ist heuchlerisch, die arabische Kultur als frauenfeidnlich zu stigmatisieren, wo Frauenfeindlichkeit hier immer noch genauso passiert und akzeptiert wird?
Ich sage, es ist überall der Fall, wenn auch auf verschiedene Art und Weise. Wenn in einem Land die Menschenrechte generell nicht geachtet werden, dann wirkt sich das nicht unbedingt positiv auf die Frauenrechte aus. Ich gucke mal weiter.

[Als im Video etwa bei Minute 04:15 die Kölner Bürgermeisterin erklärt, dass junge Frauen und Mädchen besser vor solchen Übergriffen geschützt werden müssen, nickt Credibil bestärkend.]

Du scheinst ihrer Meinung zu sein?
Ja klar. Ey, was soll man denn machen? Jeder partyfreudigen jungen Dame einen Bodyguard dazustellen? Natürlich sollen Frauen weiter feiern gehen und sich keine Angst einreden lassen. Meine Freundin geht auch feiern, auch ohne mich. Ich sage ihr dann natürlich auch, sie soll in der Gruppe bleiben und lieber die paar Euros mehr ausgeben und mit dem Taxi nach Hause fahren, wenn sie keiner fahren kann. Aber nicht, weil ich Angst habe, dass Asylanten sie angrabschen könnten, sondern weil das eben—wie vorhin gesagt—ein generelles Problem von Männern ist. Das ist vor Köln passiert, das wird danach passieren und auch, wenn sich die Erde plötzlich nach links dreht.

Deren Angst ist ja aber, dass das jetzt viel mehr und viel schlimmer wird als vorher, jetzt wo so viele Araber, beziehungsweise muslimische Männer hier sind.
Die Angst kann ich denen leider nicht nehmen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie diese Angst tatsächlich haben und sie nur verbreiten wollen, um irgendwelche Zwecke zu erfüllen. Und das schaffen sie leider. Nicht bei mir, aber bestimmt bei Leuten, die diese Angst auch suchen. Und dadurch, dass das Misstrauen gegenüber den Arabern oder Moslems wächst, sie anders behandelt werden, steigt natürlich auch deren Frust. Da darf man sich nicht wundern, wenn es dann wiederum dort Krawall gibt. Da wird gerade absichtlich ein Bürgerkrieg angezettelt.

Herr Strunz hat das ja sogar so angesprochen am Anfang des Videos: Dass sich ein „Kampf der Kulturen" vollzieht und wir seien dabei, ihn zu verlieren.
Das ist schrecklich! Was für Kampf der Kulturen? Das ist ganz, ganz, ganz schlimm. Die versuchen, uns gegeneinander aufzuhetzen. Die paar Asylanten, die wir hier haben … Die tun so, als würden die Marsmenschen hier bei uns landen. Die haben Smartphones, die kennen Coca Cola, die sind nicht so fremd, wie es dargestellt wird. Ich kenne Leute aus dem Iran, die sind ausgebildete Doktoren und kommen hierher. Natürlich, wenn man die Sprache nicht kennt, ist es schwierig. Aber jeder Mensch kann lernen und ist fähig zu Integration, auch beiderseits. Aber wenn man das Argument benutzt, dass gewisse Verhaltensmuster auf die ethnische Herkunft zurückzuführen sind, dann läuft man Gefahr, denselben Scheiß zu labern, was die 1933 gelabert haben. Die letzten, die das gesagt haben, waren Nazis. Denselben Scheiß ziehen die gerade mit dem arabischen Raum ab. „Der Jude ist gierig“, „Der Araber ist frauenverachtend“. Wenn die sich mit solchen Stereotypen identifizieren wollen, dann bitte, aber in meinem Europa existiert sowas nicht. Keiner meiner Freunde denkt so.

Stichwort Integration: In der Diskussion keimt immer wieder der Vorwurf auf, dass manche Menschen nicht integrierbar seien, aufgrund ihrer verschiedenen „Sozialisierung“.
Erstmal sollte man nicht vergessen, dass es gar nicht mal so leicht ist, hierher zu kommen und es noch viel schwieriger ist, hier zu bleiben. Jeder von denen hat Auflagen zu erfüllen und Einbürgerungstests zu absolvieren und vieles mehr, wenn sie hier bleiben wollen. So leicht ist das gar nicht, hier zu bleiben. Die, die nicht hier bleiben wollen und ergo sich nicht integrieren wollen, die werden zwangläufig ganz schnell weg sein. Wenn ich in ein Land oder eine Stadt käme, wo die Hälfte Frühstücksfernsehen guckt, dann hätte ich da auch keinen Bock drauf und würde nur so lange bleiben, wie ich muss. Man muss den Menschen eine Perspektive geben. Und das heißt nicht, denen vorzuschreiben: „Du machst jetzt das oder das“, sondern den Leuten auch irgendwie eine persönliche Wahl zu lassen, über ihr Leben bestimmen zu können.

Das Problem ist nur, dass ein Land wie Syrien in den nächsten zehn Jahren, wenn nicht länger, nicht mehr bewohnbar sein wird. Zurückkehren ist also für viele Flüchtlinge keine realistische Option. Wie hast du Integration denn bisher erfahren?
Also ich persönlich habe ja das große Los gezogen. Meine Eltern sind etwas früher hierher gekommen. Ich bin hier geboren und genauso integriert, wie jeder andere auch und jeder, der etwas dagegen sagt, soll mir das rechtlich erklären. Ich lasse mir da auch nichts von irgendwelchen Facebooksposts erzählen. Ich denke, je jünger man ist, wenn man hierher kommt, desto aufnahmefähiger ist man. Aus der Erfahrung, die ich gemacht habe, sind es die Leute, die sehr spät hierher kommen, kein soziales Netz haben, diese Ghettoisierung eben erleben, die sich schwertun, Zugang zu dieser Gesellschaft zu finden. Mit 14 ist das was anderes als mit Mitte 40 und keiner Perspektive. Das heißt aber nicht, dass man die nicht aufnehmen sollte. Und das ist nämlich das Entscheidende: diese Masse an Flüchtlingen differenziert zu betrachten. Jeder, der das hier liest sollte nicht vergessen, dass neben bärtigen, jungen Männern, die dumme Sachen an Silvester tun, auch Familien, Kinder, Mädchen unter den Flüchtlingen sind, die genauso vor dem Krieg geflohen sind. Und die wollen auch hier bleiben. Und die schließt ihr auch aus, wenn ihr von den bösen Flüchtlingen sprecht.

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